darüber sehr beweget, und fieng an eine bessere Mei- nung von ihr zu fassen. Sie wissen, daß ich ein freyes und offenes Hertz habe, und daß mein Gesicht ordentlich mit diesem Hertzen übereinstimmet: zum wenigsten haben es mir einige Schmeichler sagen wollen: Wenn mir meine Gesellschaft gefällt, so pflege ich sehr bald mein Hertz mit ihr zu vereinigen, und sie eben so frey und offenhertzig gegen mich zu machen, als ich bin: das Mistrauen pflegt sehr bald zu verschwinden. Allein ich weiß nicht, wie es zugehet, daß ich zu den beyden jungen Frauen- zimmern kein Hertz fassen kann.
Die Umstände, und die gantze Unterredung, die bey dem Früh-Stück vorfiel, widerlegen meinen Arg- wohn: sonst sollte ich fast dencken, daß Herr Love- lace nicht erst gestern mit ihnen bekannt geworden wäre. Denn er gab ihnen bisweilen einen verstoh- lenen Blick, den sie verstohlen beantworteten: und als ich meine Augen auf sie hinwarf, so schlugen sie die Augen nieder, als wenn sie sich vor mir fürchteten.
Die Witwe redete mit niemand, als mit mir und Herrn Lovelace: und ich ließ es auch gesche- hen, ob es sich gleich nicht allzuwohl schickte Ein- mahl sagte sie: sie wunderte sich, daß irgend einiges Versprechen oder Absichten, sie möchten so wichtig seyn als sie wollten, ein so allerliebstes Paar von einander trennen könnten. Jch weiß es ihr schlech- ten Danck, daß sie sich so viel um uns bekümmerte. Dieses mahl mußte ich die Augen niederschlagen, ob ich gleich ein gutes Gewissen hatte. Vielleicht thue ich auch ihren Basen Unrecht, wenn ich aus ihren
Augen
daruͤber ſehr beweget, und fieng an eine beſſere Mei- nung von ihr zu faſſen. Sie wiſſen, daß ich ein freyes und offenes Hertz habe, und daß mein Geſicht ordentlich mit dieſem Hertzen uͤbereinſtimmet: zum wenigſten haben es mir einige Schmeichler ſagen wollen: Wenn mir meine Geſellſchaft gefaͤllt, ſo pflege ich ſehr bald mein Hertz mit ihr zu vereinigen, und ſie eben ſo frey und offenhertzig gegen mich zu machen, als ich bin: das Mistrauen pflegt ſehr bald zu verſchwinden. Allein ich weiß nicht, wie es zugehet, daß ich zu den beyden jungen Frauen- zimmern kein Hertz faſſen kann.
Die Umſtaͤnde, und die gantze Unterredung, die bey dem Fruͤh-Stuͤck vorfiel, widerlegen meinen Arg- wohn: ſonſt ſollte ich faſt dencken, daß Herr Love- lace nicht erſt geſtern mit ihnen bekannt geworden waͤre. Denn er gab ihnen bisweilen einen verſtoh- lenen Blick, den ſie verſtohlen beantworteten: und als ich meine Augen auf ſie hinwarf, ſo ſchlugen ſie die Augen nieder, als wenn ſie ſich vor mir fuͤrchteten.
Die Witwe redete mit niemand, als mit mir und Herrn Lovelace: und ich ließ es auch geſche- hen, ob es ſich gleich nicht allzuwohl ſchickte Ein- mahl ſagte ſie: ſie wunderte ſich, daß irgend einiges Verſprechen oder Abſichten, ſie moͤchten ſo wichtig ſeyn als ſie wollten, ein ſo allerliebſtes Paar von einander trennen koͤnnten. Jch weiß es ihr ſchlech- ten Danck, daß ſie ſich ſo viel um uns bekuͤmmerte. Dieſes mahl mußte ich die Augen niederſchlagen, ob ich gleich ein gutes Gewiſſen hatte. Vielleicht thue ich auch ihren Baſen Unrecht, wenn ich aus ihren
Augen
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daruͤber ſehr beweget, und fieng an eine beſſere Mei-
nung von ihr zu faſſen. Sie wiſſen, daß ich ein
freyes und offenes Hertz habe, und daß mein Geſicht
ordentlich mit dieſem Hertzen uͤbereinſtimmet: zum
wenigſten haben es mir einige Schmeichler ſagen
wollen: Wenn mir meine Geſellſchaft gefaͤllt, ſo
pflege ich ſehr bald mein Hertz mit ihr zu vereinigen,
und ſie eben ſo frey und offenhertzig gegen mich zu
machen, als ich bin: das Mistrauen pflegt ſehr
bald zu verſchwinden. Allein ich weiß nicht, wie
es zugehet, daß ich zu den beyden jungen Frauen-
zimmern kein Hertz faſſen kann.
Die Umſtaͤnde, und die gantze Unterredung, die
bey dem Fruͤh-Stuͤck vorfiel, widerlegen meinen Arg-
wohn: ſonſt ſollte ich faſt dencken, daß Herr Love-
lace nicht erſt geſtern mit ihnen bekannt geworden
waͤre. Denn er gab ihnen bisweilen einen verſtoh-
lenen Blick, den ſie verſtohlen beantworteten: und
als ich meine Augen auf ſie hinwarf, ſo ſchlugen ſie
die Augen nieder, als wenn ſie ſich vor mir fuͤrchteten.
Die Witwe redete mit niemand, als mit mir
und Herrn Lovelace: und ich ließ es auch geſche-
hen, ob es ſich gleich nicht allzuwohl ſchickte Ein-
mahl ſagte ſie: ſie wunderte ſich, daß irgend einiges
Verſprechen oder Abſichten, ſie moͤchten ſo wichtig
ſeyn als ſie wollten, ein ſo allerliebſtes Paar von
einander trennen koͤnnten. Jch weiß es ihr ſchlech-
ten Danck, daß ſie ſich ſo viel um uns bekuͤmmerte.
Dieſes mahl mußte ich die Augen niederſchlagen, ob
ich gleich ein gutes Gewiſſen hatte. Vielleicht thue
ich auch ihren Baſen Unrecht, wenn ich aus ihren
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/477>, abgerufen am 24.11.2024.
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