Jch will jetzt an meine Mutter nicht gebencken, weil sie meine Mutter ist. Allein wie viel Vorzüge vor anderen Frauenzimmer bildet sich die Lady Hart- ley ein, weil sie sich auf Geschäfte verstehet, die das Frauenzimmer gar nicht angehen! Auf solche Ge- schäfte, sage ich, die einem Frauenzimmer nie Ehre bringen können! denn ob es gleich keine Schande ist, wenn wir etwas davon verstehen, so ist es doch keine Ehre für uns, wenn wir uns darein mengen.
Mich dünckt überhaupt, daß ein allzu männli- ches Frauenzimmer ein Widerspruch ist, der wenig Liebe verdienet. Wäre ich eine Manns-Person, so wollte ich mir lieber eine einfältige Taube aus- suchen, die zu Neste gehet und brütet, als eine allzu geschäftige Frau (vielleicht gebe ich mir selbst den Korb) die meinen Bedienten stets alle Hände voll zu thun gäbe, und mit dem Besen in der Hand mir selbst bey nahe zu drohen schie- ne, daß sie mich als einen unnöthigen Hausrath aus dem Hause kehren wolle.
Wenn die Frau im Hause die Eigenschaften an sich hätte, die ich an einem gewissen unvergleichlichen Frauenzimmer so sehr bewundern muß; wenn sie sich ihre Gräntzen zu setzen weiß, und bey Nadel, Feder, Rechnungen und Haushaltungs-Sachen bleibt; wenn sie sich ein Vergnügen daraus macht, zu sehen, wie die Armen von dem Ueberfluß gesät- tiget werden, der sonst umkommen würde; wenn sie sich mit allen nützlichen Sorgen der Haushaltung zu thun macht: so würde sie Liebe und Ehrerbietung verdienen, sie würde das vornehmste Trieb-Rad der
Familie
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Jch will jetzt an meine Mutter nicht gebencken, weil ſie meine Mutter iſt. Allein wie viel Vorzuͤge vor anderen Frauenzimmer bildet ſich die Lady Hart- ley ein, weil ſie ſich auf Geſchaͤfte verſtehet, die das Frauenzimmer gar nicht angehen! Auf ſolche Ge- ſchaͤfte, ſage ich, die einem Frauenzimmer nie Ehre bringen koͤnnen! denn ob es gleich keine Schande iſt, wenn wir etwas davon verſtehen, ſo iſt es doch keine Ehre fuͤr uns, wenn wir uns darein mengen.
Mich duͤnckt uͤberhaupt, daß ein allzu maͤnnli- ches Frauenzimmer ein Widerſpruch iſt, der wenig Liebe verdienet. Waͤre ich eine Manns-Perſon, ſo wollte ich mir lieber eine einfaͤltige Taube aus- ſuchen, die zu Neſte gehet und bruͤtet, als eine allzu geſchaͤftige Frau (vielleicht gebe ich mir ſelbſt den Korb) die meinen Bedienten ſtets alle Haͤnde voll zu thun gaͤbe, und mit dem Beſen in der Hand mir ſelbſt bey nahe zu drohen ſchie- ne, daß ſie mich als einen unnoͤthigen Hausrath aus dem Hauſe kehren wolle.
Wenn die Frau im Hauſe die Eigenſchaften an ſich haͤtte, die ich an einem gewiſſen unvergleichlichen Frauenzimmer ſo ſehr bewundern muß; wenn ſie ſich ihre Graͤntzen zu ſetzen weiß, und bey Nadel, Feder, Rechnungen und Haushaltungs-Sachen bleibt; wenn ſie ſich ein Vergnuͤgen daraus macht, zu ſehen, wie die Armen von dem Ueberfluß geſaͤt- tiget werden, der ſonſt umkommen wuͤrde; wenn ſie ſich mit allen nuͤtzlichen Sorgen der Haushaltung zu thun macht: ſo wuͤrde ſie Liebe und Ehrerbietung verdienen, ſie wuͤrde das vornehmſte Trieb-Rad der
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Jch will jetzt an meine Mutter nicht gebencken,
weil ſie meine Mutter iſt. Allein wie viel Vorzuͤge
vor anderen Frauenzimmer bildet ſich die Lady Hart-
ley ein, weil ſie ſich auf Geſchaͤfte verſtehet, die das
Frauenzimmer gar nicht angehen! Auf ſolche Ge-
ſchaͤfte, ſage ich, die einem Frauenzimmer nie Ehre
bringen koͤnnen! denn ob es gleich keine Schande
iſt, wenn wir etwas davon verſtehen, ſo iſt es doch
keine Ehre fuͤr uns, wenn wir uns darein mengen.
Mich duͤnckt uͤberhaupt, daß ein allzu maͤnnli-
ches Frauenzimmer ein Widerſpruch iſt, der wenig
Liebe verdienet. Waͤre ich eine Manns-Perſon,
ſo wollte ich mir lieber eine einfaͤltige Taube aus-
ſuchen, die zu Neſte gehet und bruͤtet, als eine
allzu geſchaͤftige Frau (vielleicht gebe ich mir
ſelbſt den Korb) die meinen Bedienten ſtets alle
Haͤnde voll zu thun gaͤbe, und mit dem Beſen
in der Hand mir ſelbſt bey nahe zu drohen ſchie-
ne, daß ſie mich als einen unnoͤthigen Hausrath
aus dem Hauſe kehren wolle.
Wenn die Frau im Hauſe die Eigenſchaften an
ſich haͤtte, die ich an einem gewiſſen unvergleichlichen
Frauenzimmer ſo ſehr bewundern muß; wenn ſie
ſich ihre Graͤntzen zu ſetzen weiß, und bey Nadel,
Feder, Rechnungen und Haushaltungs-Sachen
bleibt; wenn ſie ſich ein Vergnuͤgen daraus macht,
zu ſehen, wie die Armen von dem Ueberfluß geſaͤt-
tiget werden, der ſonſt umkommen wuͤrde; wenn
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/321>, abgerufen am 25.11.2024.
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