Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


Meine Geliebte hat an ihre wunderliche Freun-
din geschrieben. Jch glaube, daß alles ihr Un-
glück, und alles was zwischen uns vorgefallen ist,
in ihrem Briefe stehet. Wenn sie so umständlich
schreibet, als ich, so wird es ihr an artiger Ma-
terie nicht mangeln.

Jch würde nicht so grausam seyn, daß ich den
alten Anton aufhetzte, die alte Mutter Howe
aufzuhetzen, wenn mir nicht vor den Folgen dieses
Briefwechsels grauete. Dencke Bruder: zwey
Mädchens! das eine so lebhaft! das andere so vor-
sichtig! beyde so verschmitzt! Wer wollte nicht wün-
schen, die betriegen zu können, und sie wie einen
Drath um seinen kleinen Finger zu winden.

Mein Kind hat an seine Schwester geschrieben,
und um Kleidung, und einiges Geld und Bücher
gebeten. Was hat es doch vor Bücher, dar-
aus es mehr lernen kann, als es schon weiß? Jch
wollte dem Mädchen noch etwas neues lernen! Bey
mir sollte das lose Ding in die Schule gehen!

Sie mag schreiben! Endlich wird sich doch ihr
Hochmuth überwinden müssen, mir gute Worte
zu geben. Die Fräulein Howe wird ihr zwar
gern mit Geld an die Hand gehen: allein ich glau-
be nicht, daß sie es ohne ihre Mutter thun kann.

Und die ist geitziger als die Hölle. Meines Ab-
gesandtens Abgesandter, der alte ehrwürdige An-
ton,
hat der Mutter schon einen Winck gegeben,
der sie veranlassen wird, ein Auge auf das Geld
zu haben.

Hat


Meine Geliebte hat an ihre wunderliche Freun-
din geſchrieben. Jch glaube, daß alles ihr Un-
gluͤck, und alles was zwiſchen uns vorgefallen iſt,
in ihrem Briefe ſtehet. Wenn ſie ſo umſtaͤndlich
ſchreibet, als ich, ſo wird es ihr an artiger Ma-
terie nicht mangeln.

Jch wuͤrde nicht ſo grauſam ſeyn, daß ich den
alten Anton aufhetzte, die alte Mutter Howe
aufzuhetzen, wenn mir nicht vor den Folgen dieſes
Briefwechſels grauete. Dencke Bruder: zwey
Maͤdchens! das eine ſo lebhaft! das andere ſo vor-
ſichtig! beyde ſo verſchmitzt! Wer wollte nicht wuͤn-
ſchen, die betriegen zu koͤnnen, und ſie wie einen
Drath um ſeinen kleinen Finger zu winden.

Mein Kind hat an ſeine Schweſter geſchrieben,
und um Kleidung, und einiges Geld und Buͤcher
gebeten. Was hat es doch vor Buͤcher, dar-
aus es mehr lernen kann, als es ſchon weiß? Jch
wollte dem Maͤdchen noch etwas neues lernen! Bey
mir ſollte das loſe Ding in die Schule gehen!

Sie mag ſchreiben! Endlich wird ſich doch ihr
Hochmuth uͤberwinden muͤſſen, mir gute Worte
zu geben. Die Fraͤulein Howe wird ihr zwar
gern mit Geld an die Hand gehen: allein ich glau-
be nicht, daß ſie es ohne ihre Mutter thun kann.

Und die iſt geitziger als die Hoͤlle. Meines Ab-
geſandtens Abgeſandter, der alte ehrwuͤrdige An-
ton,
hat der Mutter ſchon einen Winck gegeben,
der ſie veranlaſſen wird, ein Auge auf das Geld
zu haben.

Hat
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0150" n="136"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Meine Geliebte hat an ihre wunderliche Freun-<lb/>
din ge&#x017F;chrieben. Jch glaube, daß alles ihr Un-<lb/>
glu&#x0364;ck, und alles was zwi&#x017F;chen uns vorgefallen i&#x017F;t,<lb/>
in ihrem Briefe &#x017F;tehet. Wenn &#x017F;ie &#x017F;o um&#x017F;ta&#x0364;ndlich<lb/>
&#x017F;chreibet, als ich, &#x017F;o wird es ihr an artiger Ma-<lb/>
terie nicht mangeln.</p><lb/>
          <p>Jch wu&#x0364;rde nicht &#x017F;o grau&#x017F;am &#x017F;eyn, daß ich den<lb/>
alten <hi rendition="#fr">Anton</hi> aufhetzte, die alte Mutter <hi rendition="#fr">Howe</hi><lb/>
aufzuhetzen, wenn mir nicht vor den Folgen die&#x017F;es<lb/>
Briefwech&#x017F;els grauete. Dencke Bruder: zwey<lb/>
Ma&#x0364;dchens! das eine &#x017F;o lebhaft! das andere &#x017F;o vor-<lb/>
&#x017F;ichtig! beyde &#x017F;o ver&#x017F;chmitzt! Wer wollte nicht wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;chen, die betriegen zu ko&#x0364;nnen, und &#x017F;ie wie einen<lb/>
Drath um &#x017F;einen kleinen Finger zu winden.</p><lb/>
          <p>Mein Kind hat an &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter ge&#x017F;chrieben,<lb/>
und um Kleidung, und einiges Geld und Bu&#x0364;cher<lb/>
gebeten. Was hat es doch vor Bu&#x0364;cher, dar-<lb/>
aus es mehr lernen kann, als es &#x017F;chon weiß? Jch<lb/>
wollte dem Ma&#x0364;dchen noch etwas neues lernen! Bey<lb/>
mir &#x017F;ollte das lo&#x017F;e Ding in die Schule gehen!</p><lb/>
          <p>Sie mag &#x017F;chreiben! Endlich wird &#x017F;ich doch ihr<lb/>
Hochmuth u&#x0364;berwinden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, mir gute Worte<lb/>
zu geben. Die Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#fr">Howe</hi> wird ihr zwar<lb/>
gern mit Geld an die Hand gehen: allein ich glau-<lb/>
be nicht, daß &#x017F;ie es ohne ihre Mutter thun kann.</p><lb/>
          <p>Und die i&#x017F;t geitziger als die Ho&#x0364;lle. Meines Ab-<lb/>
ge&#x017F;andtens Abge&#x017F;andter, der alte ehrwu&#x0364;rdige <hi rendition="#fr">An-<lb/>
ton,</hi> hat der Mutter &#x017F;chon einen Winck gegeben,<lb/>
der &#x017F;ie veranla&#x017F;&#x017F;en wird, ein Auge auf das Geld<lb/>
zu haben.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Hat</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0150] Meine Geliebte hat an ihre wunderliche Freun- din geſchrieben. Jch glaube, daß alles ihr Un- gluͤck, und alles was zwiſchen uns vorgefallen iſt, in ihrem Briefe ſtehet. Wenn ſie ſo umſtaͤndlich ſchreibet, als ich, ſo wird es ihr an artiger Ma- terie nicht mangeln. Jch wuͤrde nicht ſo grauſam ſeyn, daß ich den alten Anton aufhetzte, die alte Mutter Howe aufzuhetzen, wenn mir nicht vor den Folgen dieſes Briefwechſels grauete. Dencke Bruder: zwey Maͤdchens! das eine ſo lebhaft! das andere ſo vor- ſichtig! beyde ſo verſchmitzt! Wer wollte nicht wuͤn- ſchen, die betriegen zu koͤnnen, und ſie wie einen Drath um ſeinen kleinen Finger zu winden. Mein Kind hat an ſeine Schweſter geſchrieben, und um Kleidung, und einiges Geld und Buͤcher gebeten. Was hat es doch vor Buͤcher, dar- aus es mehr lernen kann, als es ſchon weiß? Jch wollte dem Maͤdchen noch etwas neues lernen! Bey mir ſollte das loſe Ding in die Schule gehen! Sie mag ſchreiben! Endlich wird ſich doch ihr Hochmuth uͤberwinden muͤſſen, mir gute Worte zu geben. Die Fraͤulein Howe wird ihr zwar gern mit Geld an die Hand gehen: allein ich glau- be nicht, daß ſie es ohne ihre Mutter thun kann. Und die iſt geitziger als die Hoͤlle. Meines Ab- geſandtens Abgeſandter, der alte ehrwuͤrdige An- ton, hat der Mutter ſchon einen Winck gegeben, der ſie veranlaſſen wird, ein Auge auf das Geld zu haben. Hat

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/150
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/150>, abgerufen am 21.11.2024.