Wort als einen Eyd, und weiß nichts von List oder Vorstellung: es hat deswegen auch von andern eine gute Meinung. Es würde ein Wunder seyn, wenn die Fräulein gegen einen solchen Versucher, gegen solche Versuchungen und Schlingen bestehen könn- te. Endlich da wir Manns-Personen so schwach sind, wenn uns niemand mit Gewalt versuchet, so weiß ich nicht warum wir von dem Frauenzimmer fo- dern dürfen, die doch von eben solchen Eltern als wir gezeuget sind und von gleichem Stoff mit uns sind, nur daß die Erziehung einigen Unterschied macht. Jch kann auch nicht sehen, was es vor eine grosse Ehre sey, wenn man sie verführen kann.
Allein du fragest: ob nicht noch andere Lovela- cen seyn können, die sich durch ihre Schönheit rei- tzen lassen sich auch an sie zu wagen?
Nein! ein solcher Kerl wie du, ist nicht mehr in der Welt, wenn ich Gestalt, Verstand, Glücks- Güter und deine Arglistigkeit zusammen nehme. Wenn du glaubtest, daß noch ein solcher Mensch seyn könne, so würdest du vor Hochmuth dir selbst feind werden.
Allein ich komme auf deine Haupt-Leidenschaft, auf die Rachgier: denn du bist nicht so verliebt als rachgierig, wie ich dir oft gesagt habe, ob du gleich darüber böse geworden bist. Wie können Leute von unsrer Art wahrhaftig lieben?
Was für ein schlechter Vorwand zur Rachgier sind alle die Schwürigkeiten, die es dir gekostet hat sie in deine Gewalt zu bekommen, wenn ich auch zugebe, daß sie Gefahr gelaufen hätte Solmesens Frau zu werden.
Jhr
Wort als einen Eyd, und weiß nichts von Liſt oder Vorſtellung: es hat deswegen auch von andern eine gute Meinung. Es wuͤrde ein Wunder ſeyn, wenn die Fraͤulein gegen einen ſolchen Verſucher, gegen ſolche Verſuchungen und Schlingen beſtehen koͤnn- te. Endlich da wir Manns-Perſonen ſo ſchwach ſind, wenn uns niemand mit Gewalt verſuchet, ſo weiß ich nicht warum wir von dem Frauenzimmer fo- dern duͤrfen, die doch von eben ſolchen Eltern als wir gezeuget ſind und von gleichem Stoff mit uns ſind, nur daß die Erziehung einigen Unterſchied macht. Jch kann auch nicht ſehen, was es vor eine groſſe Ehre ſey, wenn man ſie verfuͤhren kann.
Allein du frageſt: ob nicht noch andere Lovela- cen ſeyn koͤnnen, die ſich durch ihre Schoͤnheit rei- tzen laſſen ſich auch an ſie zu wagen?
Nein! ein ſolcher Kerl wie du, iſt nicht mehr in der Welt, wenn ich Geſtalt, Verſtand, Gluͤcks- Guͤter und deine Argliſtigkeit zuſammen nehme. Wenn du glaubteſt, daß noch ein ſolcher Menſch ſeyn koͤnne, ſo wuͤrdeſt du vor Hochmuth dir ſelbſt feind werden.
Allein ich komme auf deine Haupt-Leidenſchaft, auf die Rachgier: denn du biſt nicht ſo verliebt als rachgierig, wie ich dir oft geſagt habe, ob du gleich daruͤber boͤſe geworden biſt. Wie koͤnnen Leute von unſrer Art wahrhaftig lieben?
Was fuͤr ein ſchlechter Vorwand zur Rachgier ſind alle die Schwuͤrigkeiten, die es dir gekoſtet hat ſie in deine Gewalt zu bekommen, wenn ich auch zugebe, daß ſie Gefahr gelaufen haͤtte Solmeſens Frau zu werden.
Jhr
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Wort als einen Eyd, und weiß nichts von Liſt oder
Vorſtellung: es hat deswegen auch von andern eine
gute Meinung. Es wuͤrde ein Wunder ſeyn, wenn
die Fraͤulein gegen einen ſolchen Verſucher, gegen
ſolche Verſuchungen und Schlingen beſtehen koͤnn-
te. Endlich da wir Manns-Perſonen ſo ſchwach ſind,
wenn uns niemand mit Gewalt verſuchet, ſo weiß
ich nicht warum wir von dem Frauenzimmer fo-
dern duͤrfen, die doch von eben ſolchen Eltern als
wir gezeuget ſind und von gleichem Stoff mit uns
ſind, nur daß die Erziehung einigen Unterſchied
macht. Jch kann auch nicht ſehen, was es vor eine
groſſe Ehre ſey, wenn man ſie verfuͤhren kann.
Allein du frageſt: ob nicht noch andere Lovela-
cen ſeyn koͤnnen, die ſich durch ihre Schoͤnheit rei-
tzen laſſen ſich auch an ſie zu wagen?
Nein! ein ſolcher Kerl wie du, iſt nicht mehr in
der Welt, wenn ich Geſtalt, Verſtand, Gluͤcks-
Guͤter und deine Argliſtigkeit zuſammen nehme.
Wenn du glaubteſt, daß noch ein ſolcher Menſch
ſeyn koͤnne, ſo wuͤrdeſt du vor Hochmuth dir ſelbſt
feind werden.
Allein ich komme auf deine Haupt-Leidenſchaft,
auf die Rachgier: denn du biſt nicht ſo verliebt als
rachgierig, wie ich dir oft geſagt habe, ob du gleich
daruͤber boͤſe geworden biſt. Wie koͤnnen Leute von
unſrer Art wahrhaftig lieben?
Was fuͤr ein ſchlechter Vorwand zur Rachgier
ſind alle die Schwuͤrigkeiten, die es dir gekoſtet hat
ſie in deine Gewalt zu bekommen, wenn ich auch
zugebe, daß ſie Gefahr gelaufen haͤtte Solmeſens
Frau zu werden.
Jhr
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/392>, abgerufen am 18.05.2024.
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