Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
Heftigkeit und Unbesonnenheit Schuld daran.
Jch fürchtete freylich, daß ihre Anmerckungen
von unglücklichen Ehen, die mit so vieler Hof-
nung eines beständigen Vergnügens angefangen
wären, nur allzuvielen Grund hätten. Allein
man könnte doch nicht leugnen, wenn gleich Kin-
der nicht alles reiflich überlegten, daß auch bis-
weilen die Eltern zu hart wären, und für ihre
Jugend, für ihre Neigungen und Unerfahren-
heit nicht die tragende Gedult bewiesen, die doch
ihre Eltern gegen sie selbst in ihren Jugend-
Jahren hätten beweisen müssen.

Jch setzte noch hinzu: ich erinnerte mich eines
Briefes, den Sie vor wenigen Monathen eben
um die Zeit, als Herr Wyerley Sie plagete,
an der Fräulein Drayton Mutter geschrieben
hätten, als diese in Gefahr stand, durch über-
mäßige Härte und Einschränckung ihre Tochter
zu der Uebereilung zu nöthigen, davon sie sie ab-
zuhalten wünschte. Sie hätten, (sagte ich) Jh-
ren Nahmen nicht unter den Brief gesetzt, son-
dern sich für ein Frauenzimmer ausgegeben, das
mehr Jahre hätte, und Bedencken trüge seinen
Nahmen zu nennen. Jch wüßte zum voraus
der Brief würde ihr gefallen.

Jch hohlte hierauf die Abschrift des Briefes,
die Sie mir damahls geneigt mitgetheilt haben,
und wollte nur das lesen, was zu meinem Zweck

diente:
H 5

der Clariſſa.
Heftigkeit und Unbeſonnenheit Schuld daran.
Jch fuͤrchtete freylich, daß ihre Anmerckungen
von ungluͤcklichen Ehen, die mit ſo vieler Hof-
nung eines beſtaͤndigen Vergnuͤgens angefangen
waͤren, nur allzuvielen Grund haͤtten. Allein
man koͤnnte doch nicht leugnen, wenn gleich Kin-
der nicht alles reiflich uͤberlegten, daß auch bis-
weilen die Eltern zu hart waͤren, und fuͤr ihre
Jugend, fuͤr ihre Neigungen und Unerfahren-
heit nicht die tragende Gedult bewieſen, die doch
ihre Eltern gegen ſie ſelbſt in ihren Jugend-
Jahren haͤtten beweiſen muͤſſen.

Jch ſetzte noch hinzu: ich erinnerte mich eines
Briefes, den Sie vor wenigen Monathen eben
um die Zeit, als Herr Wyerley Sie plagete,
an der Fraͤulein Drayton Mutter geſchrieben
haͤtten, als dieſe in Gefahr ſtand, durch uͤber-
maͤßige Haͤrte und Einſchraͤnckung ihre Tochter
zu der Uebereilung zu noͤthigen, davon ſie ſie ab-
zuhalten wuͤnſchte. Sie haͤtten, (ſagte ich) Jh-
ren Nahmen nicht unter den Brief geſetzt, ſon-
dern ſich fuͤr ein Frauenzimmer ausgegeben, das
mehr Jahre haͤtte, und Bedencken truͤge ſeinen
Nahmen zu nennen. Jch wuͤßte zum voraus
der Brief wuͤrde ihr gefallen.

Jch hohlte hierauf die Abſchrift des Briefes,
die Sie mir damahls geneigt mitgetheilt haben,
und wollte nur das leſen, was zu meinem Zweck

diente:
H 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0127" n="121"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a</hi>.</hi></fw><lb/>
Heftigkeit und Unbe&#x017F;onnenheit Schuld daran.<lb/>
Jch fu&#x0364;rchtete freylich, daß ihre Anmerckungen<lb/>
von unglu&#x0364;cklichen Ehen, die mit &#x017F;o vieler Hof-<lb/>
nung eines be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Vergnu&#x0364;gens angefangen<lb/>
wa&#x0364;ren, nur allzuvielen Grund ha&#x0364;tten. Allein<lb/>
man ko&#x0364;nnte doch nicht leugnen, wenn gleich Kin-<lb/>
der nicht alles reiflich u&#x0364;berlegten, daß auch bis-<lb/>
weilen die Eltern zu hart wa&#x0364;ren, und fu&#x0364;r ihre<lb/>
Jugend, fu&#x0364;r ihre Neigungen und Unerfahren-<lb/>
heit nicht die tragende Gedult bewie&#x017F;en, die doch<lb/>
ihre Eltern gegen &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t in ihren Jugend-<lb/>
Jahren ha&#x0364;tten bewei&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Jch &#x017F;etzte noch hinzu: ich erinnerte mich eines<lb/>
Briefes, den Sie vor wenigen Monathen eben<lb/>
um die Zeit, als Herr <hi rendition="#fr">Wyerley</hi> Sie plagete,<lb/>
an der Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#fr">Drayton</hi> Mutter ge&#x017F;chrieben<lb/>
ha&#x0364;tten, als die&#x017F;e in Gefahr &#x017F;tand, durch u&#x0364;ber-<lb/>
ma&#x0364;ßige Ha&#x0364;rte und Ein&#x017F;chra&#x0364;nckung ihre Tochter<lb/>
zu der Uebereilung zu no&#x0364;thigen, davon &#x017F;ie &#x017F;ie ab-<lb/>
zuhalten wu&#x0364;n&#x017F;chte. Sie ha&#x0364;tten, (&#x017F;agte ich) Jh-<lb/>
ren Nahmen nicht unter den Brief ge&#x017F;etzt, &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;ich fu&#x0364;r ein Frauenzimmer ausgegeben, das<lb/>
mehr Jahre ha&#x0364;tte, und Bedencken tru&#x0364;ge &#x017F;einen<lb/>
Nahmen zu nennen. Jch wu&#x0364;ßte zum voraus<lb/>
der Brief wu&#x0364;rde ihr gefallen.</p><lb/>
          <p>Jch hohlte hierauf die Ab&#x017F;chrift des Briefes,<lb/>
die Sie mir damahls geneigt mitgetheilt haben,<lb/>
und wollte nur das le&#x017F;en, was zu meinem Zweck<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 5</fw><fw place="bottom" type="catch">diente:</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0127] der Clariſſa. Heftigkeit und Unbeſonnenheit Schuld daran. Jch fuͤrchtete freylich, daß ihre Anmerckungen von ungluͤcklichen Ehen, die mit ſo vieler Hof- nung eines beſtaͤndigen Vergnuͤgens angefangen waͤren, nur allzuvielen Grund haͤtten. Allein man koͤnnte doch nicht leugnen, wenn gleich Kin- der nicht alles reiflich uͤberlegten, daß auch bis- weilen die Eltern zu hart waͤren, und fuͤr ihre Jugend, fuͤr ihre Neigungen und Unerfahren- heit nicht die tragende Gedult bewieſen, die doch ihre Eltern gegen ſie ſelbſt in ihren Jugend- Jahren haͤtten beweiſen muͤſſen. Jch ſetzte noch hinzu: ich erinnerte mich eines Briefes, den Sie vor wenigen Monathen eben um die Zeit, als Herr Wyerley Sie plagete, an der Fraͤulein Drayton Mutter geſchrieben haͤtten, als dieſe in Gefahr ſtand, durch uͤber- maͤßige Haͤrte und Einſchraͤnckung ihre Tochter zu der Uebereilung zu noͤthigen, davon ſie ſie ab- zuhalten wuͤnſchte. Sie haͤtten, (ſagte ich) Jh- ren Nahmen nicht unter den Brief geſetzt, ſon- dern ſich fuͤr ein Frauenzimmer ausgegeben, das mehr Jahre haͤtte, und Bedencken truͤge ſeinen Nahmen zu nennen. Jch wuͤßte zum voraus der Brief wuͤrde ihr gefallen. Jch hohlte hierauf die Abſchrift des Briefes, die Sie mir damahls geneigt mitgetheilt haben, und wollte nur das leſen, was zu meinem Zweck diente: H 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/127
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/127>, abgerufen am 24.11.2024.