[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.Schande für mich! Es haben alle die Jhrigen längst erwartet, daß sie sich an sie wenden würde, so bald sie in dem Unglück wäre: allein der Entschluß ist schon zum voraus gefasset, nicht einen Schritt zu ihrem Besten zu thun, wenn man auch ihr Leben dadurch retten könnte. Sie wird beschuldiget, daß sie vorsetzlich davon gegangen ist und aller- hand listige Anstalten zur Flucht gemacht hat. Die Fräulein Howe ist besorget, daß sich mein Hochmuth an der Fräulein Har- lowe rächen werde, nachdem sie bisher so hart gegen mich gewesen ist. Sie hat Recht. Sie kann weiter nichts als Eins wählen, nehmlich die Meinige zu werden. Denn es scheint, daß ihr Vetter Morden auch gegen sie eingenommen ist. Aus Zwang und als einen Nothhelfer soll sie mich nehmen. Also dein Lo- velace soll ein Nothhelfer eines Frauenzimmers werden! ist das möglich zu ertragen? Jch will mir den Brief zu Nutze machen. Jn
Schande fuͤr mich! Es haben alle die Jhrigen laͤngſt erwartet, daß ſie ſich an ſie wenden wuͤrde, ſo bald ſie in dem Ungluͤck waͤre: allein der Entſchluß iſt ſchon zum voraus gefaſſet, nicht einen Schritt zu ihrem Beſten zu thun, wenn man auch ihr Leben dadurch retten koͤnnte. Sie wird beſchuldiget, daß ſie vorſetzlich davon gegangen iſt und aller- hand liſtige Anſtalten zur Flucht gemacht hat. Die Fraͤulein Howe iſt beſorget, daß ſich mein Hochmuth an der Fraͤulein Har- lowe raͤchen werde, nachdem ſie bisher ſo hart gegen mich geweſen iſt. Sie hat Recht. Sie kann weiter nichts als Eins waͤhlen, nehmlich die Meinige zu werden. Denn es ſcheint, daß ihr Vetter Morden auch gegen ſie eingenommen iſt. Aus Zwang und als einen Nothhelfer ſoll ſie mich nehmen. Alſo dein Lo- velace ſoll ein Nothhelfer eines Frauenzimmers werden! iſt das moͤglich zu ertragen? Jch will mir den Brief zu Nutze machen. Jn
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Schande fuͤr mich! Es haben alle die Jhrigen
laͤngſt erwartet, daß ſie ſich an ſie wenden
wuͤrde, ſo bald ſie in dem Ungluͤck waͤre:
allein der Entſchluß iſt ſchon zum voraus
gefaſſet, nicht einen Schritt zu ihrem Beſten
zu thun, wenn man auch ihr Leben dadurch
retten koͤnnte. Sie wird beſchuldiget, daß
ſie vorſetzlich davon gegangen iſt und aller-
hand liſtige Anſtalten zur Flucht gemacht
hat. Die Fraͤulein Howe iſt beſorget, daß
ſich mein Hochmuth an der Fraͤulein Har-
lowe raͤchen werde, nachdem ſie bisher ſo
hart gegen mich geweſen iſt. Sie hat Recht.
Sie kann weiter nichts als Eins waͤhlen,
nehmlich die Meinige zu werden. Denn es
ſcheint, daß ihr Vetter Morden auch gegen ſie
eingenommen iſt. Aus Zwang und als einen
Nothhelfer ſoll ſie mich nehmen. Alſo dein Lo-
velace ſoll ein Nothhelfer eines Frauenzimmers
werden! iſt das moͤglich zu ertragen?
Jch will mir den Brief zu Nutze machen.
Aus dem, was nach dem Briefe der Fraͤulein
Howe zwiſchen den Herrn Harlowe, und Hick-
man (denn ein anderer als Hickman kann es
nicht ſeyn) vorgefallen iſt, muß ich etwas drech-
ſeln: denn die Fraͤulein Howe ſchreibt, ſie wollte
nicht alles offenbaren. Jch muß den Brief ſelbſt
ſehen. Ein bloßer Auszug iſt nicht genug, es
kommt auf jedes Wort an. Dieſer Brief muß
mein Polar-Stern ſeyn.
Jn
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