Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


An Herrn Lovelace.

"So bald ein Frauenzimmer verheyrathet ist,
"so erfodert diese allerstärckste Verpflichtung un-
"ter Menschen, daß ihr Wille in allen Stücken den
"Willen ihres Gemahls unterworfen seyn muß,
"die nicht ungerecht sind, und die die Ehre ih-
"res Gemahls betreffen können. Allein ehe ich
"mich dieser Verpflichtung unterwerfe, wünsch-
"te ich die allerdeutlichste und bündigste Ver-
"sicherung zu haben, daß Sie alle mögliche
"Mittel anwenden werden einen Rechts-Streit
"mit meinem Vater zu vermeiden. Geduld und
"Zeit werden alles überwinden. Meine Hoff-
"nung einer zeitlichen Glückseeligkeit ist jetzo sehr
"enge eingeschräncket. Die Rechte eines Ge-
"mahls werden immer einerley bleiben. Jch
"wünschte zum wenigsten, daß nichts dergleichen
"bey meinem Lebzeiten geschehe. Jhre Umstän-
"de nöthigen Sie nicht, meinem Vater das mit
"Gewalt abzuzwingen, was er von dem Meini-
"gen in Händen hat: und ich will auf meiner
"Seite alles mögliche anwenden, ich will mich in
"Absicht auf die Kleidung und Vergnügung so
"einschräncken, und mit so vieler Sorgfalt die
"Haushaltung führen (denn ich glaube, daß auch
"das vornehmste Frauenzimmer sich der Haushal-
"tung nicht schämen darf,) daß es nicht nöthig seyn
"möge zu dergleichen Mitteln zu greiffen. Sollte
"es aber die Noth erfordern, so will ich doch hof-
"fen, daß es eine wahre Noth seyn werde, und
"nicht ein bloßer Vorwand, und daß Sie sich nicht

"durch


An Herrn Lovelace.

„So bald ein Frauenzimmer verheyrathet iſt,
„ſo erfodert dieſe allerſtaͤrckſte Verpflichtung un-
„ter Menſchen, daß ihr Wille in allen Stuͤcken den
„Willen ihres Gemahls unterworfen ſeyn muß,
„die nicht ungerecht ſind, und die die Ehre ih-
„res Gemahls betreffen koͤnnen. Allein ehe ich
„mich dieſer Verpflichtung unterwerfe, wuͤnſch-
„te ich die allerdeutlichſte und buͤndigſte Ver-
„ſicherung zu haben, daß Sie alle moͤgliche
„Mittel anwenden werden einen Rechts-Streit
„mit meinem Vater zu vermeiden. Geduld und
„Zeit werden alles uͤberwinden. Meine Hoff-
„nung einer zeitlichen Gluͤckſeeligkeit iſt jetzo ſehr
„enge eingeſchraͤncket. Die Rechte eines Ge-
„mahls werden immer einerley bleiben. Jch
„wuͤnſchte zum wenigſten, daß nichts dergleichen
„bey meinem Lebzeiten geſchehe. Jhre Umſtaͤn-
„de noͤthigen Sie nicht, meinem Vater das mit
„Gewalt abzuzwingen, was er von dem Meini-
„gen in Haͤnden hat: und ich will auf meiner
„Seite alles moͤgliche anwenden, ich will mich in
„Abſicht auf die Kleidung und Vergnuͤgung ſo
„einſchraͤncken, und mit ſo vieler Sorgfalt die
„Haushaltung fuͤhren (denn ich glaube, daß auch
„das vornehmſte Frauenzimmer ſich der Haushal-
„tung nicht ſchaͤmen darf,) daß es nicht noͤthig ſeyn
„moͤge zu dergleichen Mitteln zu greiffen. Sollte
„es aber die Noth erfordern, ſo will ich doch hof-
„fen, daß es eine wahre Noth ſeyn werde, und
„nicht ein bloßer Vorwand, und daß Sie ſich nicht

„durch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0260" n="254"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <floatingText>
            <body>
              <salute> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">An Herrn Lovelace.</hi> </hi> </salute><lb/>
              <p>&#x201E;So bald ein Frauenzimmer verheyrathet i&#x017F;t,<lb/>
&#x201E;&#x017F;o erfodert die&#x017F;e aller&#x017F;ta&#x0364;rck&#x017F;te Verpflichtung un-<lb/>
&#x201E;ter Men&#x017F;chen, daß ihr Wille in allen Stu&#x0364;cken den<lb/>
&#x201E;Willen ihres Gemahls unterworfen &#x017F;eyn muß,<lb/>
&#x201E;die nicht ungerecht &#x017F;ind, und die die Ehre ih-<lb/>
&#x201E;res Gemahls betreffen ko&#x0364;nnen. Allein ehe ich<lb/>
&#x201E;mich die&#x017F;er Verpflichtung unterwerfe, wu&#x0364;n&#x017F;ch-<lb/>
&#x201E;te ich die allerdeutlich&#x017F;te und bu&#x0364;ndig&#x017F;te Ver-<lb/>
&#x201E;&#x017F;icherung zu haben, daß Sie alle mo&#x0364;gliche<lb/>
&#x201E;Mittel anwenden werden einen Rechts-Streit<lb/>
&#x201E;mit meinem Vater zu vermeiden. Geduld und<lb/>
&#x201E;Zeit werden alles u&#x0364;berwinden. Meine Hoff-<lb/>
&#x201E;nung einer zeitlichen Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit i&#x017F;t jetzo &#x017F;ehr<lb/>
&#x201E;enge einge&#x017F;chra&#x0364;ncket. Die Rechte eines Ge-<lb/>
&#x201E;mahls werden immer einerley bleiben. Jch<lb/>
&#x201E;wu&#x0364;n&#x017F;chte zum wenig&#x017F;ten, daß nichts dergleichen<lb/>
&#x201E;bey meinem Lebzeiten ge&#x017F;chehe. Jhre Um&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
&#x201E;de no&#x0364;thigen Sie nicht, meinem Vater das mit<lb/>
&#x201E;Gewalt abzuzwingen, was er von dem Meini-<lb/>
&#x201E;gen in Ha&#x0364;nden hat: und ich will auf meiner<lb/>
&#x201E;Seite alles mo&#x0364;gliche anwenden, ich will mich in<lb/>
&#x201E;Ab&#x017F;icht auf die Kleidung und Vergnu&#x0364;gung &#x017F;o<lb/>
&#x201E;ein&#x017F;chra&#x0364;ncken, und mit &#x017F;o vieler Sorgfalt die<lb/>
&#x201E;Haushaltung fu&#x0364;hren (denn ich glaube, daß auch<lb/>
&#x201E;das vornehm&#x017F;te Frauenzimmer &#x017F;ich der Haushal-<lb/>
&#x201E;tung nicht &#x017F;cha&#x0364;men darf,) daß es nicht no&#x0364;thig &#x017F;eyn<lb/>
&#x201E;mo&#x0364;ge zu dergleichen Mitteln zu greiffen. Sollte<lb/>
&#x201E;es aber die Noth erfordern, &#x017F;o will ich doch hof-<lb/>
&#x201E;fen, daß es eine wahre Noth &#x017F;eyn werde, und<lb/>
&#x201E;nicht ein bloßer Vorwand, und daß Sie &#x017F;ich nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;durch</fw><lb/></p>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0260] An Herrn Lovelace. „So bald ein Frauenzimmer verheyrathet iſt, „ſo erfodert dieſe allerſtaͤrckſte Verpflichtung un- „ter Menſchen, daß ihr Wille in allen Stuͤcken den „Willen ihres Gemahls unterworfen ſeyn muß, „die nicht ungerecht ſind, und die die Ehre ih- „res Gemahls betreffen koͤnnen. Allein ehe ich „mich dieſer Verpflichtung unterwerfe, wuͤnſch- „te ich die allerdeutlichſte und buͤndigſte Ver- „ſicherung zu haben, daß Sie alle moͤgliche „Mittel anwenden werden einen Rechts-Streit „mit meinem Vater zu vermeiden. Geduld und „Zeit werden alles uͤberwinden. Meine Hoff- „nung einer zeitlichen Gluͤckſeeligkeit iſt jetzo ſehr „enge eingeſchraͤncket. Die Rechte eines Ge- „mahls werden immer einerley bleiben. Jch „wuͤnſchte zum wenigſten, daß nichts dergleichen „bey meinem Lebzeiten geſchehe. Jhre Umſtaͤn- „de noͤthigen Sie nicht, meinem Vater das mit „Gewalt abzuzwingen, was er von dem Meini- „gen in Haͤnden hat: und ich will auf meiner „Seite alles moͤgliche anwenden, ich will mich in „Abſicht auf die Kleidung und Vergnuͤgung ſo „einſchraͤncken, und mit ſo vieler Sorgfalt die „Haushaltung fuͤhren (denn ich glaube, daß auch „das vornehmſte Frauenzimmer ſich der Haushal- „tung nicht ſchaͤmen darf,) daß es nicht noͤthig ſeyn „moͤge zu dergleichen Mitteln zu greiffen. Sollte „es aber die Noth erfordern, ſo will ich doch hof- „fen, daß es eine wahre Noth ſeyn werde, und „nicht ein bloßer Vorwand, und daß Sie ſich nicht „durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/260
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/260>, abgerufen am 17.05.2024.