grössesten Schelms, der in der Welt seyn könnte, und der sich über Herrn Hickmann nicht wenig aufgehalten hätte: aus meinem Brief-Wechsel könnten also Folgen entstehen, die weder Sie noch ich vorher sehen könnten.
Sie sehen, daß ich um Herr Hickmanns wil- len mehr eingeschränckt werde. Jch hätte nichts dawider meiner Mutter alle unsere Briefe zu zei- gen: wenn ich nicht zum voraus wüßte, daß wir bey- derseits uns alsdenn nicht unterstehen dürften, so frey von dem Hertzen wegzuschreiben. Sie ist über dieses Jhren Widersachern so sehr zugethan, daß ich nichts als Folgerungen, weit geholte Schlüsse, Cantzelmäßige Auslegungen und Anmerckungen würde anhören, und mich darüber zancken müssen.
Es sollte mir endlich sehr leid thun, wenn ich ihr erzählen müßte, wie sehr Herr Lovelace ein Frau- enzimmer überlistiget hat, das so viele Vorzüge vor ihm besitzet.
Jch kenne Jhr edles und grosmüthiges Hertz, welches zur Eigen-Liebe allzu erhaben ist: es ahndet mir schon was Sie schreiben wollen. Allein ich bitte Sie, rathen Sie mir nicht an, meinen Brief- Wechsel mit Jhnen aufzugeben.
So bald unser Streit geendiget war, bot mir Herr Hickmann von neuen seine Dienste an, und aus meinem letzten Briefe werden Sie ersehen ha- ben, daß ich sie angenommen habe. So viel Ehrer- bietung er gegen meine Mutter hat, so glaubt er den- noch, daß sie zu hart gegen uns beyde sey. Er bil- ligte nicht allein mit einer Mine, die mir ein wenig
zu
groͤſſeſten Schelms, der in der Welt ſeyn koͤnnte, und der ſich uͤber Herrn Hickmann nicht wenig aufgehalten haͤtte: aus meinem Brief-Wechſel koͤnnten alſo Folgen entſtehen, die weder Sie noch ich vorher ſehen koͤnnten.
Sie ſehen, daß ich um Herr Hickmanns wil- len mehr eingeſchraͤnckt werde. Jch haͤtte nichts dawider meiner Mutter alle unſere Briefe zu zei- gen: wenn ich nicht zum voraus wuͤßte, daß wir bey- derſeits uns alsdenn nicht unterſtehen duͤrften, ſo frey von dem Hertzen wegzuſchreiben. Sie iſt uͤber dieſes Jhren Widerſachern ſo ſehr zugethan, daß ich nichts als Folgerungen, weit geholte Schluͤſſe, Cantzelmaͤßige Auslegungen und Anmerckungen wuͤrde anhoͤren, und mich daruͤber zancken muͤſſen.
Es ſollte mir endlich ſehr leid thun, wenn ich ihr erzaͤhlen muͤßte, wie ſehr Herr Lovelace ein Frau- enzimmer uͤberliſtiget hat, das ſo viele Vorzuͤge vor ihm beſitzet.
Jch kenne Jhr edles und grosmuͤthiges Hertz, welches zur Eigen-Liebe allzu erhaben iſt: es ahndet mir ſchon was Sie ſchreiben wollen. Allein ich bitte Sie, rathen Sie mir nicht an, meinen Brief- Wechſel mit Jhnen aufzugeben.
So bald unſer Streit geendiget war, bot mir Herr Hickmann von neuen ſeine Dienſte an, und aus meinem letzten Briefe werden Sie erſehen ha- ben, daß ich ſie angenommen habe. So viel Ehrer- bietung er gegen meine Mutter hat, ſo glaubt er den- noch, daß ſie zu hart gegen uns beyde ſey. Er bil- ligte nicht allein mit einer Mine, die mir ein wenig
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groͤſſeſten Schelms, der in der Welt ſeyn koͤnnte,
und der ſich uͤber Herrn Hickmann nicht wenig
aufgehalten haͤtte: aus meinem Brief-Wechſel
koͤnnten alſo Folgen entſtehen, die weder Sie noch
ich vorher ſehen koͤnnten.
Sie ſehen, daß ich um Herr Hickmanns wil-
len mehr eingeſchraͤnckt werde. Jch haͤtte nichts
dawider meiner Mutter alle unſere Briefe zu zei-
gen: wenn ich nicht zum voraus wuͤßte, daß wir bey-
derſeits uns alsdenn nicht unterſtehen duͤrften, ſo
frey von dem Hertzen wegzuſchreiben. Sie iſt uͤber
dieſes Jhren Widerſachern ſo ſehr zugethan, daß
ich nichts als Folgerungen, weit geholte Schluͤſſe,
Cantzelmaͤßige Auslegungen und Anmerckungen
wuͤrde anhoͤren, und mich daruͤber zancken muͤſſen.
Es ſollte mir endlich ſehr leid thun, wenn ich ihr
erzaͤhlen muͤßte, wie ſehr Herr Lovelace ein Frau-
enzimmer uͤberliſtiget hat, das ſo viele Vorzuͤge vor
ihm beſitzet.
Jch kenne Jhr edles und grosmuͤthiges Hertz,
welches zur Eigen-Liebe allzu erhaben iſt: es ahndet
mir ſchon was Sie ſchreiben wollen. Allein ich
bitte Sie, rathen Sie mir nicht an, meinen Brief-
Wechſel mit Jhnen aufzugeben.
So bald unſer Streit geendiget war, bot mir
Herr Hickmann von neuen ſeine Dienſte an, und
aus meinem letzten Briefe werden Sie erſehen ha-
ben, daß ich ſie angenommen habe. So viel Ehrer-
bietung er gegen meine Mutter hat, ſo glaubt er den-
noch, daß ſie zu hart gegen uns beyde ſey. Er bil-
ligte nicht allein mit einer Mine, die mir ein wenig
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/326>, abgerufen am 25.11.2024.
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