Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



Sie Jhre Briefe nicht mit lauter Beschuldigungen
gegen sich selbst an: Diese Beschuldigungen sind
ohne Grund. Jch wünschte, daß Jhre Anna
Howe,
die sich in ihrer Mutter Hause befindet,
halb so viel Lob verdiente, als die Fräulein Cla-
rissa Harlowe,
die aus ihrer Eltern Hause getrie-
ben ist.

Jch will über den Brief an Jhre Schwester
keine Anmerckungen machen, bis ich sehe, was er
ausrichtet. Sie schreiben mir, sie hoffeten den-
noch, daß man Jhnen Jhre Kleidung und Geld
schicken werde, ob ich gleich das Gegentheil befürch-
tet habe. Es thut mir leyd, daß ich Jhnen eine
unangenehme Zeitung melden muß. Jch habe
eben gehört, daß grosser Rath über Jhren Brief
gehalten ist. Jhre Frau Mutter, die begehrte,
daß man Jhnen das Jhrige schicken möchte, ward
überstimmet. Jch bitte Sie deswegen inständigst,
nehmen Sie mein Anerbieten, das ich in dem vori-
gen Briefe gethan habe, an; und geben Sie mir
Nachricht, was für Kleidung Jhnen mangelt, da-
mit ich ihnen das rechte schicken könne.

Dencken Sie nicht so sehr an eine Aussöhnung,
versäumen Sie deswegen keine Gelegenheit, da-
durch Sie einen solchen Beschützer erlangen können
als Lovelace ist, der als ein wahrer Ehemann
nicht zugeben wird, daß Jhnen jemand Unrecht
thue, ihn selbst ausgenommen.

Wie war es möglich, daß Sie eine so gute Ge-
legenheit aus den Händen liessen? Jch kann Sie
zwar nicht tadeln. Denn wie konnten Sie etwas

mehre-



Sie Jhre Briefe nicht mit lauter Beſchuldigungen
gegen ſich ſelbſt an: Dieſe Beſchuldigungen ſind
ohne Grund. Jch wuͤnſchte, daß Jhre Anna
Howe,
die ſich in ihrer Mutter Hauſe befindet,
halb ſo viel Lob verdiente, als die Fraͤulein Cla-
riſſa Harlowe,
die aus ihrer Eltern Hauſe getrie-
ben iſt.

Jch will uͤber den Brief an Jhre Schweſter
keine Anmerckungen machen, bis ich ſehe, was er
ausrichtet. Sie ſchreiben mir, ſie hoffeten den-
noch, daß man Jhnen Jhre Kleidung und Geld
ſchicken werde, ob ich gleich das Gegentheil befuͤrch-
tet habe. Es thut mir leyd, daß ich Jhnen eine
unangenehme Zeitung melden muß. Jch habe
eben gehoͤrt, daß groſſer Rath uͤber Jhren Brief
gehalten iſt. Jhre Frau Mutter, die begehrte,
daß man Jhnen das Jhrige ſchicken moͤchte, ward
uͤberſtimmet. Jch bitte Sie deswegen inſtaͤndigſt,
nehmen Sie mein Anerbieten, das ich in dem vori-
gen Briefe gethan habe, an; und geben Sie mir
Nachricht, was fuͤr Kleidung Jhnen mangelt, da-
mit ich ihnen das rechte ſchicken koͤnne.

Dencken Sie nicht ſo ſehr an eine Ausſoͤhnung,
verſaͤumen Sie deswegen keine Gelegenheit, da-
durch Sie einen ſolchen Beſchuͤtzer erlangen koͤnnen
als Lovelace iſt, der als ein wahrer Ehemann
nicht zugeben wird, daß Jhnen jemand Unrecht
thue, ihn ſelbſt ausgenommen.

Wie war es moͤglich, daß Sie eine ſo gute Ge-
legenheit aus den Haͤnden lieſſen? Jch kann Sie
zwar nicht tadeln. Denn wie konnten Sie etwas

mehre-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0198" n="184"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Sie Jhre Briefe nicht mit lauter Be&#x017F;chuldigungen<lb/>
gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t an: Die&#x017F;e Be&#x017F;chuldigungen &#x017F;ind<lb/>
ohne Grund. Jch wu&#x0364;n&#x017F;chte, daß Jhre <hi rendition="#fr">Anna<lb/>
Howe,</hi> die &#x017F;ich in ihrer Mutter Hau&#x017F;e befindet,<lb/>
halb &#x017F;o viel Lob verdiente, als die Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#fr">Cla-<lb/>
ri&#x017F;&#x017F;a Harlowe,</hi> die aus ihrer Eltern Hau&#x017F;e getrie-<lb/>
ben i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Jch will u&#x0364;ber den Brief an Jhre Schwe&#x017F;ter<lb/>
keine Anmerckungen machen, bis ich &#x017F;ehe, was er<lb/>
ausrichtet. Sie &#x017F;chreiben mir, &#x017F;ie hoffeten den-<lb/>
noch, daß man Jhnen Jhre Kleidung und Geld<lb/>
&#x017F;chicken werde, ob ich gleich das Gegentheil befu&#x0364;rch-<lb/>
tet habe. Es thut mir leyd, daß ich Jhnen eine<lb/>
unangenehme Zeitung melden muß. Jch habe<lb/>
eben geho&#x0364;rt, daß gro&#x017F;&#x017F;er Rath u&#x0364;ber Jhren Brief<lb/>
gehalten i&#x017F;t. Jhre Frau Mutter, die begehrte,<lb/>
daß man Jhnen das Jhrige &#x017F;chicken mo&#x0364;chte, ward<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;timmet. Jch bitte Sie deswegen in&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;t,<lb/>
nehmen Sie mein Anerbieten, das ich in dem vori-<lb/>
gen Briefe gethan habe, an; und geben Sie mir<lb/>
Nachricht, was fu&#x0364;r Kleidung Jhnen mangelt, da-<lb/>
mit ich ihnen das rechte &#x017F;chicken ko&#x0364;nne.</p><lb/>
          <p>Dencken Sie nicht &#x017F;o &#x017F;ehr an eine Aus&#x017F;o&#x0364;hnung,<lb/>
ver&#x017F;a&#x0364;umen Sie deswegen keine Gelegenheit, da-<lb/>
durch Sie einen &#x017F;olchen Be&#x017F;chu&#x0364;tzer erlangen ko&#x0364;nnen<lb/>
als <hi rendition="#fr">Lovelace</hi> i&#x017F;t, der als ein wahrer Ehemann<lb/>
nicht zugeben wird, daß Jhnen jemand Unrecht<lb/>
thue, ihn &#x017F;elb&#x017F;t ausgenommen.</p><lb/>
          <p>Wie war es mo&#x0364;glich, daß Sie eine &#x017F;o gute Ge-<lb/>
legenheit aus den Ha&#x0364;nden lie&#x017F;&#x017F;en? Jch kann Sie<lb/>
zwar nicht tadeln. Denn wie konnten Sie etwas<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mehre-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0198] Sie Jhre Briefe nicht mit lauter Beſchuldigungen gegen ſich ſelbſt an: Dieſe Beſchuldigungen ſind ohne Grund. Jch wuͤnſchte, daß Jhre Anna Howe, die ſich in ihrer Mutter Hauſe befindet, halb ſo viel Lob verdiente, als die Fraͤulein Cla- riſſa Harlowe, die aus ihrer Eltern Hauſe getrie- ben iſt. Jch will uͤber den Brief an Jhre Schweſter keine Anmerckungen machen, bis ich ſehe, was er ausrichtet. Sie ſchreiben mir, ſie hoffeten den- noch, daß man Jhnen Jhre Kleidung und Geld ſchicken werde, ob ich gleich das Gegentheil befuͤrch- tet habe. Es thut mir leyd, daß ich Jhnen eine unangenehme Zeitung melden muß. Jch habe eben gehoͤrt, daß groſſer Rath uͤber Jhren Brief gehalten iſt. Jhre Frau Mutter, die begehrte, daß man Jhnen das Jhrige ſchicken moͤchte, ward uͤberſtimmet. Jch bitte Sie deswegen inſtaͤndigſt, nehmen Sie mein Anerbieten, das ich in dem vori- gen Briefe gethan habe, an; und geben Sie mir Nachricht, was fuͤr Kleidung Jhnen mangelt, da- mit ich ihnen das rechte ſchicken koͤnne. Dencken Sie nicht ſo ſehr an eine Ausſoͤhnung, verſaͤumen Sie deswegen keine Gelegenheit, da- durch Sie einen ſolchen Beſchuͤtzer erlangen koͤnnen als Lovelace iſt, der als ein wahrer Ehemann nicht zugeben wird, daß Jhnen jemand Unrecht thue, ihn ſelbſt ausgenommen. Wie war es moͤglich, daß Sie eine ſo gute Ge- legenheit aus den Haͤnden lieſſen? Jch kann Sie zwar nicht tadeln. Denn wie konnten Sie etwas mehre-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/198
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/198>, abgerufen am 04.05.2024.