Wer ein solches Kind, das nicht aus dem Hause gekommen ist, und in dem nicht eine falsche Ader schlägt, hätte verführen wollen, der müßte noch gottloser gewesen seyn, als der Teufel selbst. Der Vater ist ein guter einfältiger Mann; und ist mit seiner Tochter und mit ihrer neuen Be- kantschaft recht wohl zufrieden.
Jch bin für Jhr Hertz besorgt, daß es allzu heftig schlagen möchte, wenn ich Jhnen melde, daß Lovelaces Liebe gegen dieses Mädchen in der That ein recht edle Liebe ist. Denn das zei- get sich, wenn man alles genau untersuchet.
Es soll nemlich das Mädchen die künftige Woche Hochzeit halten, und er hat die Sache befördern helfen. Er hat sich, wie des Kindes Vater erzählt, des Ausdrucks bedienet, er wol- le die Gelegenheit ergreiffen/ Ein Paar glücklich zu machen; und er wünschte nur, mehrere glücklich machen zu können. (Das geht auf Sie, Kind.) Weil er den jungen Menschen gern leiden mag, den sie lieb gewon- nen hat, so hat er ihr hundert Pfund geschenckt, welche die Groß-Mutter wircklich in Händen hat. Sie sollen dem Bräutigam gegen andere hundert Pfund verschrieben werden, die er mit bringt, und die ihm ein Anverwander geschenckt hat, um sich zu setzen. Herrn Lovelaces gu- ter Freund hat sich durch sein Exempel auch zur Freygebigkeit reitzen lassen, und hat dem Vater, der ein armer Mann ist, fünf und zwantzig Gui-
neas
Die Geſchichte
Wer ein ſolches Kind, das nicht aus dem Hauſe gekommen iſt, und in dem nicht eine falſche Ader ſchlaͤgt, haͤtte verfuͤhren wollen, der muͤßte noch gottloſer geweſen ſeyn, als der Teufel ſelbſt. Der Vater iſt ein guter einfaͤltiger Mann; und iſt mit ſeiner Tochter und mit ihrer neuen Be- kantſchaft recht wohl zufrieden.
Jch bin fuͤr Jhr Hertz beſorgt, daß es allzu heftig ſchlagen moͤchte, wenn ich Jhnen melde, daß Lovelaces Liebe gegen dieſes Maͤdchen in der That ein recht edle Liebe iſt. Denn das zei- get ſich, wenn man alles genau unterſuchet.
Es ſoll nemlich das Maͤdchen die kuͤnftige Woche Hochzeit halten, und er hat die Sache befoͤrdern helfen. Er hat ſich, wie des Kindes Vater erzaͤhlt, des Ausdrucks bedienet, er wol- le die Gelegenheit ergreiffen/ Ein Paar gluͤcklich zu machen; und er wuͤnſchte nur, mehrere gluͤcklich machen zu koͤnnen. (Das geht auf Sie, Kind.) Weil er den jungen Menſchen gern leiden mag, den ſie lieb gewon- nen hat, ſo hat er ihr hundert Pfund geſchenckt, welche die Groß-Mutter wircklich in Haͤnden hat. Sie ſollen dem Braͤutigam gegen andere hundert Pfund verſchrieben werden, die er mit bringt, und die ihm ein Anverwander geſchenckt hat, um ſich zu ſetzen. Herrn Lovelaces gu- ter Freund hat ſich durch ſein Exempel auch zur Freygebigkeit reitzen laſſen, und hat dem Vater, der ein armer Mann iſt, fuͤnf und zwantzig Gui-
neas
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0260"n="254"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/>
Wer ein ſolches Kind, das nicht aus dem Hauſe<lb/>
gekommen iſt, und in dem nicht eine falſche Ader<lb/>ſchlaͤgt, haͤtte verfuͤhren wollen, der muͤßte noch<lb/>
gottloſer geweſen ſeyn, als der Teufel ſelbſt.<lb/>
Der Vater iſt ein guter einfaͤltiger Mann; und<lb/>
iſt mit ſeiner Tochter und mit ihrer neuen Be-<lb/>
kantſchaft recht wohl zufrieden.</p><lb/><p>Jch bin fuͤr Jhr Hertz beſorgt, daß es allzu<lb/>
heftig ſchlagen moͤchte, wenn ich Jhnen melde,<lb/>
daß <hirendition="#fr">Lovelaces</hi> Liebe gegen dieſes Maͤdchen in<lb/>
der That ein recht edle Liebe iſt. Denn das zei-<lb/>
get ſich, wenn man alles genau unterſuchet.</p><lb/><p>Es ſoll nemlich das Maͤdchen die kuͤnftige<lb/>
Woche Hochzeit halten, und er hat die Sache<lb/>
befoͤrdern helfen. Er hat ſich, wie des Kindes<lb/>
Vater erzaͤhlt, des Ausdrucks bedienet, <hirendition="#fr">er wol-<lb/>
le die Gelegenheit ergreiffen/ Ein Paar<lb/>
gluͤcklich zu machen; und er wuͤnſchte<lb/>
nur, mehrere gluͤcklich machen zu koͤnnen.</hi><lb/>
(Das geht auf Sie, Kind.) Weil er den jungen<lb/>
Menſchen gern leiden mag, den ſie lieb gewon-<lb/>
nen hat, ſo hat er ihr hundert Pfund geſchenckt,<lb/>
welche die Groß-Mutter wircklich in Haͤnden<lb/>
hat. Sie ſollen dem Braͤutigam gegen andere<lb/>
hundert Pfund verſchrieben werden, die er mit<lb/>
bringt, und die ihm ein Anverwander geſchenckt<lb/>
hat, um ſich zu ſetzen. Herrn <hirendition="#fr">Lovelaces</hi> gu-<lb/>
ter Freund hat ſich durch ſein Exempel auch zur<lb/>
Freygebigkeit reitzen laſſen, und hat dem Vater,<lb/>
der ein armer Mann iſt, fuͤnf und zwantzig Gui-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">neas</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[254/0260]
Die Geſchichte
Wer ein ſolches Kind, das nicht aus dem Hauſe
gekommen iſt, und in dem nicht eine falſche Ader
ſchlaͤgt, haͤtte verfuͤhren wollen, der muͤßte noch
gottloſer geweſen ſeyn, als der Teufel ſelbſt.
Der Vater iſt ein guter einfaͤltiger Mann; und
iſt mit ſeiner Tochter und mit ihrer neuen Be-
kantſchaft recht wohl zufrieden.
Jch bin fuͤr Jhr Hertz beſorgt, daß es allzu
heftig ſchlagen moͤchte, wenn ich Jhnen melde,
daß Lovelaces Liebe gegen dieſes Maͤdchen in
der That ein recht edle Liebe iſt. Denn das zei-
get ſich, wenn man alles genau unterſuchet.
Es ſoll nemlich das Maͤdchen die kuͤnftige
Woche Hochzeit halten, und er hat die Sache
befoͤrdern helfen. Er hat ſich, wie des Kindes
Vater erzaͤhlt, des Ausdrucks bedienet, er wol-
le die Gelegenheit ergreiffen/ Ein Paar
gluͤcklich zu machen; und er wuͤnſchte
nur, mehrere gluͤcklich machen zu koͤnnen.
(Das geht auf Sie, Kind.) Weil er den jungen
Menſchen gern leiden mag, den ſie lieb gewon-
nen hat, ſo hat er ihr hundert Pfund geſchenckt,
welche die Groß-Mutter wircklich in Haͤnden
hat. Sie ſollen dem Braͤutigam gegen andere
hundert Pfund verſchrieben werden, die er mit
bringt, und die ihm ein Anverwander geſchenckt
hat, um ſich zu ſetzen. Herrn Lovelaces gu-
ter Freund hat ſich durch ſein Exempel auch zur
Freygebigkeit reitzen laſſen, und hat dem Vater,
der ein armer Mann iſt, fuͤnf und zwantzig Gui-
neas
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/260>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.