Nach ihrem Onckle müssen Sie schlechter dings nicht reisen, wenn Sie es vermeiden können. Auch müssen Sie Herrn Solmes nicht nehmen, das ist ausgemacht. Es stehet nicht blos seine Unwürdigkeit im Wege, sondern auch dieses, daß Sie Jhre Abneigung von ihm schon gegen jedermann bezeuget haben, und alle es wissen und davon reden, daß Sie ihn nicht leiden kön- nen, und hingegen Herrn Lovelace zugethan sind. Sie müssen deswegen, um Jhrer Ehre willen, und damit Sie Unglück vermeiden mö- gen, entweder unverheyrathet bleiben, oder Herrn Lovelace nehmen.
Wenn Sie nach London zu gehen gedencken, so lassen Sie mich einige Nachricht davon haben. Jch hoffe, Sie werden so viel Zeit haben, mir zu erlauben, daß ich mit dafür sorgen darf, auf welche Art und Weise Jhre Flucht veranstaltet werden soll, und wie Sie eine bequeme und an- ständige Wohnung erhalten können.
Um diese Zeit zu gewinnen müssen Sie den Mantel etwas nach dem Winde hängen, und ei- nen Schein-Vertrag eingehen, wenn sonst kein Aufschub zu erhalten ist. Sie werden so in die Enge getrieben, daß es gewiß zu verwundern wäre, wenn Sie sich nicht entschliessen müsten, einige Kleinigkeiten in Jhrer Sitten-Lehre zu verleugnen.
Aus dem was ich geschrieben habe, werden Sie von selbst abnehmen, daß ich bey meiner Mutter nichts ausgerichtet habe.
Jch
B b 5
der Clariſſa.
Nach ihrem Onckle muͤſſen Sie ſchlechter dings nicht reiſen, wenn Sie es vermeiden koͤnnen. Auch muͤſſen Sie Herrn Solmes nicht nehmen, das iſt ausgemacht. Es ſtehet nicht blos ſeine Unwuͤrdigkeit im Wege, ſondern auch dieſes, daß Sie Jhre Abneigung von ihm ſchon gegen jedermann bezeuget haben, und alle es wiſſen und davon reden, daß Sie ihn nicht leiden koͤn- nen, und hingegen Herrn Lovelace zugethan ſind. Sie muͤſſen deswegen, um Jhrer Ehre willen, und damit Sie Ungluͤck vermeiden moͤ- gen, entweder unverheyrathet bleiben, oder Herrn Lovelace nehmen.
Wenn Sie nach London zu gehen gedencken, ſo laſſen Sie mich einige Nachricht davon haben. Jch hoffe, Sie werden ſo viel Zeit haben, mir zu erlauben, daß ich mit dafuͤr ſorgen darf, auf welche Art und Weiſe Jhre Flucht veranſtaltet werden ſoll, und wie Sie eine bequeme und an- ſtaͤndige Wohnung erhalten koͤnnen.
Um dieſe Zeit zu gewinnen muͤſſen Sie den Mantel etwas nach dem Winde haͤngen, und ei- nen Schein-Vertrag eingehen, wenn ſonſt kein Aufſchub zu erhalten iſt. Sie werden ſo in die Enge getrieben, daß es gewiß zu verwundern waͤre, wenn Sie ſich nicht entſchlieſſen muͤſten, einige Kleinigkeiten in Jhrer Sitten-Lehre zu verleugnen.
Aus dem was ich geſchrieben habe, werden Sie von ſelbſt abnehmen, daß ich bey meiner Mutter nichts ausgerichtet habe.
Jch
B b 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0399"n="393"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa</hi>.</hi></fw><lb/><p>Nach ihrem Onckle muͤſſen Sie ſchlechter dings<lb/>
nicht reiſen, wenn Sie es vermeiden koͤnnen.<lb/>
Auch muͤſſen Sie Herrn <hirendition="#fr">Solmes</hi> nicht nehmen,<lb/>
das iſt ausgemacht. Es ſtehet nicht blos ſeine<lb/>
Unwuͤrdigkeit im Wege, ſondern auch dieſes,<lb/>
daß Sie Jhre Abneigung von ihm ſchon gegen<lb/>
jedermann bezeuget haben, und alle es wiſſen<lb/>
und davon reden, daß Sie ihn nicht leiden koͤn-<lb/>
nen, und hingegen Herrn <hirendition="#fr">Lovelace</hi> zugethan<lb/>ſind. Sie muͤſſen deswegen, um Jhrer Ehre<lb/>
willen, und damit Sie Ungluͤck vermeiden moͤ-<lb/>
gen, entweder unverheyrathet bleiben, oder Herrn<lb/><hirendition="#fr">Lovelace</hi> nehmen.</p><lb/><p>Wenn Sie nach London zu gehen gedencken,<lb/>ſo laſſen Sie mich einige Nachricht davon haben.<lb/>
Jch hoffe, Sie werden ſo viel Zeit haben, mir<lb/>
zu erlauben, daß ich mit dafuͤr ſorgen darf, auf<lb/>
welche Art und Weiſe Jhre Flucht veranſtaltet<lb/>
werden ſoll, und wie Sie eine bequeme und an-<lb/>ſtaͤndige Wohnung erhalten koͤnnen.</p><lb/><p>Um dieſe Zeit zu gewinnen muͤſſen Sie den<lb/>
Mantel etwas nach dem Winde haͤngen, und ei-<lb/>
nen Schein-Vertrag eingehen, wenn ſonſt kein<lb/>
Aufſchub zu erhalten iſt. Sie werden ſo in die<lb/>
Enge getrieben, daß es gewiß zu verwundern<lb/>
waͤre, wenn Sie ſich nicht entſchlieſſen muͤſten,<lb/>
einige Kleinigkeiten in Jhrer Sitten-Lehre zu<lb/>
verleugnen.</p><lb/><p>Aus dem was ich geſchrieben habe, werden<lb/>
Sie von ſelbſt abnehmen, daß ich bey meiner<lb/>
Mutter nichts ausgerichtet habe.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">B b 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[393/0399]
der Clariſſa.
Nach ihrem Onckle muͤſſen Sie ſchlechter dings
nicht reiſen, wenn Sie es vermeiden koͤnnen.
Auch muͤſſen Sie Herrn Solmes nicht nehmen,
das iſt ausgemacht. Es ſtehet nicht blos ſeine
Unwuͤrdigkeit im Wege, ſondern auch dieſes,
daß Sie Jhre Abneigung von ihm ſchon gegen
jedermann bezeuget haben, und alle es wiſſen
und davon reden, daß Sie ihn nicht leiden koͤn-
nen, und hingegen Herrn Lovelace zugethan
ſind. Sie muͤſſen deswegen, um Jhrer Ehre
willen, und damit Sie Ungluͤck vermeiden moͤ-
gen, entweder unverheyrathet bleiben, oder Herrn
Lovelace nehmen.
Wenn Sie nach London zu gehen gedencken,
ſo laſſen Sie mich einige Nachricht davon haben.
Jch hoffe, Sie werden ſo viel Zeit haben, mir
zu erlauben, daß ich mit dafuͤr ſorgen darf, auf
welche Art und Weiſe Jhre Flucht veranſtaltet
werden ſoll, und wie Sie eine bequeme und an-
ſtaͤndige Wohnung erhalten koͤnnen.
Um dieſe Zeit zu gewinnen muͤſſen Sie den
Mantel etwas nach dem Winde haͤngen, und ei-
nen Schein-Vertrag eingehen, wenn ſonſt kein
Aufſchub zu erhalten iſt. Sie werden ſo in die
Enge getrieben, daß es gewiß zu verwundern
waͤre, wenn Sie ſich nicht entſchlieſſen muͤſten,
einige Kleinigkeiten in Jhrer Sitten-Lehre zu
verleugnen.
Aus dem was ich geſchrieben habe, werden
Sie von ſelbſt abnehmen, daß ich bey meiner
Mutter nichts ausgerichtet habe.
Jch
B b 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/399>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.