Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



mürrisch zu seyn, und sich ihren Befehlen wider-
setzen?

Jch weiß, mein Schatz, es sollte dieses ein lusti-
ger Ausdruck seyn, dadurch unser Umgang und
Brief-Wechsel gemeiniglich gewürtzt und schmack-
haft gemacht zu werden pfleget. Allein diese Sache
ist zu ernsthaft.

Erlauben Sie mir, zu meiner verdrießlichen
Straf-Predigt noch hinzuzusetzen, daß mir Jhre
Erzählungen gar nicht gefallen, wenn Sie darauf
kommen, wie Jhre Eltern bisweilen (bisweilen,
sage ich, ob es gleich zu oft mag geschehen seyn,)
mit einander gestanden haben.

Niemand hat weniger Recht, als Sie, Jhrer
Mutter das zu verdencken, was an ihrer Auffüh-
rung gegen den seel. Herrn Howe zu tadeln gewe-
sen seyn möchte: von dessen Andencken ich nur die-
ses sagen will, daß es von Jhnen nie ohne Ehr-
furcht für ihn darf erneuert werden. Allein prüfen
Sie sich wohl, ob das Misvergnügen gegen Jhre
Mutter nicht vieles dazu beytrug, daß bey Schrei-
bung Jhres letzten Briefes Jhr Hertz so viel Ehr-
furcht gegen Jhren seel. Vater fühlete?

Niemand ist vollkommen: vielleicht ist es auch
an Jhrer Mutter nicht zu loben, daß sie sich man-
ches unangenehmen noch nach seinem Tode erinnert.
Sie sollten doch billig nicht vergessen, wer die Ge-
legenheit zu dieser Erinnerung gab. Sie können
und dürfen sich nicht zur Richterin aufwerfen, um
auszumachen, was zwischen Jhren beyden Eltern

ehe-



muͤrriſch zu ſeyn, und ſich ihren Befehlen wider-
ſetzen?

Jch weiß, mein Schatz, es ſollte dieſes ein luſti-
ger Ausdruck ſeyn, dadurch unſer Umgang und
Brief-Wechſel gemeiniglich gewuͤrtzt und ſchmack-
haft gemacht zu werden pfleget. Allein dieſe Sache
iſt zu ernſthaft.

Erlauben Sie mir, zu meiner verdrießlichen
Straf-Predigt noch hinzuzuſetzen, daß mir Jhre
Erzaͤhlungen gar nicht gefallen, wenn Sie darauf
kommen, wie Jhre Eltern bisweilen (bisweilen,
ſage ich, ob es gleich zu oft mag geſchehen ſeyn,)
mit einander geſtanden haben.

Niemand hat weniger Recht, als Sie, Jhrer
Mutter das zu verdencken, was an ihrer Auffuͤh-
rung gegen den ſeel. Herrn Howe zu tadeln gewe-
ſen ſeyn moͤchte: von deſſen Andencken ich nur die-
ſes ſagen will, daß es von Jhnen nie ohne Ehr-
furcht fuͤr ihn darf erneuert werden. Allein pruͤfen
Sie ſich wohl, ob das Misvergnuͤgen gegen Jhre
Mutter nicht vieles dazu beytrug, daß bey Schrei-
bung Jhres letzten Briefes Jhr Hertz ſo viel Ehr-
furcht gegen Jhren ſeel. Vater fuͤhlete?

Niemand iſt vollkommen: vielleicht iſt es auch
an Jhrer Mutter nicht zu loben, daß ſie ſich man-
ches unangenehmen noch nach ſeinem Tode erinnert.
Sie ſollten doch billig nicht vergeſſen, wer die Ge-
legenheit zu dieſer Erinnerung gab. Sie koͤnnen
und duͤrfen ſich nicht zur Richterin aufwerfen, um
auszumachen, was zwiſchen Jhren beyden Eltern

ehe-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0334" n="320"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#fr">mu&#x0364;rri&#x017F;ch zu &#x017F;eyn,</hi> und &#x017F;ich ihren Befehlen wider-<lb/>
&#x017F;etzen?</p><lb/>
          <p>Jch weiß, mein Schatz, es &#x017F;ollte die&#x017F;es ein lu&#x017F;ti-<lb/>
ger Ausdruck &#x017F;eyn, dadurch un&#x017F;er Umgang und<lb/>
Brief-Wech&#x017F;el gemeiniglich gewu&#x0364;rtzt und &#x017F;chmack-<lb/>
haft gemacht zu werden pfleget. Allein die&#x017F;e Sache<lb/>
i&#x017F;t zu ern&#x017F;thaft.</p><lb/>
          <p>Erlauben Sie mir, zu meiner verdrießlichen<lb/>
Straf-Predigt noch hinzuzu&#x017F;etzen, daß mir Jhre<lb/>
Erza&#x0364;hlungen gar nicht gefallen, wenn Sie darauf<lb/>
kommen, wie Jhre Eltern <hi rendition="#fr">bisweilen (bisweilen,</hi><lb/>
&#x017F;age ich, ob es gleich zu oft mag ge&#x017F;chehen &#x017F;eyn,)<lb/>
mit einander ge&#x017F;tanden haben.</p><lb/>
          <p>Niemand hat weniger Recht, als Sie, Jhrer<lb/>
Mutter das zu verdencken, was an ihrer Auffu&#x0364;h-<lb/>
rung gegen den &#x017F;eel. Herrn <hi rendition="#fr">Howe</hi> zu tadeln gewe-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;eyn mo&#x0364;chte: von de&#x017F;&#x017F;en Andencken ich nur die-<lb/>
&#x017F;es &#x017F;agen will, daß es von Jhnen nie ohne Ehr-<lb/>
furcht fu&#x0364;r ihn darf erneuert werden. Allein pru&#x0364;fen<lb/>
Sie &#x017F;ich wohl, ob das Misvergnu&#x0364;gen gegen Jhre<lb/>
Mutter nicht vieles dazu beytrug, daß bey Schrei-<lb/>
bung Jhres letzten Briefes Jhr Hertz &#x017F;o viel Ehr-<lb/>
furcht gegen Jhren &#x017F;eel. Vater fu&#x0364;hlete?</p><lb/>
          <p>Niemand i&#x017F;t vollkommen: vielleicht i&#x017F;t es auch<lb/>
an Jhrer Mutter nicht zu loben, daß &#x017F;ie &#x017F;ich man-<lb/>
ches unangenehmen noch nach &#x017F;einem Tode erinnert.<lb/>
Sie &#x017F;ollten doch billig nicht verge&#x017F;&#x017F;en, wer die Ge-<lb/>
legenheit zu die&#x017F;er Erinnerung gab. Sie ko&#x0364;nnen<lb/>
und du&#x0364;rfen &#x017F;ich nicht zur Richterin aufwerfen, um<lb/>
auszumachen, was zwi&#x017F;chen Jhren beyden Eltern<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ehe-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0334] muͤrriſch zu ſeyn, und ſich ihren Befehlen wider- ſetzen? Jch weiß, mein Schatz, es ſollte dieſes ein luſti- ger Ausdruck ſeyn, dadurch unſer Umgang und Brief-Wechſel gemeiniglich gewuͤrtzt und ſchmack- haft gemacht zu werden pfleget. Allein dieſe Sache iſt zu ernſthaft. Erlauben Sie mir, zu meiner verdrießlichen Straf-Predigt noch hinzuzuſetzen, daß mir Jhre Erzaͤhlungen gar nicht gefallen, wenn Sie darauf kommen, wie Jhre Eltern bisweilen (bisweilen, ſage ich, ob es gleich zu oft mag geſchehen ſeyn,) mit einander geſtanden haben. Niemand hat weniger Recht, als Sie, Jhrer Mutter das zu verdencken, was an ihrer Auffuͤh- rung gegen den ſeel. Herrn Howe zu tadeln gewe- ſen ſeyn moͤchte: von deſſen Andencken ich nur die- ſes ſagen will, daß es von Jhnen nie ohne Ehr- furcht fuͤr ihn darf erneuert werden. Allein pruͤfen Sie ſich wohl, ob das Misvergnuͤgen gegen Jhre Mutter nicht vieles dazu beytrug, daß bey Schrei- bung Jhres letzten Briefes Jhr Hertz ſo viel Ehr- furcht gegen Jhren ſeel. Vater fuͤhlete? Niemand iſt vollkommen: vielleicht iſt es auch an Jhrer Mutter nicht zu loben, daß ſie ſich man- ches unangenehmen noch nach ſeinem Tode erinnert. Sie ſollten doch billig nicht vergeſſen, wer die Ge- legenheit zu dieſer Erinnerung gab. Sie koͤnnen und duͤrfen ſich nicht zur Richterin aufwerfen, um auszumachen, was zwiſchen Jhren beyden Eltern ehe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/334
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/334>, abgerufen am 21.11.2024.