unfreundliche Art zurück, sagte weiter nichts als: seyn sie ruhig: und setzte sich nieder. Eine sanfte Bewegung dessen, was das allerschönste ist, kündigte Eigensinn und Empfindlichkeit an. Jhr weißes Schnupftuch gieng auf und nieder, und eine schöne Fluth brach über ihre allerliebsten Wangen aus.
Um Gottes willen, Fräulein! - - Jch griff zum drittenmahl nach ihrer Hand, die mich immer von sich stieß.
Um Gottes willen, Herr Lovelace, quälen sie mich nicht mehr.
Dorcas ging weg. Jch zog meinen Stuhl näher an ihren, und nahm ihre Hand mit der größesten Ehrfurcht. Jch sagte ihr: ich könnte ohne meine Marter zu vergrößern nicht unterlas- sen, ihr die Furcht zu gestehen, in welche mich ihre fremde Aufführung setzte. Wenn sie gegen eine Person in der Welt kaltsinniger wäre, als gegen die andere (ein härteres Wort mochte ich nicht gern gebrauchen) so fürchtete ich, daß dieses Un- glück den beträfe, der jetzt vor ihr sitze.
Sie sahe mir steif in das Gesichte, ließ mir ihre eine Hand, und zog mit der andern das Schnupftuch aus der Tasche. Sie suchte ein paar Thränen zu verbergen, die schon in den Au- gen stunden, und an ihren glüenden Wangen nie- derlaufen wollten. Sie antwortete mir nur durch einen Seufzer und durch ein abgekehrtes Ge- sichte.
Jch
unfreundliche Art zuruͤck, ſagte weiter nichts als: ſeyn ſie ruhig: und ſetzte ſich nieder. Eine ſanfte Bewegung deſſen, was das allerſchoͤnſte iſt, kuͤndigte Eigenſinn und Empfindlichkeit an. Jhr weißes Schnupftuch gieng auf und nieder, und eine ſchoͤne Fluth brach uͤber ihre allerliebſten Wangen aus.
Um Gottes willen, Fraͤulein! ‒ ‒ Jch griff zum drittenmahl nach ihrer Hand, die mich immer von ſich ſtieß.
Um Gottes willen, Herr Lovelace, quaͤlen ſie mich nicht mehr.
Dorcas ging weg. Jch zog meinen Stuhl naͤher an ihren, und nahm ihre Hand mit der groͤßeſten Ehrfurcht. Jch ſagte ihr: ich koͤnnte ohne meine Marter zu vergroͤßern nicht unterlaſ- ſen, ihr die Furcht zu geſtehen, in welche mich ihre fremde Auffuͤhrung ſetzte. Wenn ſie gegen eine Perſon in der Welt kaltſinniger waͤre, als gegen die andere (ein haͤrteres Wort mochte ich nicht gern gebrauchen) ſo fuͤrchtete ich, daß dieſes Un- gluͤck den betraͤfe, der jetzt vor ihr ſitze.
Sie ſahe mir ſteif in das Geſichte, ließ mir ihre eine Hand, und zog mit der andern das Schnupftuch aus der Taſche. Sie ſuchte ein paar Thraͤnen zu verbergen, die ſchon in den Au- gen ſtunden, und an ihren gluͤenden Wangen nie- derlaufen wollten. Sie antwortete mir nur durch einen Seufzer und durch ein abgekehrtes Ge- ſichte.
Jch
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unfreundliche Art zuruͤck, ſagte weiter nichts als:
ſeyn ſie ruhig: und ſetzte ſich nieder. Eine
ſanfte Bewegung deſſen, was das allerſchoͤnſte iſt,
kuͤndigte Eigenſinn und Empfindlichkeit an. Jhr
weißes Schnupftuch gieng auf und nieder, und eine
ſchoͤne Fluth brach uͤber ihre allerliebſten Wangen
aus.
Um Gottes willen, Fraͤulein! ‒ ‒ Jch griff
zum drittenmahl nach ihrer Hand, die mich immer
von ſich ſtieß.
Um Gottes willen, Herr Lovelace, quaͤlen
ſie mich nicht mehr.
Dorcas ging weg. Jch zog meinen Stuhl
naͤher an ihren, und nahm ihre Hand mit der
groͤßeſten Ehrfurcht. Jch ſagte ihr: ich koͤnnte
ohne meine Marter zu vergroͤßern nicht unterlaſ-
ſen, ihr die Furcht zu geſtehen, in welche mich ihre
fremde Auffuͤhrung ſetzte. Wenn ſie gegen eine
Perſon in der Welt kaltſinniger waͤre, als gegen
die andere (ein haͤrteres Wort mochte ich nicht
gern gebrauchen) ſo fuͤrchtete ich, daß dieſes Un-
gluͤck den betraͤfe, der jetzt vor ihr ſitze.
Sie ſahe mir ſteif in das Geſichte, ließ mir
ihre eine Hand, und zog mit der andern das
Schnupftuch aus der Taſche. Sie ſuchte ein
paar Thraͤnen zu verbergen, die ſchon in den Au-
gen ſtunden, und an ihren gluͤenden Wangen nie-
derlaufen wollten. Sie antwortete mir nur durch
einen Seufzer und durch ein abgekehrtes Ge-
ſichte.
Jch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/245>, abgerufen am 23.07.2024.
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