wie hoch du ihr gantzes Geschlecht fchätzest, daß du mich fragen darsst, ob der Sieg über das unver- gleichlichste Frauenzimmer in der Welt aller meiner Sorgen, Unlust, falschen Schwüre und Betrüge- reyen werth sey? Wem wird ein edel-gesinnetes Frauenzimmer seine Sünde zu vergeben geneigter seyn? dem, der es so heruntersetzt? oder dem, der den Sieg über sie allen Vergnügungen des Lebens vorziehet? Jch erinnere mich eines sehr tugendhaften Frauenzimmers (zum wenigsten nach der eigenen Einbildung) welches einem Manne ewige Feindschaft schwur, der vorgegeben hatte, die Schöne sey zu alt, als daß er Lust hätte, sie in Versuchung zu füh- ren.
Allein noch ein Paar Worte von dem, was du von der Belohnung meiner sauren Mühe schreibest.
Setzt man nicht auf der Fuchs-Jagd Hals und Bein in Gefahr, um ein Wildpret zu fangen, das weder Menschen noch Hunde fressen wollen, wenn es gefangen ist?
Schätzen nicht alle Jäger die Lust der Jagd höher, als das Wildpret das sie fangen?
Sollst du mich denn tadeln, und das gantze schö- ne Geschlecht beschimpfen, weil ich so viel Geduld habe, das alleredelste Spiel zu Ende zu spielen, und weil ich kein blosser Wild-Dieb in der Liebe bin? Denn zum Wild-Diebe, und nicht zu einem der aus edler Lust die Jagd liebet, willst du mich gern machen.
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wie hoch du ihr gantzes Geſchlecht fchaͤtzeſt, daß du mich fragen darſſt, ob der Sieg uͤber das unver- gleichlichſte Frauenzimmer in der Welt aller meiner Sorgen, Unluſt, falſchen Schwuͤre und Betruͤge- reyen werth ſey? Wem wird ein edel-geſinnetes Frauenzimmer ſeine Suͤnde zu vergeben geneigter ſeyn? dem, der es ſo herunterſetzt? oder dem, der den Sieg uͤber ſie allen Vergnuͤgungen des Lebens vorziehet? Jch erinnere mich eines ſehr tugendhaften Frauenzimmers (zum wenigſten nach der eigenen Einbildung) welches einem Manne ewige Feindſchaft ſchwur, der vorgegeben hatte, die Schoͤne ſey zu alt, als daß er Luſt haͤtte, ſie in Verſuchung zu fuͤh- ren.
Allein noch ein Paar Worte von dem, was du von der Belohnung meiner ſauren Muͤhe ſchreibeſt.
Setzt man nicht auf der Fuchs-Jagd Hals und Bein in Gefahr, um ein Wildpret zu fangen, das weder Menſchen noch Hunde freſſen wollen, wenn es gefangen iſt?
Schaͤtzen nicht alle Jaͤger die Luſt der Jagd hoͤher, als das Wildpret das ſie fangen?
Sollſt du mich denn tadeln, und das gantze ſchoͤ- ne Geſchlecht beſchimpfen, weil ich ſo viel Geduld habe, das alleredelſte Spiel zu Ende zu ſpielen, und weil ich kein bloſſer Wild-Dieb in der Liebe bin? Denn zum Wild-Diebe, und nicht zu einem der aus edler Luſt die Jagd liebet, willſt du mich gern machen.
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wie hoch du ihr gantzes Geſchlecht fchaͤtzeſt, daß du
mich fragen darſſt, ob der Sieg uͤber das unver-
gleichlichſte Frauenzimmer in der Welt aller meiner
Sorgen, Unluſt, falſchen Schwuͤre und Betruͤge-
reyen werth ſey? Wem wird ein edel-geſinnetes
Frauenzimmer ſeine Suͤnde zu vergeben geneigter
ſeyn? dem, der es ſo herunterſetzt? oder dem, der
den Sieg uͤber ſie allen Vergnuͤgungen des Lebens
vorziehet? Jch erinnere mich eines ſehr tugendhaften
Frauenzimmers (zum wenigſten nach der eigenen
Einbildung) welches einem Manne ewige Feindſchaft
ſchwur, der vorgegeben hatte, die Schoͤne ſey zu
alt, als daß er Luſt haͤtte, ſie in Verſuchung zu fuͤh-
ren.
Allein noch ein Paar Worte von dem, was du von
der Belohnung meiner ſauren Muͤhe ſchreibeſt.
Setzt man nicht auf der Fuchs-Jagd Hals und
Bein in Gefahr, um ein Wildpret zu fangen, das
weder Menſchen noch Hunde freſſen wollen, wenn
es gefangen iſt?
Schaͤtzen nicht alle Jaͤger die Luſt der Jagd hoͤher,
als das Wildpret das ſie fangen?
Sollſt du mich denn tadeln, und das gantze ſchoͤ-
ne Geſchlecht beſchimpfen, weil ich ſo viel Geduld
habe, das alleredelſte Spiel zu Ende zu ſpielen, und
weil ich kein bloſſer Wild-Dieb in der Liebe bin? Denn
zum Wild-Diebe, und nicht zu einem der aus edler Luſt
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/554>, abgerufen am 22.11.2024.
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