würden auf diese Unterreduug nicht so heftig ge- drungen haben, wenn sie keine Folgen davon erwarteten.
Jn meiner Antwort habe ich ihm geschrieben: "ich hätte den Vorsatz gefasset gehabt, keine Zeile "an einen Menschen zu schreiben, der sich unter- "stünde, mich und mein gantzes Geschlecht zu "tadeln, weil ich mich unterstanden hätte, mei- "nem eigenen Urtheil zu folgen.
Jch hätte mir die Unterredung mit Solmes "blos deswegen gefallen lassen, weil ich es für "meine Pflicht gehalten hätte, den Meinigen zu "zeigen, daß ich ihren Befehlen in allen thunli- "chen Sachen Folge leisten will. Jch hoffete, "wenn Herr Solmes meine unbewegliche "Standhaftigkeit sehen würde, so würde er von "einem Gesuch abstehen, welches mit meinem "Willen ohnmöglich erfüllet werden könnte.
"Mein Eckel vor Solmes sey so aufrichtig, "daß ich bey dieser Gelegenheit keinen Zweiffel "in meine Standhaftigkeit setzen dürfte. Er "müsse aber nicht dencken, daß ich Solmes aus "Zuneigung gegen ihn verwerfe. Wenn meine "Freunde mir erlauben wollten, nach meiner "Neigung zu handeln, so sey mir meine Frey- "heit so lieb, daß ich sie keinem so unbeugsamen "Manne aufzuopffern gedächte, der mir schon "zum voraus gezeiget hätte, was ich von ihm
zu
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der Clariſſa.
wuͤrden auf dieſe Unterreduug nicht ſo heftig ge- drungen haben, wenn ſie keine Folgen davon erwarteten.
Jn meiner Antwort habe ich ihm geſchrieben: „ich haͤtte den Vorſatz gefaſſet gehabt, keine Zeile „an einen Menſchen zu ſchreiben, der ſich unter- „ſtuͤnde, mich und mein gantzes Geſchlecht zu „tadeln, weil ich mich unterſtanden haͤtte, mei- „nem eigenen Urtheil zu folgen.
Jch haͤtte mir die Unterredung mit Solmes „blos deswegen gefallen laſſen, weil ich es fuͤr „meine Pflicht gehalten haͤtte, den Meinigen zu „zeigen, daß ich ihren Befehlen in allen thunli- „chen Sachen Folge leiſten will. Jch hoffete, „wenn Herr Solmes meine unbewegliche „Standhaftigkeit ſehen wuͤrde, ſo wuͤrde er von „einem Geſuch abſtehen, welches mit meinem „Willen ohnmoͤglich erfuͤllet werden koͤnnte.
„Mein Eckel vor Solmes ſey ſo aufrichtig, „daß ich bey dieſer Gelegenheit keinen Zweiffel „in meine Standhaftigkeit ſetzen duͤrfte. Er „muͤſſe aber nicht dencken, daß ich Solmes aus „Zuneigung gegen ihn verwerfe. Wenn meine „Freunde mir erlauben wollten, nach meiner „Neigung zu handeln, ſo ſey mir meine Frey- „heit ſo lieb, daß ich ſie keinem ſo unbeugſamen „Manne aufzuopffern gedaͤchte, der mir ſchon „zum voraus gezeiget haͤtte, was ich von ihm
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der Clariſſa.
wuͤrden auf dieſe Unterreduug nicht ſo heftig ge-
drungen haben, wenn ſie keine Folgen davon
erwarteten.
Jn meiner Antwort habe ich ihm geſchrieben:
„ich haͤtte den Vorſatz gefaſſet gehabt, keine Zeile
„an einen Menſchen zu ſchreiben, der ſich unter-
„ſtuͤnde, mich und mein gantzes Geſchlecht zu
„tadeln, weil ich mich unterſtanden haͤtte, mei-
„nem eigenen Urtheil zu folgen.
Jch haͤtte mir die Unterredung mit Solmes
„blos deswegen gefallen laſſen, weil ich es fuͤr
„meine Pflicht gehalten haͤtte, den Meinigen zu
„zeigen, daß ich ihren Befehlen in allen thunli-
„chen Sachen Folge leiſten will. Jch hoffete,
„wenn Herr Solmes meine unbewegliche
„Standhaftigkeit ſehen wuͤrde, ſo wuͤrde er von
„einem Geſuch abſtehen, welches mit meinem
„Willen ohnmoͤglich erfuͤllet werden koͤnnte.
„Mein Eckel vor Solmes ſey ſo aufrichtig,
„daß ich bey dieſer Gelegenheit keinen Zweiffel
„in meine Standhaftigkeit ſetzen duͤrfte. Er
„muͤſſe aber nicht dencken, daß ich Solmes aus
„Zuneigung gegen ihn verwerfe. Wenn meine
„Freunde mir erlauben wollten, nach meiner
„Neigung zu handeln, ſo ſey mir meine Frey-
„heit ſo lieb, daß ich ſie keinem ſo unbeugſamen
„Manne aufzuopffern gedaͤchte, der mir ſchon
„zum voraus gezeiget haͤtte, was ich von ihm
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/269>, abgerufen am 22.11.2024.
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