Mein Vater steht in den Gedancken, daß er über sein Kind zu befehlen habe, und ist nicht geson- nen, sein Recht wegen einer Drohung fahren zu lassen. Allein was muß das für ein Kind seyn, das einen Taugenichts höher schätzt als seinen Vater?
Auf dieser Seite muß man den ganzen Streit ansehen. So lernt denn, roth zu werden, zärt- liches Kind, das schon durch die Worte des Poe- ten, Amor omnibus idem; beleidiget wird! Lernt roth zu werden, keusches Mädgen, voll jungfer- licher Blödigkeit: und wenn es noch möglich ist, daß Jhr Euch überzeugen laßt, so richtet Eu- ren Willen nach dem Willen derer, denen Jhr Euer Daseyn zu dancken habt, und bittet die Eu- rigen um Vergebung und Vergessung Eures bisherigen Ungehorsams.
Jch habe einen längern Brief an Euch ge- schrieben, als ich Anfangs vorhatte zu schreiben, nachdem Jhr mir so unhöflich begegnet seyd, und mich sogar der Ehre an Euch zu schreiben unwürdig erklärt habt. Jch habe Befehl, Euch noch zu melden, daß die Eurigen eben so überdrü- sig sind, Euch einzusperren, als Jhr seyn könnt, Euch einsperren zu lassen. Jhr müßt Euch dem- nach in Bereitschaft halten, der geschehenen An- deutung zufolge nach Eures Onckels Antons Wohnung zu reisen. Eure Furchsamkeit wird ihn nicht hindern die Zug-Brücke aufziehen zu lassen, so oft es ihm beliebet, und solche Gesell- schaft, als ihm gefällt, in seinem Hause zu haben:
ich
Die Geſchichte
Mein Vater ſteht in den Gedancken, daß er uͤber ſein Kind zu befehlen habe, und iſt nicht geſon- nen, ſein Recht wegen einer Drohung fahren zu laſſen. Allein was muß das fuͤr ein Kind ſeyn, das einen Taugenichts hoͤher ſchaͤtzt als ſeinen Vater?
Auf dieſer Seite muß man den ganzen Streit anſehen. So lernt denn, roth zu werden, zaͤrt- liches Kind, das ſchon durch die Worte des Poe- ten, Amor omnibus idem; beleidiget wird! Lernt roth zu werden, keuſches Maͤdgen, voll jungfer- licher Bloͤdigkeit: und wenn es noch moͤglich iſt, daß Jhr Euch uͤberzeugen laßt, ſo richtet Eu- ren Willen nach dem Willen derer, denen Jhr Euer Daſeyn zu dancken habt, und bittet die Eu- rigen um Vergebung und Vergeſſung Eures bisherigen Ungehorſams.
Jch habe einen laͤngern Brief an Euch ge- ſchrieben, als ich Anfangs vorhatte zu ſchreiben, nachdem Jhr mir ſo unhoͤflich begegnet ſeyd, und mich ſogar der Ehre an Euch zu ſchreiben unwuͤrdig erklaͤrt habt. Jch habe Befehl, Euch noch zu melden, daß die Eurigen eben ſo uͤberdruͤ- ſig ſind, Euch einzuſperren, als Jhr ſeyn koͤnnt, Euch einſperren zu laſſen. Jhr muͤßt Euch dem- nach in Bereitſchaft halten, der geſchehenen An- deutung zufolge nach Eures Onckels Antons Wohnung zu reiſen. Eure Furchſamkeit wird ihn nicht hindern die Zug-Bruͤcke aufziehen zu laſſen, ſo oft es ihm beliebet, und ſolche Geſell- ſchaft, als ihm gefaͤllt, in ſeinem Hauſe zu haben:
ich
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Die Geſchichte
Mein Vater ſteht in den Gedancken, daß er uͤber
ſein Kind zu befehlen habe, und iſt nicht geſon-
nen, ſein Recht wegen einer Drohung fahren zu
laſſen. Allein was muß das fuͤr ein Kind ſeyn,
das einen Taugenichts hoͤher ſchaͤtzt als ſeinen
Vater?
Auf dieſer Seite muß man den ganzen Streit
anſehen. So lernt denn, roth zu werden, zaͤrt-
liches Kind, das ſchon durch die Worte des Poe-
ten, Amor omnibus idem; beleidiget wird! Lernt
roth zu werden, keuſches Maͤdgen, voll jungfer-
licher Bloͤdigkeit: und wenn es noch moͤglich iſt,
daß Jhr Euch uͤberzeugen laßt, ſo richtet Eu-
ren Willen nach dem Willen derer, denen Jhr
Euer Daſeyn zu dancken habt, und bittet die Eu-
rigen um Vergebung und Vergeſſung Eures
bisherigen Ungehorſams.
Jch habe einen laͤngern Brief an Euch ge-
ſchrieben, als ich Anfangs vorhatte zu ſchreiben,
nachdem Jhr mir ſo unhoͤflich begegnet ſeyd,
und mich ſogar der Ehre an Euch zu ſchreiben
unwuͤrdig erklaͤrt habt. Jch habe Befehl, Euch
noch zu melden, daß die Eurigen eben ſo uͤberdruͤ-
ſig ſind, Euch einzuſperren, als Jhr ſeyn koͤnnt,
Euch einſperren zu laſſen. Jhr muͤßt Euch dem-
nach in Bereitſchaft halten, der geſchehenen An-
deutung zufolge nach Eures Onckels Antons
Wohnung zu reiſen. Eure Furchſamkeit wird
ihn nicht hindern die Zug-Bruͤcke aufziehen zu
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/60>, abgerufen am 24.11.2024.
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