gebendes Hertz, wo es billig ist nachzugeben, und dennoch so viel Muth, wo Muth erfodert wird: das ist eben die Mischung von Tugenden, die den Nahmen der Grosmuth verdienet.
Allein in Jhren jetzigen Umständen müssen Sie etwas versteckter handeln. Die Demuth ist ihm nicht natürlich, die er annimt, wenn Sie ihn Jh- ren Unwillen mercken lassen.
Mich dünckt ich sehe den Menschen vor mir, wie er stammert, und durch die Verweise eines ihm überlegenen Frauenzimmers so in die Enge getrie- ben wird, daß er wie ein Schaafs-Kopf aussiehet. Allein in der That wird er doch nie einen Schaafs- Kopf haben. Hüten Sie sich, daß er nicht Rache und Liebe mit einander verbindet.
Jn dem ersten von Jhren beyden Briefen, die ich jetzt vor mir habe, sind Sie allzu ernsthaft, wenn sie von Hickman, meiner Mutter und mir schreiben. Allein was meine Mutter anbetrift, so ist ihre grosse Ernsthaftigkeit, damit Sie mich erin- nern, überflüßig. Wenn wir zuweilen nicht all- zuwohl mit einander stehen, so stehen wir doch zu anderer Zeit nicht übel. Jch bin noch immer im Stande gewesen, meine Mutter auch alsdenn zum Lächeln zu bewegen, wenn sie sich bey unserm neulichen Streit am meisten in ihrem Unwillen ver- ging: ob sie sich gleich bisweilen Mühe gab, das Lachen zu verbeissen. Dieses ist kein schlimmes Zeichen: ein Zeichen, daß ihr Unwille nicht tief gewurtzelt sey, und von keiner langen Dauer seyn werde. Ein freundliches Wort oder Blick gegen
ihren
gebendes Hertz, wo es billig iſt nachzugeben, und dennoch ſo viel Muth, wo Muth erfodert wird: das iſt eben die Miſchung von Tugenden, die den Nahmen der Grosmuth verdienet.
Allein in Jhren jetzigen Umſtaͤnden muͤſſen Sie etwas verſteckter handeln. Die Demuth iſt ihm nicht natuͤrlich, die er annimt, wenn Sie ihn Jh- ren Unwillen mercken laſſen.
Mich duͤnckt ich ſehe den Menſchen vor mir, wie er ſtammert, und durch die Verweiſe eines ihm uͤberlegenen Frauenzimmers ſo in die Enge getrie- ben wird, daß er wie ein Schaafs-Kopf ausſiehet. Allein in der That wird er doch nie einen Schaafs- Kopf haben. Huͤten Sie ſich, daß er nicht Rache und Liebe mit einander verbindet.
Jn dem erſten von Jhren beyden Briefen, die ich jetzt vor mir habe, ſind Sie allzu ernſthaft, wenn ſie von Hickman, meiner Mutter und mir ſchreiben. Allein was meine Mutter anbetrift, ſo iſt ihre groſſe Ernſthaftigkeit, damit Sie mich erin- nern, uͤberfluͤßig. Wenn wir zuweilen nicht all- zuwohl mit einander ſtehen, ſo ſtehen wir doch zu anderer Zeit nicht uͤbel. Jch bin noch immer im Stande geweſen, meine Mutter auch alsdenn zum Laͤcheln zu bewegen, wenn ſie ſich bey unſerm neulichen Streit am meiſten in ihrem Unwillen ver- ging: ob ſie ſich gleich bisweilen Muͤhe gab, das Lachen zu verbeiſſen. Dieſes iſt kein ſchlimmes Zeichen: ein Zeichen, daß ihr Unwille nicht tief gewurtzelt ſey, und von keiner langen Dauer ſeyn werde. Ein freundliches Wort oder Blick gegen
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gebendes Hertz, wo es billig iſt nachzugeben, und
dennoch ſo viel Muth, wo Muth erfodert wird:
das iſt eben die Miſchung von Tugenden, die den
Nahmen der Grosmuth verdienet.
Allein in Jhren jetzigen Umſtaͤnden muͤſſen Sie
etwas verſteckter handeln. Die Demuth iſt ihm
nicht natuͤrlich, die er annimt, wenn Sie ihn Jh-
ren Unwillen mercken laſſen.
Mich duͤnckt ich ſehe den Menſchen vor mir,
wie er ſtammert, und durch die Verweiſe eines ihm
uͤberlegenen Frauenzimmers ſo in die Enge getrie-
ben wird, daß er wie ein Schaafs-Kopf ausſiehet.
Allein in der That wird er doch nie einen Schaafs-
Kopf haben. Huͤten Sie ſich, daß er nicht Rache
und Liebe mit einander verbindet.
Jn dem erſten von Jhren beyden Briefen, die
ich jetzt vor mir habe, ſind Sie allzu ernſthaft,
wenn ſie von Hickman, meiner Mutter und mir
ſchreiben. Allein was meine Mutter anbetrift, ſo
iſt ihre groſſe Ernſthaftigkeit, damit Sie mich erin-
nern, uͤberfluͤßig. Wenn wir zuweilen nicht all-
zuwohl mit einander ſtehen, ſo ſtehen wir doch zu
anderer Zeit nicht uͤbel. Jch bin noch immer im
Stande geweſen, meine Mutter auch alsdenn
zum Laͤcheln zu bewegen, wenn ſie ſich bey unſerm
neulichen Streit am meiſten in ihrem Unwillen ver-
ging: ob ſie ſich gleich bisweilen Muͤhe gab, das
Lachen zu verbeiſſen. Dieſes iſt kein ſchlimmes
Zeichen: ein Zeichen, daß ihr Unwille nicht tief
gewurtzelt ſey, und von keiner langen Dauer ſeyn
werde. Ein freundliches Wort oder Blick gegen
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/200>, abgerufen am 21.11.2024.
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