Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
ohnmöglich ernsthaft dabey zu bleiben, und die
Sache leidet auch meiner Meynung nach, keine
Ernsthaftigkeit. Wir sind noch bisher nie so weit
mit einander gekommen: falls es ia jemahls ge-
schehn soll. Jndessen schicket sich doch zu meiner
Bekümmerniß für Sie keine andere, als eine ernst-
hafte Schreib-Art.



Hier mußte ich um des guten Mannes willen
abbrechen. Er hat meiner Mutter 2. Stunden
lang aufgewartet, und geschmeichelt, wie ich glau-
be, um die Tochter zu haben. Bey ihr braucht
es keine Schmeicheleyen. Es ist gut, daß er sich
bey einer von beyden Mühe geben muß, sonst
würde er lauter Freuden-Tage haben, und daher
nachläßig, und endlich gar trotzig werden.

Er wolte abreisen. Die Pferde stunden schon
vor der Thür. Meine Mutter ließ mich herab rufen.
unter dem Vorwande, Sie habe mir etwas zu sagen.
Als ich kam, sagte Sie mir einiges Nichts. Es
war klar, Sie hatte mich aus keiner andern Absicht
rufen lassen, als daß ich seinen schönen Bückling
sehen, und von seinem Wunsch eine gute Nacht
annehmen möchte. Sie weiß, daß ich nicht über-
mäßig willig bin, ihm mit meiner Gegenwart zu
dienen, wenn ich mich irgends sonst wo beschäfti-
gen kann. Jch hatte mein Gesicht nicht so sehr in
meiner Gewalt, daß ich nicht hätte sollen etwas
verdrießliches blicken lassen, als ich sahe, daß sie
nichts zu sagen hatte, und ich ihre Absicht errieth.

Sie

Die Geſchichte
ohnmoͤglich ernſthaft dabey zu bleiben, und die
Sache leidet auch meiner Meynung nach, keine
Ernſthaftigkeit. Wir ſind noch bisher nie ſo weit
mit einander gekommen: falls es ia jemahls ge-
ſchehn ſoll. Jndeſſen ſchicket ſich doch zu meiner
Bekuͤmmerniß fuͤr Sie keine andere, als eine ernſt-
hafte Schreib-Art.



Hier mußte ich um des guten Mannes willen
abbrechen. Er hat meiner Mutter 2. Stunden
lang aufgewartet, und geſchmeichelt, wie ich glau-
be, um die Tochter zu haben. Bey ihr braucht
es keine Schmeicheleyen. Es iſt gut, daß er ſich
bey einer von beyden Muͤhe geben muß, ſonſt
wuͤrde er lauter Freuden-Tage haben, und daher
nachlaͤßig, und endlich gar trotzig werden.

Er wolte abreiſen. Die Pferde ſtunden ſchon
vor der Thuͤr. Meine Mutter ließ mich herab rufen.
unter dem Vorwande, Sie habe mir etwas zu ſagẽ.
Als ich kam, ſagte Sie mir einiges Nichts. Es
war klar, Sie hatte mich aus keiner andern Abſicht
rufen laſſen, als daß ich ſeinen ſchoͤnen Buͤckling
ſehen, und von ſeinem Wunſch eine gute Nacht
annehmen moͤchte. Sie weiß, daß ich nicht uͤber-
maͤßig willig bin, ihm mit meiner Gegenwart zu
dienen, wenn ich mich irgends ſonſt wo beſchaͤfti-
gen kann. Jch hatte mein Geſicht nicht ſo ſehr in
meiner Gewalt, daß ich nicht haͤtte ſollen etwas
verdrießliches blicken laſſen, als ich ſahe, daß ſie
nichts zu ſagen hatte, und ich ihre Abſicht errieth.

Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0012" n="6"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
ohnmo&#x0364;glich ern&#x017F;thaft dabey zu bleiben, und die<lb/>
Sache leidet auch meiner Meynung nach, keine<lb/>
Ern&#x017F;thaftigkeit. Wir &#x017F;ind noch bisher nie &#x017F;o weit<lb/>
mit einander gekommen: falls es ia jemahls ge-<lb/>
&#x017F;chehn &#x017F;oll. Jnde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chicket &#x017F;ich doch zu meiner<lb/>
Beku&#x0364;mmerniß fu&#x0364;r Sie keine andere, als eine ern&#x017F;t-<lb/>
hafte Schreib-Art.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Hier mußte ich um des guten Mannes willen<lb/>
abbrechen. Er hat meiner Mutter 2. Stunden<lb/>
lang aufgewartet, und ge&#x017F;chmeichelt, wie ich glau-<lb/>
be, um die Tochter zu haben. Bey ihr braucht<lb/>
es keine Schmeicheleyen. Es i&#x017F;t gut, daß er &#x017F;ich<lb/>
bey einer von beyden Mu&#x0364;he geben muß, &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
wu&#x0364;rde er lauter Freuden-Tage haben, und daher<lb/>
nachla&#x0364;ßig, und endlich gar trotzig werden.</p><lb/>
          <p>Er wolte abrei&#x017F;en. Die Pferde &#x017F;tunden &#x017F;chon<lb/>
vor der Thu&#x0364;r. Meine Mutter ließ mich herab rufen.<lb/>
unter dem Vorwande, Sie habe mir etwas zu &#x017F;age&#x0303;.<lb/>
Als ich kam, &#x017F;agte Sie mir einiges <hi rendition="#fr">Nichts.</hi> Es<lb/>
war klar, Sie hatte mich aus keiner andern Ab&#x017F;icht<lb/>
rufen la&#x017F;&#x017F;en, als daß ich &#x017F;einen &#x017F;cho&#x0364;nen Bu&#x0364;ckling<lb/>
&#x017F;ehen, und von &#x017F;einem Wun&#x017F;ch eine gute Nacht<lb/>
annehmen mo&#x0364;chte. Sie weiß, daß ich nicht u&#x0364;ber-<lb/>
ma&#x0364;ßig willig bin, ihm mit meiner Gegenwart zu<lb/>
dienen, wenn ich mich irgends &#x017F;on&#x017F;t wo be&#x017F;cha&#x0364;fti-<lb/>
gen kann. Jch hatte mein Ge&#x017F;icht nicht &#x017F;o &#x017F;ehr in<lb/>
meiner Gewalt, daß ich nicht ha&#x0364;tte &#x017F;ollen etwas<lb/>
verdrießliches blicken la&#x017F;&#x017F;en, als ich &#x017F;ahe, daß &#x017F;ie<lb/>
nichts zu &#x017F;agen hatte, und ich ihre Ab&#x017F;icht errieth.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0012] Die Geſchichte ohnmoͤglich ernſthaft dabey zu bleiben, und die Sache leidet auch meiner Meynung nach, keine Ernſthaftigkeit. Wir ſind noch bisher nie ſo weit mit einander gekommen: falls es ia jemahls ge- ſchehn ſoll. Jndeſſen ſchicket ſich doch zu meiner Bekuͤmmerniß fuͤr Sie keine andere, als eine ernſt- hafte Schreib-Art. Hier mußte ich um des guten Mannes willen abbrechen. Er hat meiner Mutter 2. Stunden lang aufgewartet, und geſchmeichelt, wie ich glau- be, um die Tochter zu haben. Bey ihr braucht es keine Schmeicheleyen. Es iſt gut, daß er ſich bey einer von beyden Muͤhe geben muß, ſonſt wuͤrde er lauter Freuden-Tage haben, und daher nachlaͤßig, und endlich gar trotzig werden. Er wolte abreiſen. Die Pferde ſtunden ſchon vor der Thuͤr. Meine Mutter ließ mich herab rufen. unter dem Vorwande, Sie habe mir etwas zu ſagẽ. Als ich kam, ſagte Sie mir einiges Nichts. Es war klar, Sie hatte mich aus keiner andern Abſicht rufen laſſen, als daß ich ſeinen ſchoͤnen Buͤckling ſehen, und von ſeinem Wunſch eine gute Nacht annehmen moͤchte. Sie weiß, daß ich nicht uͤber- maͤßig willig bin, ihm mit meiner Gegenwart zu dienen, wenn ich mich irgends ſonſt wo beſchaͤfti- gen kann. Jch hatte mein Geſicht nicht ſo ſehr in meiner Gewalt, daß ich nicht haͤtte ſollen etwas verdrießliches blicken laſſen, als ich ſahe, daß ſie nichts zu ſagen hatte, und ich ihre Abſicht errieth. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/12
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/12>, abgerufen am 21.11.2024.