Aber wenn ich sie jemals wieder in meine Hände bekomme: so soll sie Ränke über Ränke, ja so gar, wo sie es nothwendig macht, und es ist offenbar, daß sonst nichts helfen wird, selbst Zwang von demjenigen zu erfahren haben, des- fen Furcht vor ihr größer als seine Liebe gegen sie gewesen ist, und über dessen Sanstmuth und Nachsehen sie so treulos gesieget hat. Wohl sagt der Poet:
Es ist weit edler Art, so bald die Lust sich regt, Auf seinen Raub beherzt, gleich Löwen, loszu- gehen: Als zahm, und wie ein Hund, der nur zu bet- teln pflegt, Auf einen schnöden Rest aus freyer Gunst zu sehen.
Du weißt, was ich eben den Augenblick ge- lobet habe. Und dennoch, o grausame und eben so undankbare als grausame Seele! dennoch kann ich bisweilen nur mit allzuvielem Grunde der Wahrheit diese Zeilen eines andern Dichters auf mich deuten:
Sie herrschet itzo mehr, als jemals, über mich, Hält meine Brust besetzt und waffnet selbst für sich Mein widerspenstig Herz, mit tausend Lieblich- keiten, Zehn tausend Reizungen und neuen Selten- heiten.
Der
J 3
Aber wenn ich ſie jemals wieder in meine Haͤnde bekomme: ſo ſoll ſie Raͤnke uͤber Raͤnke, ja ſo gar, wo ſie es nothwendig macht, und es iſt offenbar, daß ſonſt nichts helfen wird, ſelbſt Zwang von demjenigen zu erfahren haben, deſ- fen Furcht vor ihr groͤßer als ſeine Liebe gegen ſie geweſen iſt, und uͤber deſſen Sanſtmuth und Nachſehen ſie ſo treulos geſieget hat. Wohl ſagt der Poet:
Es iſt weit edler Art, ſo bald die Luſt ſich regt, Auf ſeinen Raub beherzt, gleich Loͤwen, loszu- gehen: Als zahm, und wie ein Hund, der nur zu bet- teln pflegt, Auf einen ſchnoͤden Reſt aus freyer Gunſt zu ſehen.
Du weißt, was ich eben den Augenblick ge- lobet habe. Und dennoch, o grauſame und eben ſo undankbare als grauſame Seele! dennoch kann ich bisweilen nur mit allzuvielem Grunde der Wahrheit dieſe Zeilen eines andern Dichters auf mich deuten:
Sie herrſchet itzo mehr, als jemals, uͤber mich, Haͤlt meine Bruſt beſetzt und waffnet ſelbſt fuͤr ſich Mein widerſpenſtig Herz, mit tauſend Lieblich- keiten, Zehn tauſend Reizungen und neuen Selten- heiten.
Der
J 3
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Aber wenn ich ſie jemals wieder in meine
Haͤnde bekomme: ſo ſoll ſie Raͤnke uͤber Raͤnke,
ja ſo gar, wo ſie es nothwendig macht, und es iſt
offenbar, daß ſonſt nichts helfen wird, ſelbſt
Zwang von demjenigen zu erfahren haben, deſ-
fen Furcht vor ihr groͤßer als ſeine Liebe gegen
ſie geweſen iſt, und uͤber deſſen Sanſtmuth und
Nachſehen ſie ſo treulos geſieget hat. Wohl
ſagt der Poet:
Es iſt weit edler Art, ſo bald die Luſt ſich regt,
Auf ſeinen Raub beherzt, gleich Loͤwen, loszu-
gehen:
Als zahm, und wie ein Hund, der nur zu bet-
teln pflegt,
Auf einen ſchnoͤden Reſt aus freyer Gunſt zu
ſehen.
Du weißt, was ich eben den Augenblick ge-
lobet habe. Und dennoch, o grauſame und eben
ſo undankbare als grauſame Seele! dennoch
kann ich bisweilen nur mit allzuvielem Grunde
der Wahrheit dieſe Zeilen eines andern Dichters
auf mich deuten:
Sie herrſchet itzo mehr, als jemals, uͤber mich,
Haͤlt meine Bruſt beſetzt und waffnet ſelbſt fuͤr
ſich
Mein widerſpenſtig Herz, mit tauſend Lieblich-
keiten,
Zehn tauſend Reizungen und neuen Selten-
heiten.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/139>, abgerufen am 29.01.2025.
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