Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


Was wollten sie denn bey Solmesen ma-
chen?

Jch hätte ihm nicht den geringsten Schaden
zufügen wollen, wenn er sich leidentlich verhalten
hätte.

Wie aber, wenn er sich nicht leidentlich (wie sie
es nennen) verhalten hätte? was würden sie denn
angefangen haben?

Er sagte: das möchte er mir nicht gern deut-
lich machen. Allein an seinem Leibe hätte ihm
kein Schade zugefüget werden sollen.

Jch wiederhohlte meine Frage.

Er antwortete: wenn er es ja sagen sollte, so
hätte er den Bärenheuter auf ein paar Monathe
über die Seite bringen wollen: es möchte auch dar-
aus erfolget seyn, was nur wollte.

Wer hat je von solcher Bosheit gehört, mein
Schatz? Jch konnte mich nicht halten, daß mir
nicht ein tiefer Seußer entfahren wäre: bat ihn
aber dabey, er möchte in der Erzählung fortfahren,
die ich unterbrochen hätte. Er that dieses, und
sagte: ich befahl dem Lehmann, daß er sich nicht
allzuweit von der Garten-Thür entfernen sollte.
Wenn er merckte, daß wir mit einander in einigen
Wortwechsel geriethen, und es käme eine uns ge-
fährliche Person in die Nähe, ehe sie unentdeckt zu-
rück kommen könnten, so sollte er laut schreyen, um
sich zu retten, mich zu warnen, und zugleich sie,
meine liebe Fräulein, (wie ich gern gestehe) zu be-
wegen, daß sie nach ihrer Zusage mit mir fliehen
möchten. Wenn sie alle Umstände, und inson-

derheit


Was wollten ſie denn bey Solmeſen ma-
chen?

Jch haͤtte ihm nicht den geringſten Schaden
zufuͤgen wollen, wenn er ſich leidentlich verhalten
haͤtte.

Wie aber, wenn er ſich nicht leidentlich (wie ſie
es nennen) verhalten haͤtte? was wuͤrden ſie denn
angefangen haben?

Er ſagte: das moͤchte er mir nicht gern deut-
lich machen. Allein an ſeinem Leibe haͤtte ihm
kein Schade zugefuͤget werden ſollen.

Jch wiederhohlte meine Frage.

Er antwortete: wenn er es ja ſagen ſollte, ſo
haͤtte er den Baͤrenheuter auf ein paar Monathe
uͤber die Seite bringen wollen: es moͤchte auch dar-
aus erfolget ſeyn, was nur wollte.

Wer hat je von ſolcher Bosheit gehoͤrt, mein
Schatz? Jch konnte mich nicht halten, daß mir
nicht ein tiefer Seuſzer entfahren waͤre: bat ihn
aber dabey, er moͤchte in der Erzaͤhlung fortfahren,
die ich unterbrochen haͤtte. Er that dieſes, und
ſagte: ich befahl dem Lehmann, daß er ſich nicht
allzuweit von der Garten-Thuͤr entfernen ſollte.
Wenn er merckte, daß wir mit einander in einigen
Wortwechſel geriethen, und es kaͤme eine uns ge-
faͤhrliche Perſon in die Naͤhe, ehe ſie unentdeckt zu-
ruͤck kommen koͤnnten, ſo ſollte er laut ſchreyen, um
ſich zu retten, mich zu warnen, und zugleich ſie,
meine liebe Fraͤulein, (wie ich gern geſtehe) zu be-
wegen, daß ſie nach ihrer Zuſage mit mir fliehen
moͤchten. Wenn ſie alle Umſtaͤnde, und inſon-

derheit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0212" n="198"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Was wollten &#x017F;ie denn bey <hi rendition="#fr">Solme&#x017F;en</hi> ma-<lb/>
chen?</p><lb/>
          <p>Jch ha&#x0364;tte ihm nicht den gering&#x017F;ten Schaden<lb/>
zufu&#x0364;gen wollen, wenn er &#x017F;ich leidentlich verhalten<lb/>
ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Wie aber, wenn er &#x017F;ich nicht leidentlich (wie &#x017F;ie<lb/>
es nennen) verhalten ha&#x0364;tte? was wu&#x0364;rden &#x017F;ie denn<lb/>
angefangen haben?</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;agte: das mo&#x0364;chte er mir nicht gern deut-<lb/>
lich machen. Allein an &#x017F;einem Leibe ha&#x0364;tte ihm<lb/>
kein Schade zugefu&#x0364;get werden &#x017F;ollen.</p><lb/>
          <p>Jch wiederhohlte meine Frage.</p><lb/>
          <p>Er antwortete: wenn er es ja &#x017F;agen &#x017F;ollte, &#x017F;o<lb/>
ha&#x0364;tte er den Ba&#x0364;renheuter auf ein paar Monathe<lb/>
u&#x0364;ber die Seite bringen wollen: es mo&#x0364;chte auch dar-<lb/>
aus erfolget &#x017F;eyn, was nur wollte.</p><lb/>
          <p>Wer hat je von &#x017F;olcher Bosheit geho&#x0364;rt, mein<lb/>
Schatz? Jch konnte mich nicht halten, daß mir<lb/>
nicht ein tiefer Seu&#x017F;zer entfahren wa&#x0364;re: bat ihn<lb/>
aber dabey, er mo&#x0364;chte in der Erza&#x0364;hlung fortfahren,<lb/>
die ich unterbrochen ha&#x0364;tte. Er that die&#x017F;es, und<lb/>
&#x017F;agte: ich befahl dem <hi rendition="#fr">Lehmann,</hi> daß er &#x017F;ich nicht<lb/>
allzuweit von der Garten-Thu&#x0364;r entfernen &#x017F;ollte.<lb/>
Wenn er merckte, daß wir mit einander in einigen<lb/>
Wortwech&#x017F;el geriethen, und es ka&#x0364;me eine uns ge-<lb/>
fa&#x0364;hrliche Per&#x017F;on in die Na&#x0364;he, ehe &#x017F;ie unentdeckt zu-<lb/>
ru&#x0364;ck kommen ko&#x0364;nnten, &#x017F;o &#x017F;ollte er laut &#x017F;chreyen, um<lb/>
&#x017F;ich zu retten, mich zu warnen, und zugleich &#x017F;ie,<lb/>
meine liebe Fra&#x0364;ulein, (wie ich gern ge&#x017F;tehe) zu be-<lb/>
wegen, daß &#x017F;ie nach ihrer Zu&#x017F;age mit mir fliehen<lb/>
mo&#x0364;chten. Wenn &#x017F;ie alle Um&#x017F;ta&#x0364;nde, und in&#x017F;on-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">derheit</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0212] Was wollten ſie denn bey Solmeſen ma- chen? Jch haͤtte ihm nicht den geringſten Schaden zufuͤgen wollen, wenn er ſich leidentlich verhalten haͤtte. Wie aber, wenn er ſich nicht leidentlich (wie ſie es nennen) verhalten haͤtte? was wuͤrden ſie denn angefangen haben? Er ſagte: das moͤchte er mir nicht gern deut- lich machen. Allein an ſeinem Leibe haͤtte ihm kein Schade zugefuͤget werden ſollen. Jch wiederhohlte meine Frage. Er antwortete: wenn er es ja ſagen ſollte, ſo haͤtte er den Baͤrenheuter auf ein paar Monathe uͤber die Seite bringen wollen: es moͤchte auch dar- aus erfolget ſeyn, was nur wollte. Wer hat je von ſolcher Bosheit gehoͤrt, mein Schatz? Jch konnte mich nicht halten, daß mir nicht ein tiefer Seuſzer entfahren waͤre: bat ihn aber dabey, er moͤchte in der Erzaͤhlung fortfahren, die ich unterbrochen haͤtte. Er that dieſes, und ſagte: ich befahl dem Lehmann, daß er ſich nicht allzuweit von der Garten-Thuͤr entfernen ſollte. Wenn er merckte, daß wir mit einander in einigen Wortwechſel geriethen, und es kaͤme eine uns ge- faͤhrliche Perſon in die Naͤhe, ehe ſie unentdeckt zu- ruͤck kommen koͤnnten, ſo ſollte er laut ſchreyen, um ſich zu retten, mich zu warnen, und zugleich ſie, meine liebe Fraͤulein, (wie ich gern geſtehe) zu be- wegen, daß ſie nach ihrer Zuſage mit mir fliehen moͤchten. Wenn ſie alle Umſtaͤnde, und inſon- derheit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/212
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/212>, abgerufen am 21.11.2024.