schwartzen und weissen Engel im Wercke zu seyn scheinet. Denn in eben der Stunde bewog ihr weisser Engel meine Schöne das zu gestehen, was sie noch niemahls hat gestehen wollen, nemlich: daß sie eine vorzügliche Neigung zu mir habe. Sie be- kennet, daß sie den Endzweck hat die Meinige zu werden: die Meinige, ehe ich noch aufgehöret habe der alte Lovelace zu seyn. Sie erlaubt mir von Liebe, von Trauung, von Ehe zu reden: allein (ein neues Wunder!) sie will die Trauung aufge- schoben wissen, sie will durchaus nach London reisen, und in das Haus der Witwe ziehen.
Du fragst: wie geht das Ding zu? Es scheint, daß dir Wunder begegnen, ob du gleich nicht wün- schest, die Wunder einer Romaine zu erfahren. Wie ist alles das möglich geworden?
Jch will es dir sagen. Jch war in Gefahr mei- nen Engel auf ewig zu verliehren. Mein Engels- Kind bekam das Heim-Weh nach seinem erhabenen Vaterlande: es war schon über die Erde hinweg, und die Söhne der Erde halfen dazu, es nach dem Himmel zu befördern. Es mußten ausserordentli- che Mittel angewandt werden, wenn ich es diesseits des Mondes behalten wollte. Was konnte von grösserer Wirckung seyn, als die Stimme der Liebe? Was kann eines Mädchens Hertz, das noch von Zweifeln schläget, und mit Ungeduld auf die noch un- gewisse Frage gewartet hat, stärcker binden, als wenn eine nicht verhaßte Manns-Person das liebe Kind um ewige Liebe anspricht?
Die
ſchwartzen und weiſſen Engel im Wercke zu ſeyn ſcheinet. Denn in eben der Stunde bewog ihr weiſſer Engel meine Schoͤne das zu geſtehen, was ſie noch niemahls hat geſtehen wollen, nemlich: daß ſie eine vorzuͤgliche Neigung zu mir habe. Sie be- kennet, daß ſie den Endzweck hat die Meinige zu werden: die Meinige, ehe ich noch aufgehoͤret habe der alte Lovelace zu ſeyn. Sie erlaubt mir von Liebe, von Trauung, von Ehe zu reden: allein (ein neues Wunder!) ſie will die Trauung aufge- ſchoben wiſſen, ſie will durchaus nach London reiſen, und in das Haus der Witwe ziehen.
Du fragſt: wie geht das Ding zu? Es ſcheint, daß dir Wunder begegnen, ob du gleich nicht wuͤn- ſcheſt, die Wunder einer Romaine zu erfahren. Wie iſt alles das moͤglich geworden?
Jch will es dir ſagen. Jch war in Gefahr mei- nen Engel auf ewig zu verliehren. Mein Engels- Kind bekam das Heim-Weh nach ſeinem erhabenen Vaterlande: es war ſchon uͤber die Erde hinweg, und die Soͤhne der Erde halfen dazu, es nach dem Himmel zu befoͤrdern. Es mußten auſſerordentli- che Mittel angewandt werden, wenn ich es dieſſeits des Mondes behalten wollte. Was konnte von groͤſſerer Wirckung ſeyn, als die Stimme der Liebe? Was kann eines Maͤdchens Hertz, das noch von Zweifeln ſchlaͤget, und mit Ungeduld auf die noch un- gewiſſe Frage gewartet hat, ſtaͤrcker binden, als wenn eine nicht verhaßte Manns-Perſon das liebe Kind um ewige Liebe anſpricht?
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ſchwartzen und weiſſen Engel im Wercke zu ſeyn
ſcheinet. Denn in eben der Stunde bewog ihr
weiſſer Engel meine Schoͤne das zu geſtehen, was
ſie noch niemahls hat geſtehen wollen, nemlich: daß
ſie eine vorzuͤgliche Neigung zu mir habe. Sie be-
kennet, daß ſie den Endzweck hat die Meinige zu
werden: die Meinige, ehe ich noch aufgehoͤret habe
der alte Lovelace zu ſeyn. Sie erlaubt mir von
Liebe, von Trauung, von Ehe zu reden: allein
(ein neues Wunder!) ſie will die Trauung aufge-
ſchoben wiſſen, ſie will durchaus nach London
reiſen, und in das Haus der Witwe ziehen.
Du fragſt: wie geht das Ding zu? Es ſcheint,
daß dir Wunder begegnen, ob du gleich nicht wuͤn-
ſcheſt, die Wunder einer Romaine zu erfahren. Wie
iſt alles das moͤglich geworden?
Jch will es dir ſagen. Jch war in Gefahr mei-
nen Engel auf ewig zu verliehren. Mein Engels-
Kind bekam das Heim-Weh nach ſeinem erhabenen
Vaterlande: es war ſchon uͤber die Erde hinweg,
und die Soͤhne der Erde halfen dazu, es nach dem
Himmel zu befoͤrdern. Es mußten auſſerordentli-
che Mittel angewandt werden, wenn ich es dieſſeits
des Mondes behalten wollte. Was konnte von
groͤſſerer Wirckung ſeyn, als die Stimme der Liebe?
Was kann eines Maͤdchens Hertz, das noch von
Zweifeln ſchlaͤget, und mit Ungeduld auf die noch un-
gewiſſe Frage gewartet hat, ſtaͤrcker binden, als
wenn eine nicht verhaßte Manns-Perſon das liebe
Kind um ewige Liebe anſpricht?
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/440>, abgerufen am 24.11.2024.
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