Er bat sich auf eine sehr höfliche Weise aus, daß ich bessere Gedancken von ihm fassen möchte, und that sehr kläglich darüber, daß ich eine so schlechte Meinung von ihm, und, wo nicht ein Vorurtheil, doch wenigstens eine Kaltsinnigkeit gegen ihn hätte, welche alle Stunden zunähme. Er bat mich: ich möchte einmahl gegen ihn frey her- ausgehen, damit er Gelegenheit hätte, entweder seine Schuld zu bekennen, oder sich zu rechtfertigen, und sich ein günstigeres Urtheil von mir zu erwer- ben.
Jch antwortete ihm mit einer Heftigkeit: so will ich ihnen denn mit einer Offenhertzigkeit, die mir und nicht ihnen eigen ist (das will ich nicht hoffen! fiel er mir in die Rede) ein Stückchen er- zählen, daraus ich mercke, daß sie mit mir tückisch umgehen.
Jch will genau acht geben, Fräulein. Reden sie.
Jch kann ohnmöglich eine gute Meinung von ihnen hegen, so lange ich nicht errathe, wer mich durch den Lerm an der Garten-Thür in ein so grosses Schrecken setzte, dessen sie sich meisterlich zu bedienen wusten. Sagen sie mir aufrichtig, wie dieses zusammenhänget, und in was für einem Verständniß sie mit Joseph Leh- mann gestanden haben. Nach ihrer Offenhertzig- keit in Erzählung dieses Theils meiner Geschichte werde ich sie und alle ihre Versprechungen beur- theilen.
Jch will Jhnen, mein allerliebstes Leben, alles offenhertzig erzählen; und ich hoffe, daß sie um
meines
Dritter Theil. N
Er bat ſich auf eine ſehr hoͤfliche Weiſe aus, daß ich beſſere Gedancken von ihm faſſen moͤchte, und that ſehr klaͤglich daruͤber, daß ich eine ſo ſchlechte Meinung von ihm, und, wo nicht ein Vorurtheil, doch wenigſtens eine Kaltſinnigkeit gegen ihn haͤtte, welche alle Stunden zunaͤhme. Er bat mich: ich moͤchte einmahl gegen ihn frey her- ausgehen, damit er Gelegenheit haͤtte, entweder ſeine Schuld zu bekennen, oder ſich zu rechtfertigen, und ſich ein guͤnſtigeres Urtheil von mir zu erwer- ben.
Jch antwortete ihm mit einer Heftigkeit: ſo will ich ihnen denn mit einer Offenhertzigkeit, die mir und nicht ihnen eigen iſt (das will ich nicht hoffen! fiel er mir in die Rede) ein Stuͤckchen er- zaͤhlen, daraus ich mercke, daß ſie mit mir tuͤckiſch umgehen.
Jch will genau acht geben, Fraͤulein. Reden ſie.
Jch kann ohnmoͤglich eine gute Meinung von ihnen hegen, ſo lange ich nicht errathe, wer mich durch den Lerm an der Garten-Thuͤr in ein ſo groſſes Schrecken ſetzte, deſſen ſie ſich meiſterlich zu bedienen wuſten. Sagen ſie mir aufrichtig, wie dieſes zuſammenhaͤnget, und in was fuͤr einem Verſtaͤndniß ſie mit Joſeph Leh- mann geſtanden haben. Nach ihrer Offenhertzig- keit in Erzaͤhlung dieſes Theils meiner Geſchichte werde ich ſie und alle ihre Verſprechungen beur- theilen.
Jch will Jhnen, mein allerliebſtes Leben, alles offenhertzig erzaͤhlen; und ich hoffe, daß ſie um
meines
Dritter Theil. N
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[193/0207]
Er bat ſich auf eine ſehr hoͤfliche Weiſe aus,
daß ich beſſere Gedancken von ihm faſſen moͤchte,
und that ſehr klaͤglich daruͤber, daß ich eine ſo
ſchlechte Meinung von ihm, und, wo nicht ein
Vorurtheil, doch wenigſtens eine Kaltſinnigkeit
gegen ihn haͤtte, welche alle Stunden zunaͤhme. Er
bat mich: ich moͤchte einmahl gegen ihn frey her-
ausgehen, damit er Gelegenheit haͤtte, entweder
ſeine Schuld zu bekennen, oder ſich zu rechtfertigen,
und ſich ein guͤnſtigeres Urtheil von mir zu erwer-
ben.
Jch antwortete ihm mit einer Heftigkeit: ſo
will ich ihnen denn mit einer Offenhertzigkeit, die
mir und nicht ihnen eigen iſt (das will ich nicht
hoffen! fiel er mir in die Rede) ein Stuͤckchen er-
zaͤhlen, daraus ich mercke, daß ſie mit mir tuͤckiſch
umgehen.
Jch will genau acht geben, Fraͤulein. Reden ſie.
Jch kann ohnmoͤglich eine gute Meinung von
ihnen hegen, ſo lange ich nicht errathe, wer
mich durch den Lerm an der Garten-Thuͤr
in ein ſo groſſes Schrecken ſetzte, deſſen ſie
ſich meiſterlich zu bedienen wuſten. Sagen ſie mir
aufrichtig, wie dieſes zuſammenhaͤnget, und in
was fuͤr einem Verſtaͤndniß ſie mit Joſeph Leh-
mann geſtanden haben. Nach ihrer Offenhertzig-
keit in Erzaͤhlung dieſes Theils meiner Geſchichte
werde ich ſie und alle ihre Verſprechungen beur-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/207>, abgerufen am 24.11.2024.
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