Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



Jch kann nachher ja noch meinen Entschluß fas-
sen, wie ich will. Jedoch was hat der arme
Hickmann mir zuwider gethan, wodurch er dieß
an mir verschuldet hätte? - - Allein es würde
dadurch nicht nur die Tochter, sondern auch die
Mutter für ihren niederträchtigen Geiz, und für
ihren Ungehorsam gegen den ehrlichen Herrn
Howe, den sie wirklich bis auf den Tod gekrän-
ket hat, auf eine rühmliche Art gestraft werden.
Jch bin fast im Begriffe, Bruder! mich auf die-
sen Anschlag einzulassen - - Jst nicht ein Land
so gut für mich, als das andre, wenn ich etwa
darüber genöthigt werden sollte, eine Wandrung
zu thun?



Aber ich will es nicht wagen. Herr Hick-
mann ist ein guter Mann, wie mir gesagt ist.
Jch bin ein Freund von guten Leuten. Jch
hoffe noch einmal selbst ein guter Mann zu wer-
den. Außerdem habe ich in dieser Woche etwas
von dem ehrlichen Manne gehört, woraus man
sehen kann, daß er eine Seele hat. Jch bin da-
bey auf die Gedanken gekommen, daß, wenn er
eine hat, sie ein wenig sehr tief vergraben lieget:
weswegen sie sich nicht anders, als bey sehr au-
ßerordentlichen Gelegenheiten, zeigen kann, und
alsdenn im Augenblicke wieder in ihr Kämmer-
chen von Fett
zurücke sinket - - Er ist ein
fetter Wanst. Hast du ihn jemals gesehen,
Bruder?

Allein



Jch kann nachher ja noch meinen Entſchluß faſ-
ſen, wie ich will. Jedoch was hat der arme
Hickmann mir zuwider gethan, wodurch er dieß
an mir verſchuldet haͤtte? ‒ ‒ Allein es wuͤrde
dadurch nicht nur die Tochter, ſondern auch die
Mutter fuͤr ihren niedertraͤchtigen Geiz, und fuͤr
ihren Ungehorſam gegen den ehrlichen Herrn
Howe, den ſie wirklich bis auf den Tod gekraͤn-
ket hat, auf eine ruͤhmliche Art geſtraft werden.
Jch bin faſt im Begriffe, Bruder! mich auf die-
ſen Anſchlag einzulaſſen ‒ ‒ Jſt nicht ein Land
ſo gut fuͤr mich, als das andre, wenn ich etwa
daruͤber genoͤthigt werden ſollte, eine Wandrung
zu thun?



Aber ich will es nicht wagen. Herr Hick-
mann iſt ein guter Mann, wie mir geſagt iſt.
Jch bin ein Freund von guten Leuten. Jch
hoffe noch einmal ſelbſt ein guter Mann zu wer-
den. Außerdem habe ich in dieſer Woche etwas
von dem ehrlichen Manne gehoͤrt, woraus man
ſehen kann, daß er eine Seele hat. Jch bin da-
bey auf die Gedanken gekommen, daß, wenn er
eine hat, ſie ein wenig ſehr tief vergraben lieget:
weswegen ſie ſich nicht anders, als bey ſehr au-
ßerordentlichen Gelegenheiten, zeigen kann, und
alsdenn im Augenblicke wieder in ihr Kaͤmmer-
chen von Fett
zuruͤcke ſinket ‒ ‒ Er iſt ein
fetter Wanſt. Haſt du ihn jemals geſehen,
Bruder?

Allein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0172" n="166"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Jch kann nachher ja noch meinen Ent&#x017F;chluß fa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, wie ich will. Jedoch was hat der arme<lb/>
Hickmann mir zuwider gethan, wodurch er dieß<lb/>
an mir ver&#x017F;chuldet ha&#x0364;tte? &#x2012; &#x2012; Allein es wu&#x0364;rde<lb/>
dadurch nicht nur die Tochter, &#x017F;ondern auch die<lb/>
Mutter fu&#x0364;r ihren niedertra&#x0364;chtigen Geiz, und fu&#x0364;r<lb/>
ihren Ungehor&#x017F;am gegen den ehrlichen Herrn<lb/>
Howe, den &#x017F;ie wirklich bis auf den Tod gekra&#x0364;n-<lb/>
ket hat, auf eine ru&#x0364;hmliche Art ge&#x017F;traft werden.<lb/>
Jch bin fa&#x017F;t im Begriffe, Bruder! mich auf die-<lb/>
&#x017F;en An&#x017F;chlag einzula&#x017F;&#x017F;en &#x2012; &#x2012; J&#x017F;t nicht ein Land<lb/>
&#x017F;o gut fu&#x0364;r mich, als das andre, wenn ich etwa<lb/>
daru&#x0364;ber geno&#x0364;thigt werden &#x017F;ollte, eine Wandrung<lb/>
zu thun?</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Aber ich will es nicht wagen. Herr Hick-<lb/>
mann i&#x017F;t ein guter Mann, wie mir ge&#x017F;agt i&#x017F;t.<lb/>
Jch bin ein Freund von guten Leuten. Jch<lb/>
hoffe noch einmal &#x017F;elb&#x017F;t ein guter Mann zu wer-<lb/>
den. Außerdem habe ich in die&#x017F;er Woche etwas<lb/>
von dem ehrlichen Manne geho&#x0364;rt, woraus man<lb/>
&#x017F;ehen kann, daß er eine Seele hat. Jch bin da-<lb/>
bey auf die Gedanken gekommen, daß, wenn er<lb/>
eine hat, &#x017F;ie ein wenig &#x017F;ehr tief vergraben lieget:<lb/>
weswegen &#x017F;ie &#x017F;ich nicht anders, als bey &#x017F;ehr au-<lb/>
ßerordentlichen Gelegenheiten, zeigen kann, und<lb/>
alsdenn im Augenblicke wieder in ihr <hi rendition="#fr">Ka&#x0364;mmer-<lb/>
chen von Fett</hi> zuru&#x0364;cke &#x017F;inket &#x2012; &#x2012; Er i&#x017F;t ein<lb/><hi rendition="#fr">fetter Wan&#x017F;t.</hi> Ha&#x017F;t du ihn jemals ge&#x017F;ehen,<lb/>
Bruder?</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Allein</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0172] Jch kann nachher ja noch meinen Entſchluß faſ- ſen, wie ich will. Jedoch was hat der arme Hickmann mir zuwider gethan, wodurch er dieß an mir verſchuldet haͤtte? ‒ ‒ Allein es wuͤrde dadurch nicht nur die Tochter, ſondern auch die Mutter fuͤr ihren niedertraͤchtigen Geiz, und fuͤr ihren Ungehorſam gegen den ehrlichen Herrn Howe, den ſie wirklich bis auf den Tod gekraͤn- ket hat, auf eine ruͤhmliche Art geſtraft werden. Jch bin faſt im Begriffe, Bruder! mich auf die- ſen Anſchlag einzulaſſen ‒ ‒ Jſt nicht ein Land ſo gut fuͤr mich, als das andre, wenn ich etwa daruͤber genoͤthigt werden ſollte, eine Wandrung zu thun? Aber ich will es nicht wagen. Herr Hick- mann iſt ein guter Mann, wie mir geſagt iſt. Jch bin ein Freund von guten Leuten. Jch hoffe noch einmal ſelbſt ein guter Mann zu wer- den. Außerdem habe ich in dieſer Woche etwas von dem ehrlichen Manne gehoͤrt, woraus man ſehen kann, daß er eine Seele hat. Jch bin da- bey auf die Gedanken gekommen, daß, wenn er eine hat, ſie ein wenig ſehr tief vergraben lieget: weswegen ſie ſich nicht anders, als bey ſehr au- ßerordentlichen Gelegenheiten, zeigen kann, und alsdenn im Augenblicke wieder in ihr Kaͤmmer- chen von Fett zuruͤcke ſinket ‒ ‒ Er iſt ein fetter Wanſt. Haſt du ihn jemals geſehen, Bruder? Allein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/172
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/172>, abgerufen am 17.05.2024.