unruhigtes Gemüth eine jede Höflichkeit wohl auf- zunehmen pflegte. Jndessen müsse er mir dieses nicht als eine Gefälligkeit anrechnen: denn ich wür- de die Manns- oder Frauens-Person für blind hal- ten, die eine so vortrefliche Fräulein nicht um ihrer eigenen Vorzüge willen bewunderte, und ihr nicht blos in der Absicht gern dienete, um die Ehre gehabt zu haben ihr dienen zu können.
Er antwortete mit aller ihm möglichen Artigkeit: es sey dieses seine Haupt-Absicht. Er küssete hierauf seine eigene Hand, und neigete sich bis zu meinen Füssen. Er hoffete dennoch, daß seine Ehr- erbietung gegen die Fräulein Harlowe dadurch nichts von ihrem Werth verlieren würde, weil die- ses unvergleichliche Frauenzimmer eine Freundin von mir sey.
Jch bitte Sie, mich für diejenige anzunehmen, die ich immer seyn werde, nehmlich für Jhre treueste und ergebenste Anna Howe.
Der sieben und zwantzigste Brief von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe.
Sonnabend Nachmittags.
Jch halte Jhren Boten etwas auf, damit er Jhnen meine Antwort überbringen könne; denn mein alter Briefträger befindet sich nicht wohl.
Sie
unruhigtes Gemuͤth eine jede Hoͤflichkeit wohl auf- zunehmen pflegte. Jndeſſen muͤſſe er mir dieſes nicht als eine Gefaͤlligkeit anrechnen: denn ich wuͤr- de die Manns- oder Frauens-Perſon fuͤr blind hal- ten, die eine ſo vortrefliche Fraͤulein nicht um ihrer eigenen Vorzuͤge willen bewunderte, und ihr nicht blos in der Abſicht gern dienete, um die Ehre gehabt zu haben ihr dienen zu koͤnnen.
Er antwortete mit aller ihm moͤglichen Artigkeit: es ſey dieſes ſeine Haupt-Abſicht. Er kuͤſſete hierauf ſeine eigene Hand, und neigete ſich bis zu meinen Fuͤſſen. Er hoffete dennoch, daß ſeine Ehr- erbietung gegen die Fraͤulein Harlowe dadurch nichts von ihrem Werth verlieren wuͤrde, weil die- ſes unvergleichliche Frauenzimmer eine Freundin von mir ſey.
Jch bitte Sie, mich fuͤr diejenige anzunehmen, die ich immer ſeyn werde, nehmlich fuͤr Jhre treueſte und ergebenſte Anna Howe.
Der ſieben und zwantzigſte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.
Sonnabend Nachmittags.
Jch halte Jhren Boten etwas auf, damit er Jhnen meine Antwort uͤberbringen koͤnne; denn mein alter Brieftraͤger befindet ſich nicht wohl.
Sie
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unruhigtes Gemuͤth eine jede Hoͤflichkeit wohl auf-
zunehmen pflegte. Jndeſſen muͤſſe er mir dieſes
nicht als eine Gefaͤlligkeit anrechnen: denn ich wuͤr-
de die Manns- oder Frauens-Perſon fuͤr blind hal-
ten, die eine ſo vortrefliche Fraͤulein nicht um ihrer
eigenen Vorzuͤge willen bewunderte, und ihr nicht
blos in der Abſicht gern dienete, um die Ehre gehabt
zu haben ihr dienen zu koͤnnen.
Er antwortete mit aller ihm moͤglichen Artigkeit:
es ſey dieſes ſeine Haupt-Abſicht. Er kuͤſſete
hierauf ſeine eigene Hand, und neigete ſich bis zu
meinen Fuͤſſen. Er hoffete dennoch, daß ſeine Ehr-
erbietung gegen die Fraͤulein Harlowe dadurch
nichts von ihrem Werth verlieren wuͤrde, weil die-
ſes unvergleichliche Frauenzimmer eine Freundin
von mir ſey.
Jch bitte Sie, mich fuͤr diejenige anzunehmen,
die ich immer ſeyn werde, nehmlich fuͤr Jhre
treueſte und ergebenſte
Anna Howe.
Der ſieben und zwantzigſte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
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Jch halte Jhren Boten etwas auf, damit er
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denn mein alter Brieftraͤger befindet ſich nicht wohl.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/254>, abgerufen am 21.05.2024.
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