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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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ner zu treffenden Wahl auf das äussere und auf
die Gestalt sehen müsse. Jch will die Frage erst
überhaupt, und denn insonderheit in Absicht auf
Herrn Lovelacen beantworten. Sie werden hier-
aus abnehmen können, ob meine Freunde Recht
oder Unrecht haben, wenn sie mir ein Vorurtheil
zum Vortheil des einen und zum Nachtheil des
andern vorwerfen, welches sich auf die Gestalt der
beyden Freyer gründet. Allein die Anmerckung
muß voran gehen: wenn die Meinigen selbst Lo-
velacen
und Solmesen mit einander vergleichen,
so finden sie allzustarcken Grund zu glauben, daß
die Gestalt beyder einen Eindruck bey mir machen
könnte: und hieraus schliessen sie, daß sie würcklich
einen Eindruck gemacht habe.

Es erhält zum wenigsten die Wahl eines Frau-
enzimmers den Beyfall der meisten Leute, und ge-
reicht dem Frauenzimmer zur Ehre, wenn sich bey
der gewählten Manns-Person auch eine angeneh-
me Gestalt findet. Die Gestalt giebt uns ein gu-
tes Vorurtheil von dem Jnneren der Person, das
man richtig zu befinden wünschet: und wenn die-
ses Vorurtheil bekräftiget wird, so freuen wir uns,
daß unser Urtheil richtig gewesen ist, und die Per-
son gefällt uns eben deswegen desto besser, weil sie
unserer Geschicklichkeit, in dem Gesichte das Ge-
müth zu lesen, zum Ruhm gereicht. Dem ohnge-
achtet habe ich mir die Regel gemacht, auf allzu
schöne Gesichter beyder Geschlechter einen Ver-
dacht zu werfen: und ich habe mich nicht leicht in die-
ser Regel betrogen, insonderheit bey dem andern Ge-

schlecht,

der Clariſſa.
ner zu treffenden Wahl auf das aͤuſſere und auf
die Geſtalt ſehen muͤſſe. Jch will die Frage erſt
uͤberhaupt, und denn inſonderheit in Abſicht auf
Herrn Lovelacen beantworten. Sie werden hier-
aus abnehmen koͤnnen, ob meine Freunde Recht
oder Unrecht haben, wenn ſie mir ein Vorurtheil
zum Vortheil des einen und zum Nachtheil des
andern vorwerfen, welches ſich auf die Geſtalt der
beyden Freyer gruͤndet. Allein die Anmerckung
muß voran gehen: wenn die Meinigen ſelbſt Lo-
velacen
und Solmeſen mit einander vergleichen,
ſo finden ſie allzuſtarcken Grund zu glauben, daß
die Geſtalt beyder einen Eindruck bey mir machen
koͤnnte: und hieraus ſchlieſſen ſie, daß ſie wuͤrcklich
einen Eindruck gemacht habe.

Es erhaͤlt zum wenigſten die Wahl eines Frau-
enzimmers den Beyfall der meiſten Leute, und ge-
reicht dem Frauenzimmer zur Ehre, wenn ſich bey
der gewaͤhlten Manns-Perſon auch eine angeneh-
me Geſtalt findet. Die Geſtalt giebt uns ein gu-
tes Vorurtheil von dem Jnneren der Perſon, das
man richtig zu befinden wuͤnſchet: und wenn die-
ſes Vorurtheil bekraͤftiget wird, ſo freuen wir uns,
daß unſer Urtheil richtig geweſen iſt, und die Per-
ſon gefaͤllt uns eben deswegen deſto beſſer, weil ſie
unſerer Geſchicklichkeit, in dem Geſichte das Ge-
muͤth zu leſen, zum Ruhm gereicht. Dem ohnge-
achtet habe ich mir die Regel gemacht, auf allzu
ſchoͤne Geſichter beyder Geſchlechter einen Ver-
dacht zu werfen: und ich habe mich nicht leicht in die-
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[461/0481] der Clariſſa. ner zu treffenden Wahl auf das aͤuſſere und auf die Geſtalt ſehen muͤſſe. Jch will die Frage erſt uͤberhaupt, und denn inſonderheit in Abſicht auf Herrn Lovelacen beantworten. Sie werden hier- aus abnehmen koͤnnen, ob meine Freunde Recht oder Unrecht haben, wenn ſie mir ein Vorurtheil zum Vortheil des einen und zum Nachtheil des andern vorwerfen, welches ſich auf die Geſtalt der beyden Freyer gruͤndet. Allein die Anmerckung muß voran gehen: wenn die Meinigen ſelbſt Lo- velacen und Solmeſen mit einander vergleichen, ſo finden ſie allzuſtarcken Grund zu glauben, daß die Geſtalt beyder einen Eindruck bey mir machen koͤnnte: und hieraus ſchlieſſen ſie, daß ſie wuͤrcklich einen Eindruck gemacht habe. Es erhaͤlt zum wenigſten die Wahl eines Frau- enzimmers den Beyfall der meiſten Leute, und ge- reicht dem Frauenzimmer zur Ehre, wenn ſich bey der gewaͤhlten Manns-Perſon auch eine angeneh- me Geſtalt findet. Die Geſtalt giebt uns ein gu- tes Vorurtheil von dem Jnneren der Perſon, das man richtig zu befinden wuͤnſchet: und wenn die- ſes Vorurtheil bekraͤftiget wird, ſo freuen wir uns, daß unſer Urtheil richtig geweſen iſt, und die Per- ſon gefaͤllt uns eben deswegen deſto beſſer, weil ſie unſerer Geſchicklichkeit, in dem Geſichte das Ge- muͤth zu leſen, zum Ruhm gereicht. Dem ohnge- achtet habe ich mir die Regel gemacht, auf allzu ſchoͤne Geſichter beyder Geſchlechter einen Ver- dacht zu werfen: und ich habe mich nicht leicht in die- ſer Regel betrogen, inſonderheit bey dem andern Ge- ſchlecht,

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/481>, abgerufen am 27.11.2024.