Wegen des Brieffes, den ich ohne Unter- schrifft an die Frau von Drayton geschrieben habe, muß ich nur melden, daß mir Frau Norton dabey geholffen hat. Jch habe es Jhnen damahls nicht gesagt, allein ich bekenne es hiemit, und ich bitte Sie, es Jhrer Frau Mutter zu sagen, damit sie nicht dencken mö- gen, daß ich mich unterstehe einer Person mit meinem Rath zu dienen, die dessen nicht benö- thigt ist, und damit ich desto weniger durch den harten aber doch gerechten Schluß, den sie bey meinem Brieffe gemacht hat, leiden, und mein Versehen nicht vergrössern möge. Denn dieses würde gewiß geschehen, wenn ich durch meine Aufführung einen guten Rath gleichsam beschämete, den ich gegeben haben soll.
Ehe ich auf das komme, was mich am näch- sten angehet, muß ich Jhnen die harten, die allzuharten Beschuldigungen verweisen, damit Sie meine Familie angreiffen, und den Mei- nigen ein sehr schlechtes Zeugniß der Tugend und Frömmigkeit geben. Jch wundere mich in der That über Sie. Bey einer andern Gele- legenheit, die weniger zu bedeuten hätte, würde ich nicht gethan haben, als wenn ich Jhre et- was lose Tadelsucht bemerckt hätte, nachdem ich Jhnen deshalb schon so oft vergeblich geschrieben habe. Allein so sehr mir auch mein eignes Un- glück zu Hertzen gehet, so kan ich doch ohne Verletzung meiner kindlichen Pflicht die Beschul- digung, die ich nicht gern von Wort zu Wort
wi-
Die Geſchichte
Wegen des Brieffes, den ich ohne Unter- ſchrifft an die Frau von Drayton geſchrieben habe, muß ich nur melden, daß mir Frau Norton dabey geholffen hat. Jch habe es Jhnen damahls nicht geſagt, allein ich bekenne es hiemit, und ich bitte Sie, es Jhrer Frau Mutter zu ſagen, damit ſie nicht dencken moͤ- gen, daß ich mich unterſtehe einer Perſon mit meinem Rath zu dienen, die deſſen nicht benoͤ- thigt iſt, und damit ich deſto weniger durch den harten aber doch gerechten Schluß, den ſie bey meinem Brieffe gemacht hat, leiden, und mein Verſehen nicht vergroͤſſern moͤge. Denn dieſes wuͤrde gewiß geſchehen, wenn ich durch meine Auffuͤhrung einen guten Rath gleichſam beſchaͤmete, den ich gegeben haben ſoll.
Ehe ich auf das komme, was mich am naͤch- ſten angehet, muß ich Jhnen die harten, die allzuharten Beſchuldigungen verweiſen, damit Sie meine Familie angreiffen, und den Mei- nigen ein ſehr ſchlechtes Zeugniß der Tugend und Froͤmmigkeit geben. Jch wundere mich in der That uͤber Sie. Bey einer andern Gele- legenheit, die weniger zu bedeuten haͤtte, wuͤrde ich nicht gethan haben, als wenn ich Jhre et- was loſe Tadelſucht bemerckt haͤtte, nachdem ich Jhnen deshalb ſchon ſo oft vergeblich geſchrieben habe. Allein ſo ſehr mir auch mein eignes Un- gluͤck zu Hertzen gehet, ſo kan ich doch ohne Verletzung meiner kindlichen Pflicht die Beſchul- digung, die ich nicht gern von Wort zu Wort
wi-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0138"n="132"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/><p>Wegen des Brieffes, den ich ohne Unter-<lb/>ſchrifft an die Frau von <hirendition="#fr">Drayton</hi> geſchrieben<lb/>
habe, muß ich nur melden, daß mir Frau<lb/><hirendition="#fr">Norton</hi> dabey geholffen hat. Jch habe es<lb/>
Jhnen damahls nicht geſagt, allein ich bekenne<lb/>
es hiemit, und ich bitte Sie, es Jhrer Frau<lb/>
Mutter zu ſagen, damit ſie nicht dencken moͤ-<lb/>
gen, daß ich mich unterſtehe einer Perſon mit<lb/>
meinem Rath zu dienen, die deſſen nicht benoͤ-<lb/>
thigt iſt, und damit ich deſto weniger durch<lb/>
den harten aber doch gerechten Schluß, den ſie<lb/>
bey meinem Brieffe gemacht hat, leiden, und<lb/>
mein Verſehen nicht vergroͤſſern moͤge. Denn<lb/>
dieſes wuͤrde gewiß geſchehen, wenn ich durch<lb/>
meine Auffuͤhrung einen guten Rath gleichſam<lb/>
beſchaͤmete, den ich gegeben haben ſoll.</p><lb/><p>Ehe ich auf das komme, was mich am naͤch-<lb/>ſten angehet, muß ich Jhnen die harten, die<lb/>
allzuharten Beſchuldigungen verweiſen, damit<lb/>
Sie meine Familie angreiffen, und den Mei-<lb/>
nigen ein ſehr ſchlechtes Zeugniß der Tugend<lb/>
und Froͤmmigkeit geben. Jch wundere mich in<lb/>
der That uͤber Sie. Bey einer andern Gele-<lb/>
legenheit, die weniger zu bedeuten haͤtte, wuͤrde<lb/>
ich nicht gethan haben, als wenn ich Jhre et-<lb/>
was loſe Tadelſucht bemerckt haͤtte, nachdem ich<lb/>
Jhnen deshalb ſchon ſo oft vergeblich geſchrieben<lb/>
habe. Allein ſo ſehr mir auch mein eignes Un-<lb/>
gluͤck zu Hertzen gehet, ſo kan ich doch ohne<lb/>
Verletzung meiner kindlichen Pflicht die Beſchul-<lb/>
digung, die ich nicht gern von Wort zu Wort<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wi-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[132/0138]
Die Geſchichte
Wegen des Brieffes, den ich ohne Unter-
ſchrifft an die Frau von Drayton geſchrieben
habe, muß ich nur melden, daß mir Frau
Norton dabey geholffen hat. Jch habe es
Jhnen damahls nicht geſagt, allein ich bekenne
es hiemit, und ich bitte Sie, es Jhrer Frau
Mutter zu ſagen, damit ſie nicht dencken moͤ-
gen, daß ich mich unterſtehe einer Perſon mit
meinem Rath zu dienen, die deſſen nicht benoͤ-
thigt iſt, und damit ich deſto weniger durch
den harten aber doch gerechten Schluß, den ſie
bey meinem Brieffe gemacht hat, leiden, und
mein Verſehen nicht vergroͤſſern moͤge. Denn
dieſes wuͤrde gewiß geſchehen, wenn ich durch
meine Auffuͤhrung einen guten Rath gleichſam
beſchaͤmete, den ich gegeben haben ſoll.
Ehe ich auf das komme, was mich am naͤch-
ſten angehet, muß ich Jhnen die harten, die
allzuharten Beſchuldigungen verweiſen, damit
Sie meine Familie angreiffen, und den Mei-
nigen ein ſehr ſchlechtes Zeugniß der Tugend
und Froͤmmigkeit geben. Jch wundere mich in
der That uͤber Sie. Bey einer andern Gele-
legenheit, die weniger zu bedeuten haͤtte, wuͤrde
ich nicht gethan haben, als wenn ich Jhre et-
was loſe Tadelſucht bemerckt haͤtte, nachdem ich
Jhnen deshalb ſchon ſo oft vergeblich geſchrieben
habe. Allein ſo ſehr mir auch mein eignes Un-
gluͤck zu Hertzen gehet, ſo kan ich doch ohne
Verletzung meiner kindlichen Pflicht die Beſchul-
digung, die ich nicht gern von Wort zu Wort
wi-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/138>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.