Jch hätte ihm nicht den geringsten Schaden zufügen wollen, wenn er sich leidentlich verhalten hätte.
Wie aber, wenn er sich nicht leidentlich (wie sie es nennen) verhalten hätte? was würden sie denn angefangen haben?
Er sagte: das möchte er mir nicht gern deut- lich machen. Allein an seinem Leibe hätte ihm kein Schade zugefüget werden sollen.
Jch wiederhohlte meine Frage.
Er antwortete: wenn er es ja sagen sollte, so hätte er den Bärenheuter auf ein paar Monathe über die Seite bringen wollen: es möchte auch dar- aus erfolget seyn, was nur wollte.
Wer hat je von solcher Bosheit gehört, mein Schatz? Jch konnte mich nicht halten, daß mir nicht ein tiefer Seußer entfahren wäre: bat ihn aber dabey, er möchte in der Erzählung fortfahren, die ich unterbrochen hätte. Er that dieses, und sagte: ich befahl dem Lehmann, daß er sich nicht allzuweit von der Garten-Thür entfernen sollte. Wenn er merckte, daß wir mit einander in einigen Wortwechsel geriethen, und es käme eine uns ge- fährliche Person in die Nähe, ehe sie unentdeckt zu- rück kommen könnten, so sollte er laut schreyen, um sich zu retten, mich zu warnen, und zugleich sie, meine liebe Fräulein, (wie ich gern gestehe) zu be- wegen, daß sie nach ihrer Zusage mit mir fliehen möchten. Wenn sie alle Umstände, und inson-
derheit
Was wollten ſie denn bey Solmeſen ma- chen?
Jch haͤtte ihm nicht den geringſten Schaden zufuͤgen wollen, wenn er ſich leidentlich verhalten haͤtte.
Wie aber, wenn er ſich nicht leidentlich (wie ſie es nennen) verhalten haͤtte? was wuͤrden ſie denn angefangen haben?
Er ſagte: das moͤchte er mir nicht gern deut- lich machen. Allein an ſeinem Leibe haͤtte ihm kein Schade zugefuͤget werden ſollen.
Jch wiederhohlte meine Frage.
Er antwortete: wenn er es ja ſagen ſollte, ſo haͤtte er den Baͤrenheuter auf ein paar Monathe uͤber die Seite bringen wollen: es moͤchte auch dar- aus erfolget ſeyn, was nur wollte.
Wer hat je von ſolcher Bosheit gehoͤrt, mein Schatz? Jch konnte mich nicht halten, daß mir nicht ein tiefer Seuſzer entfahren waͤre: bat ihn aber dabey, er moͤchte in der Erzaͤhlung fortfahren, die ich unterbrochen haͤtte. Er that dieſes, und ſagte: ich befahl dem Lehmann, daß er ſich nicht allzuweit von der Garten-Thuͤr entfernen ſollte. Wenn er merckte, daß wir mit einander in einigen Wortwechſel geriethen, und es kaͤme eine uns ge- faͤhrliche Perſon in die Naͤhe, ehe ſie unentdeckt zu- ruͤck kommen koͤnnten, ſo ſollte er laut ſchreyen, um ſich zu retten, mich zu warnen, und zugleich ſie, meine liebe Fraͤulein, (wie ich gern geſtehe) zu be- wegen, daß ſie nach ihrer Zuſage mit mir fliehen moͤchten. Wenn ſie alle Umſtaͤnde, und inſon-
derheit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0212"n="198"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Was wollten ſie denn bey <hirendition="#fr">Solmeſen</hi> ma-<lb/>
chen?</p><lb/><p>Jch haͤtte ihm nicht den geringſten Schaden<lb/>
zufuͤgen wollen, wenn er ſich leidentlich verhalten<lb/>
haͤtte.</p><lb/><p>Wie aber, wenn er ſich nicht leidentlich (wie ſie<lb/>
es nennen) verhalten haͤtte? was wuͤrden ſie denn<lb/>
angefangen haben?</p><lb/><p>Er ſagte: das moͤchte er mir nicht gern deut-<lb/>
lich machen. Allein an ſeinem Leibe haͤtte ihm<lb/>
kein Schade zugefuͤget werden ſollen.</p><lb/><p>Jch wiederhohlte meine Frage.</p><lb/><p>Er antwortete: wenn er es ja ſagen ſollte, ſo<lb/>
haͤtte er den Baͤrenheuter auf ein paar Monathe<lb/>
uͤber die Seite bringen wollen: es moͤchte auch dar-<lb/>
aus erfolget ſeyn, was nur wollte.</p><lb/><p>Wer hat je von ſolcher Bosheit gehoͤrt, mein<lb/>
Schatz? Jch konnte mich nicht halten, daß mir<lb/>
nicht ein tiefer Seuſzer entfahren waͤre: bat ihn<lb/>
aber dabey, er moͤchte in der Erzaͤhlung fortfahren,<lb/>
die ich unterbrochen haͤtte. Er that dieſes, und<lb/>ſagte: ich befahl dem <hirendition="#fr">Lehmann,</hi> daß er ſich nicht<lb/>
allzuweit von der Garten-Thuͤr entfernen ſollte.<lb/>
Wenn er merckte, daß wir mit einander in einigen<lb/>
Wortwechſel geriethen, und es kaͤme eine uns ge-<lb/>
faͤhrliche Perſon in die Naͤhe, ehe ſie unentdeckt zu-<lb/>
ruͤck kommen koͤnnten, ſo ſollte er laut ſchreyen, um<lb/>ſich zu retten, mich zu warnen, und zugleich ſie,<lb/>
meine liebe Fraͤulein, (wie ich gern geſtehe) zu be-<lb/>
wegen, daß ſie nach ihrer Zuſage mit mir fliehen<lb/>
moͤchten. Wenn ſie alle Umſtaͤnde, und inſon-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">derheit</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[198/0212]
Was wollten ſie denn bey Solmeſen ma-
chen?
Jch haͤtte ihm nicht den geringſten Schaden
zufuͤgen wollen, wenn er ſich leidentlich verhalten
haͤtte.
Wie aber, wenn er ſich nicht leidentlich (wie ſie
es nennen) verhalten haͤtte? was wuͤrden ſie denn
angefangen haben?
Er ſagte: das moͤchte er mir nicht gern deut-
lich machen. Allein an ſeinem Leibe haͤtte ihm
kein Schade zugefuͤget werden ſollen.
Jch wiederhohlte meine Frage.
Er antwortete: wenn er es ja ſagen ſollte, ſo
haͤtte er den Baͤrenheuter auf ein paar Monathe
uͤber die Seite bringen wollen: es moͤchte auch dar-
aus erfolget ſeyn, was nur wollte.
Wer hat je von ſolcher Bosheit gehoͤrt, mein
Schatz? Jch konnte mich nicht halten, daß mir
nicht ein tiefer Seuſzer entfahren waͤre: bat ihn
aber dabey, er moͤchte in der Erzaͤhlung fortfahren,
die ich unterbrochen haͤtte. Er that dieſes, und
ſagte: ich befahl dem Lehmann, daß er ſich nicht
allzuweit von der Garten-Thuͤr entfernen ſollte.
Wenn er merckte, daß wir mit einander in einigen
Wortwechſel geriethen, und es kaͤme eine uns ge-
faͤhrliche Perſon in die Naͤhe, ehe ſie unentdeckt zu-
ruͤck kommen koͤnnten, ſo ſollte er laut ſchreyen, um
ſich zu retten, mich zu warnen, und zugleich ſie,
meine liebe Fraͤulein, (wie ich gern geſtehe) zu be-
wegen, daß ſie nach ihrer Zuſage mit mir fliehen
moͤchten. Wenn ſie alle Umſtaͤnde, und inſon-
derheit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/212>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.