die Schuhe daran abwischen/ und uns ungezogene Leute einige Schritte vom Leibe halten.
Meine Mutter ward ungeduldig, und rieff: das ungezogene Mädchen. Allein mit ei- nem sanftern Ton: seyn Sie so gütig/ Herr Hickmann/ und nehmen sie Platz bey mir. Jch habe keine solche Thorheit in meiner Kleidung die sie abhält. Jch sahe ernsthaft aus, und freuete mich nur, daß sie dieses nicht zu Jhrem Onckle Anton sagte.
Meine Mutter hatte Lust mit einer Witwen- mäßigen Freymüthigkeit die Unterredung recht listig auf Sie zu lencken, und ich glaube, sie wollte ihm den Schluß Jhres letzten Brieffes zeigen, darin Sie seiner so sehr in Besten ge- dencken. So viel sagte sie: er habe der aller- liebsten Fräulein Harlowe mehr zu dan- cken/ als er dächte.
Jch fragte ihn darauf: was er neues von London hätte? Dis ist die gewöhnliche Frage, wenn ich die Materie der Unterredung gern ver- ändert sehen möchte: und er versteht sie auch schon. Jch bin deswegen mit ihm zu frieden, wenn er nur nicht weiter fortredet, ohngeachtet er meine Frage nicht beantwortet.
Jch mag meine Bitte nicht in seiner Gegen- wart anbringen, so lange ich nicht weiß, was meine Mutter darauf antworten wird. Denn wenn sie nicht geneigt ist, mein Verlangen zu erfüllen, so kan ich ihn noch immer gebrauchen,
sie
der Clariſſa.
die Schuhe daran abwiſchen/ und uns ungezogene Leute einige Schritte vom Leibe halten.
Meine Mutter ward ungeduldig, und rieff: das ungezogene Maͤdchen. Allein mit ei- nem ſanftern Ton: ſeyn Sie ſo guͤtig/ Herr Hickmann/ und nehmen ſie Platz bey mir. Jch habe keine ſolche Thorheit in meiner Kleidung die ſie abhaͤlt. Jch ſahe ernſthaft aus, und freuete mich nur, daß ſie dieſes nicht zu Jhrem Onckle Anton ſagte.
Meine Mutter hatte Luſt mit einer Witwen- maͤßigen Freymuͤthigkeit die Unterredung recht liſtig auf Sie zu lencken, und ich glaube, ſie wollte ihm den Schluß Jhres letzten Brieffes zeigen, darin Sie ſeiner ſo ſehr in Beſten ge- dencken. So viel ſagte ſie: er habe der aller- liebſten Fraͤulein Harlowe mehr zu dan- cken/ als er daͤchte.
Jch fragte ihn darauf: was er neues von London haͤtte? Dis iſt die gewoͤhnliche Frage, wenn ich die Materie der Unterredung gern ver- aͤndert ſehen moͤchte: und er verſteht ſie auch ſchon. Jch bin deswegen mit ihm zu frieden, wenn er nur nicht weiter fortredet, ohngeachtet er meine Frage nicht beantwortet.
Jch mag meine Bitte nicht in ſeiner Gegen- wart anbringen, ſo lange ich nicht weiß, was meine Mutter darauf antworten wird. Denn wenn ſie nicht geneigt iſt, mein Verlangen zu erfuͤllen, ſo kan ich ihn noch immer gebrauchen,
ſie
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der Clariſſa.
die Schuhe daran abwiſchen/ und uns
ungezogene Leute einige Schritte vom
Leibe halten.
Meine Mutter ward ungeduldig, und rieff:
das ungezogene Maͤdchen. Allein mit ei-
nem ſanftern Ton: ſeyn Sie ſo guͤtig/ Herr
Hickmann/ und nehmen ſie Platz bey mir.
Jch habe keine ſolche Thorheit in meiner
Kleidung die ſie abhaͤlt. Jch ſahe ernſthaft
aus, und freuete mich nur, daß ſie dieſes nicht
zu Jhrem Onckle Anton ſagte.
Meine Mutter hatte Luſt mit einer Witwen-
maͤßigen Freymuͤthigkeit die Unterredung recht
liſtig auf Sie zu lencken, und ich glaube, ſie
wollte ihm den Schluß Jhres letzten Brieffes
zeigen, darin Sie ſeiner ſo ſehr in Beſten ge-
dencken. So viel ſagte ſie: er habe der aller-
liebſten Fraͤulein Harlowe mehr zu dan-
cken/ als er daͤchte.
Jch fragte ihn darauf: was er neues von
London haͤtte? Dis iſt die gewoͤhnliche Frage,
wenn ich die Materie der Unterredung gern ver-
aͤndert ſehen moͤchte: und er verſteht ſie auch
ſchon. Jch bin deswegen mit ihm zu frieden,
wenn er nur nicht weiter fortredet, ohngeachtet
er meine Frage nicht beantwortet.
Jch mag meine Bitte nicht in ſeiner Gegen-
wart anbringen, ſo lange ich nicht weiß, was
meine Mutter darauf antworten wird. Denn
wenn ſie nicht geneigt iſt, mein Verlangen zu
erfuͤllen, ſo kan ich ihn noch immer gebrauchen,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/277>, abgerufen am 22.11.2024.
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