Art Zeit dazu gewinnen möchte. Wäre ich so bewachet worden, daß es nöthig gewesen seyn dürfte: so würde ich auf die Gasse hinaus gelaufen seyn, und mich in das nächste Haus, in welches ich kom- men können, begeben, oder bey der ersten Per- son, die mir begegnet wäre, Schutz gesucht ha- ben; nachdem ich einmal einen so merklichen Be- weis von der Nachsicht unserer Weiber im Hause gesehen hatte. - - Was müssen das für Weibs- leute seyn, die sich einer armen Person von ihrem Geschlechte unter solchen Umständen nicht anneh- men! - - Außerdem machten sie des Morgens, als er ausgegangen war, einen so elenden Auf- zug, als wenn sie kein gutes Gewissen hätten - - waren so ernstlich bemühet, mich die Treppe hin- auf zu bringen und mich durch das angebrannte Fenstergesimse und die verbrannten Gardienen und obern Vorhänge zu überführen, das Feuer sey nicht erdichtet gewesen - - daß ich immer mehr schlüßig ward, aus ihrem Hause auf alle Gefahr zu entfliehen: ob ich mich gleich stellte, als wenn ich alles glaubte, was sie haben wollten.
Da ich anfing, dachte ich nur ein paar Zeilen zu schreiben. Aber wenn ich an Sie schreibe, kann ich kein Ende finden: es betreffe auch, was es wolle. So ist es mir allezeit gegangen: da- her kommt es nicht besonders von den höchstbe- denklichen und unglücklichen Umständen, welche dennoch so beschaffen sind, daß Sie es mir leicht zu gute halten werden, wenn dieselben
itzo
Art Zeit dazu gewinnen moͤchte. Waͤre ich ſo bewachet worden, daß es noͤthig geweſen ſeyn duͤrfte: ſo wuͤrde ich auf die Gaſſe hinaus gelaufen ſeyn, und mich in das naͤchſte Haus, in welches ich kom- men koͤnnen, begeben, oder bey der erſten Per- ſon, die mir begegnet waͤre, Schutz geſucht ha- ben; nachdem ich einmal einen ſo merklichen Be- weis von der Nachſicht unſerer Weiber im Hauſe geſehen hatte. ‒ ‒ Was muͤſſen das fuͤr Weibs- leute ſeyn, die ſich einer armen Perſon von ihrem Geſchlechte unter ſolchen Umſtaͤnden nicht anneh- men! ‒ ‒ Außerdem machten ſie des Morgens, als er ausgegangen war, einen ſo elenden Auf- zug, als wenn ſie kein gutes Gewiſſen haͤtten ‒ ‒ waren ſo ernſtlich bemuͤhet, mich die Treppe hin- auf zu bringen und mich durch das angebrannte Fenſtergeſimſe und die verbrannten Gardienen und obern Vorhaͤnge zu uͤberfuͤhren, das Feuer ſey nicht erdichtet geweſen ‒ ‒ daß ich immer mehr ſchluͤßig ward, aus ihrem Hauſe auf alle Gefahr zu entfliehen: ob ich mich gleich ſtellte, als wenn ich alles glaubte, was ſie haben wollten.
Da ich anfing, dachte ich nur ein paar Zeilen zu ſchreiben. Aber wenn ich an Sie ſchreibe, kann ich kein Ende finden: es betreffe auch, was es wolle. So iſt es mir allezeit gegangen: da- her kommt es nicht beſonders von den hoͤchſtbe- denklichen und ungluͤcklichen Umſtaͤnden, welche dennoch ſo beſchaffen ſind, daß Sie es mir leicht zu gute halten werden, wenn dieſelben
itzo
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[180/0186]
Art Zeit dazu gewinnen moͤchte. Waͤre ich ſo
bewachet worden, daß es noͤthig geweſen ſeyn duͤrfte:
ſo wuͤrde ich auf die Gaſſe hinaus gelaufen ſeyn, und
mich in das naͤchſte Haus, in welches ich kom-
men koͤnnen, begeben, oder bey der erſten Per-
ſon, die mir begegnet waͤre, Schutz geſucht ha-
ben; nachdem ich einmal einen ſo merklichen Be-
weis von der Nachſicht unſerer Weiber im Hauſe
geſehen hatte. ‒ ‒ Was muͤſſen das fuͤr Weibs-
leute ſeyn, die ſich einer armen Perſon von ihrem
Geſchlechte unter ſolchen Umſtaͤnden nicht anneh-
men! ‒ ‒ Außerdem machten ſie des Morgens,
als er ausgegangen war, einen ſo elenden Auf-
zug, als wenn ſie kein gutes Gewiſſen haͤtten ‒ ‒
waren ſo ernſtlich bemuͤhet, mich die Treppe hin-
auf zu bringen und mich durch das angebrannte
Fenſtergeſimſe und die verbrannten Gardienen
und obern Vorhaͤnge zu uͤberfuͤhren, das Feuer
ſey nicht erdichtet geweſen ‒ ‒ daß ich immer
mehr ſchluͤßig ward, aus ihrem Hauſe auf alle
Gefahr zu entfliehen: ob ich mich gleich ſtellte,
als wenn ich alles glaubte, was ſie haben
wollten.
Da ich anfing, dachte ich nur ein paar Zeilen
zu ſchreiben. Aber wenn ich an Sie ſchreibe,
kann ich kein Ende finden: es betreffe auch, was
es wolle. So iſt es mir allezeit gegangen: da-
her kommt es nicht beſonders von den hoͤchſtbe-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/186>, abgerufen am 24.11.2024.
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