fragen lassen. Jch ließ sie ausreden, und anstatt von London zu sprechen, brachte ich in Vorschlag, die Frau Norton ihr zur Gesellschaft zu verschaffen.
Weil ich zum voraus wußte, daß sie mir durch- aus nicht verpflichtet seyn wollte, so konnte ich, wenn sie mein Erbieten angenommen hätte, versprechen, so viel für diese Frau und ihren Sohn zu thun, daß sie alles würde verbeten haben. Dieses würde ich nicht so wohl aus Sparsamkeit gethan haben, als weil mir sonst die Gegenwart der Norton nicht gelegen gewesen wäre. Es wäre eben so schlimm gewesen, als wenn sie ihre Mutter, oder ihre Han- nichen bey sich gehabt hätte. Mit Hannichen hätte ich zwar schon fertig werden wollen, wenn sie hätte kommen können: denn wozu unterhalte ich Müßiggänger auf dem Lande, als daß sie sich nach meinem Willen in Mädchens verlieben, und sie hey- rathen sollen.
Wie unglücklich ist ein wohl-erzogenes Frauen- zimmer, wenn es unser einem in die Hände fällt. Die jüngferlich-züchtige und blöde Sittsamkeit ist ihr gar zu heilig; sie darf deren Gesetze nicht über- treten. Die kleinen unverschämten Losen haben es besser, welche von Kirche und Prediger reden kön- nen, ehe uns diese Nahmen in den Mund gekom- men sind, und die sich in unserer Gegenwart aus- ziehen und zu Bette gehen können. Keine andere als solche solten es sich in den Sinn kommen lassen, mit einem Manne davon zu gehen. * * *
Jch bin nun auf dem rechten Wege: Eine jede Stunde wird mir ein neues Häckchen an den. Her-
tzen
fragen laſſen. Jch ließ ſie ausreden, und anſtatt von London zu ſprechen, brachte ich in Vorſchlag, die Frau Norton ihr zur Geſellſchaft zu verſchaffen.
Weil ich zum voraus wußte, daß ſie mir durch- aus nicht verpflichtet ſeyn wollte, ſo konnte ich, wenn ſie mein Erbieten angenommen haͤtte, verſprechen, ſo viel fuͤr dieſe Frau und ihren Sohn zu thun, daß ſie alles wuͤrde verbeten haben. Dieſes wuͤrde ich nicht ſo wohl aus Sparſamkeit gethan haben, als weil mir ſonſt die Gegenwart der Norton nicht gelegen geweſen waͤre. Es waͤre eben ſo ſchlimm geweſen, als wenn ſie ihre Mutter, oder ihre Han- nichen bey ſich gehabt haͤtte. Mit Hannichen haͤtte ich zwar ſchon fertig werden wollen, wenn ſie haͤtte kommen koͤnnen: denn wozu unterhalte ich Muͤßiggaͤnger auf dem Lande, als daß ſie ſich nach meinem Willen in Maͤdchens verlieben, und ſie hey- rathen ſollen.
Wie ungluͤcklich iſt ein wohl-erzogenes Frauen- zimmer, wenn es unſer einem in die Haͤnde faͤllt. Die juͤngferlich-zuͤchtige und bloͤde Sittſamkeit iſt ihr gar zu heilig; ſie darf deren Geſetze nicht uͤber- treten. Die kleinen unverſchaͤmten Loſen haben es beſſer, welche von Kirche und Prediger reden koͤn- nen, ehe uns dieſe Nahmen in den Mund gekom- men ſind, und die ſich in unſerer Gegenwart aus- ziehen und zu Bette gehen koͤnnen. Keine andere als ſolche ſolten es ſich in den Sinn kommen laſſen, mit einem Manne davon zu gehen. * * *
Jch bin nun auf dem rechten Wege: Eine jede Stunde wird mir ein neues Haͤckchen an den. Her-
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fragen laſſen. Jch ließ ſie ausreden, und anſtatt
von London zu ſprechen, brachte ich in Vorſchlag,
die Frau Norton ihr zur Geſellſchaft zu verſchaffen.
Weil ich zum voraus wußte, daß ſie mir durch-
aus nicht verpflichtet ſeyn wollte, ſo konnte ich, wenn
ſie mein Erbieten angenommen haͤtte, verſprechen,
ſo viel fuͤr dieſe Frau und ihren Sohn zu thun, daß
ſie alles wuͤrde verbeten haben. Dieſes wuͤrde ich
nicht ſo wohl aus Sparſamkeit gethan haben, als
weil mir ſonſt die Gegenwart der Norton nicht
gelegen geweſen waͤre. Es waͤre eben ſo ſchlimm
geweſen, als wenn ſie ihre Mutter, oder ihre Han-
nichen bey ſich gehabt haͤtte. Mit Hannichen
haͤtte ich zwar ſchon fertig werden wollen, wenn ſie
haͤtte kommen koͤnnen: denn wozu unterhalte ich
Muͤßiggaͤnger auf dem Lande, als daß ſie ſich nach
meinem Willen in Maͤdchens verlieben, und ſie hey-
rathen ſollen.
Wie ungluͤcklich iſt ein wohl-erzogenes Frauen-
zimmer, wenn es unſer einem in die Haͤnde faͤllt.
Die juͤngferlich-zuͤchtige und bloͤde Sittſamkeit iſt
ihr gar zu heilig; ſie darf deren Geſetze nicht uͤber-
treten. Die kleinen unverſchaͤmten Loſen haben es
beſſer, welche von Kirche und Prediger reden koͤn-
nen, ehe uns dieſe Nahmen in den Mund gekom-
men ſind, und die ſich in unſerer Gegenwart aus-
ziehen und zu Bette gehen koͤnnen. Keine andere
als ſolche ſolten es ſich in den Sinn kommen laſſen,
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Jch bin nun auf dem rechten Wege: Eine jede
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/290>, abgerufen am 25.11.2024.
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