Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



gen. Dir dummen Teuffel muß ich das durch ein
Beyspiel aus der Haushaltung begreiflich machen,
das ich hier auf dem Hofe gesehen habe. Ein stoltzer
Haus-Hahn lockte seine zweybeinigte Zuneigung,
da er ein Gersten-Korn gefunden hatte. Sechs-
mahl nahm er es auf, sechsmahl ließ er es fallen:
und lockete. Etliche gefederte Frauenzimmer eifer-
ten darum, welche zuerst das Korn erhaschen wür-
de. (O Bruder, der Hahn ist ein großer Herr.
Ein beneydens-werther Chapeau-Basist unter den
Feder-Stutzern!) Er reichte den Schnabel der
vordersten Geliebten, und so bald sie die schmutzige
Perle bekommen hatte, empörte sich sein Kamm,
und halb lockend halb frolockend ging er um sie her-
um, und ließ die Flügel aus liebreicher Demuth
bis auf die Erde hängen. Das den übrigen vor-
gezogene gefiederte Kind war halb scheu und halb
willig. Jch weiß nicht, wie es sich anstellete.
Es war etwas furchtsames in den Augen: halb
streckte es die Flügel aus, es zog den Hals ein.
Kurtz, Bruder, ich konnte mercken, das Huhn
merckte, daß das Gersten-Korn nicht alles sey,
wozu der Hahn gelocket habe.

Von dem, was wegen Hannichen, oder einer der Töch-
ter im Hause vorgefallen war, schreibt er:

Fällt dir das ein, Belford, in welcher Absicht ich
ihr die Hannichen, oder eine von den Jungfern in
diesem Hause zur Aufwartung vorschlug! Jch will
dir einen Monath Zeit lassen, es zu errathen.

Du gestehest es, daß du es nie errathen wirst.

Du thust wohl daran. Jch will es dir sagen.

Jch
P 5



gen. Dir dummen Teuffel muß ich das durch ein
Beyſpiel aus der Haushaltung begreiflich machen,
das ich hier auf dem Hofe geſehen habe. Ein ſtoltzer
Haus-Hahn lockte ſeine zweybeinigte Zuneigung,
da er ein Gerſten-Korn gefunden hatte. Sechs-
mahl nahm er es auf, ſechsmahl ließ er es fallen:
und lockete. Etliche gefederte Frauenzimmer eifer-
ten darum, welche zuerſt das Korn erhaſchen wuͤr-
de. (O Bruder, der Hahn iſt ein großer Herr.
Ein beneydens-werther Chapeau-Baſiſt unter den
Feder-Stutzern!) Er reichte den Schnabel der
vorderſten Geliebten, und ſo bald ſie die ſchmutzige
Perle bekommen hatte, empoͤrte ſich ſein Kamm,
und halb lockend halb frolockend ging er um ſie her-
um, und ließ die Fluͤgel aus liebreicher Demuth
bis auf die Erde haͤngen. Das den uͤbrigen vor-
gezogene gefiederte Kind war halb ſcheu und halb
willig. Jch weiß nicht, wie es ſich anſtellete.
Es war etwas furchtſames in den Augen: halb
ſtreckte es die Fluͤgel aus, es zog den Hals ein.
Kurtz, Bruder, ich konnte mercken, das Huhn
merckte, daß das Gerſten-Korn nicht alles ſey,
wozu der Hahn gelocket habe.

Von dem, was wegen Hannichen, oder einer der Toͤch-
ter im Hauſe vorgefallen war, ſchreibt er:

Faͤllt dir das ein, Belford, in welcher Abſicht ich
ihr die Hannichen, oder eine von den Jungfern in
dieſem Hauſe zur Aufwartung vorſchlug! Jch will
dir einen Monath Zeit laſſen, es zu errathen.

Du geſteheſt es, daß du es nie errathen wirſt.

Du thuſt wohl daran. Jch will es dir ſagen.

Jch
P 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0247" n="233"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
gen. Dir dummen Teuffel muß ich das durch ein<lb/>
Bey&#x017F;piel aus der Haushaltung begreiflich machen,<lb/>
das ich hier auf dem Hofe ge&#x017F;ehen habe. Ein &#x017F;toltzer<lb/>
Haus-Hahn lockte &#x017F;eine zweybeinigte Zuneigung,<lb/>
da er ein Ger&#x017F;ten-Korn gefunden hatte. Sechs-<lb/>
mahl nahm er es auf, &#x017F;echsmahl ließ er es fallen:<lb/>
und lockete. Etliche gefederte Frauenzimmer eifer-<lb/>
ten darum, welche zuer&#x017F;t das Korn erha&#x017F;chen wu&#x0364;r-<lb/>
de. (O Bruder, der Hahn i&#x017F;t ein großer Herr.<lb/>
Ein beneydens-werther <hi rendition="#aq">Chapeau-Ba&#x017F;i&#x017F;t</hi> unter den<lb/>
Feder-Stutzern!) Er reichte den Schnabel der<lb/>
vorder&#x017F;ten Geliebten, und &#x017F;o bald &#x017F;ie die &#x017F;chmutzige<lb/>
Perle bekommen hatte, empo&#x0364;rte &#x017F;ich &#x017F;ein Kamm,<lb/>
und halb lockend halb frolockend ging er um &#x017F;ie her-<lb/>
um, und ließ die Flu&#x0364;gel aus liebreicher Demuth<lb/>
bis auf die Erde ha&#x0364;ngen. Das den u&#x0364;brigen vor-<lb/>
gezogene gefiederte Kind war halb &#x017F;cheu und halb<lb/>
willig. Jch weiß nicht, wie es &#x017F;ich an&#x017F;tellete.<lb/>
Es war etwas furcht&#x017F;ames in den Augen: halb<lb/>
&#x017F;treckte es die Flu&#x0364;gel aus, es zog den Hals ein.<lb/>
Kurtz, Bruder, ich konnte mercken, das Huhn<lb/>
merckte, daß das Ger&#x017F;ten-Korn nicht alles &#x017F;ey,<lb/>
wozu der Hahn gelocket habe.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Von dem, was wegen Hannichen, oder einer der To&#x0364;ch-<lb/>
ter im Hau&#x017F;e vorgefallen war, &#x017F;chreibt er:</hi> </p><lb/>
          <p>Fa&#x0364;llt dir das ein, Belford, in welcher Ab&#x017F;icht ich<lb/>
ihr die Hannichen, oder eine von den Jungfern in<lb/>
die&#x017F;em Hau&#x017F;e zur Aufwartung vor&#x017F;chlug! Jch will<lb/>
dir einen Monath Zeit la&#x017F;&#x017F;en, es zu errathen.</p><lb/>
          <p>Du ge&#x017F;tehe&#x017F;t es, daß du es nie errathen wir&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Du thu&#x017F;t wohl daran. Jch will es dir &#x017F;agen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">P 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0247] gen. Dir dummen Teuffel muß ich das durch ein Beyſpiel aus der Haushaltung begreiflich machen, das ich hier auf dem Hofe geſehen habe. Ein ſtoltzer Haus-Hahn lockte ſeine zweybeinigte Zuneigung, da er ein Gerſten-Korn gefunden hatte. Sechs- mahl nahm er es auf, ſechsmahl ließ er es fallen: und lockete. Etliche gefederte Frauenzimmer eifer- ten darum, welche zuerſt das Korn erhaſchen wuͤr- de. (O Bruder, der Hahn iſt ein großer Herr. Ein beneydens-werther Chapeau-Baſiſt unter den Feder-Stutzern!) Er reichte den Schnabel der vorderſten Geliebten, und ſo bald ſie die ſchmutzige Perle bekommen hatte, empoͤrte ſich ſein Kamm, und halb lockend halb frolockend ging er um ſie her- um, und ließ die Fluͤgel aus liebreicher Demuth bis auf die Erde haͤngen. Das den uͤbrigen vor- gezogene gefiederte Kind war halb ſcheu und halb willig. Jch weiß nicht, wie es ſich anſtellete. Es war etwas furchtſames in den Augen: halb ſtreckte es die Fluͤgel aus, es zog den Hals ein. Kurtz, Bruder, ich konnte mercken, das Huhn merckte, daß das Gerſten-Korn nicht alles ſey, wozu der Hahn gelocket habe. Von dem, was wegen Hannichen, oder einer der Toͤch- ter im Hauſe vorgefallen war, ſchreibt er: Faͤllt dir das ein, Belford, in welcher Abſicht ich ihr die Hannichen, oder eine von den Jungfern in dieſem Hauſe zur Aufwartung vorſchlug! Jch will dir einen Monath Zeit laſſen, es zu errathen. Du geſteheſt es, daß du es nie errathen wirſt. Du thuſt wohl daran. Jch will es dir ſagen. Jch P 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/247
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/247>, abgerufen am 21.11.2024.