denen rächen, die mich beschimpft haben: allein ich wollte, wo möglich, mir selbst das Hertz aus dem Leibe reissen, wenn es sich noch einen Augenblick bedächte, von einem Frauenzimmer das so wäh- len könnte auf ewig abzulassen.
Jch sagte ihm, er nähme jetzt eine sehr hohe Sprache an. Er könnte versichert seyn, daß ich Herrn Solmes nie nehmen würde, allein dieses sagte ich nicht aus Gefälligkeit gegen ihn. Jch hät- te mich schon eben so gegen meine Verwanten mit dem Zusatz erkläret, daß dieses mein vester Ent- schluß seyn würde, wenn auch kein Lovelace in der Welt wäre.
Wollen Sie mir versprechen (antwortete er hierauf) daß Sie mich noch ferner mit Jhrem Briefwechsel beehren wollen? Jch kann mich ohn- möglich darein schicken, daß, da ich eben einen stärckern Beweiß Jhrer Gütigkeit gegen mich zu erbitten hoffe, ich den eintzigen Beweiß, den ich je davon gehabt habe, verlieren soll.
Jch sagte: er möchte sich durch die Rachgier gegen meine Familie nicht übereilen lassen: so wollte ich wenigstens einige Zeit, bis ich das En- de der Sachen sähe, einen Briefwechsel fortsetzen, den mein Hertz verdammete. - - -
Und meins mich auch (fiel mir der dreiste Mensch in die Rede) daß ich das dulde, was ich dulde. Denn nicht Sie setzen mich in die Noth- wendigkeit, es zu dulden; sonst wollte ich das und tausendmahl mehr mit Freuden erdulden: son- dern Leute - - - Hier hielt er ein.
Jch
Die Geſchichte
denen raͤchen, die mich beſchimpft haben: allein ich wollte, wo moͤglich, mir ſelbſt das Hertz aus dem Leibe reiſſen, wenn es ſich noch einen Augenblick bedaͤchte, von einem Frauenzimmer das ſo waͤh- len koͤnnte auf ewig abzulaſſen.
Jch ſagte ihm, er naͤhme jetzt eine ſehr hohe Sprache an. Er koͤnnte verſichert ſeyn, daß ich Herrn Solmes nie nehmen wuͤrde, allein dieſes ſagte ich nicht aus Gefaͤlligkeit gegen ihn. Jch haͤt- te mich ſchon eben ſo gegen meine Verwanten mit dem Zuſatz erklaͤret, daß dieſes mein veſter Ent- ſchluß ſeyn wuͤrde, wenn auch kein Lovelace in der Welt waͤre.
Wollen Sie mir verſprechen (antwortete er hierauf) daß Sie mich noch ferner mit Jhrem Briefwechſel beehren wollen? Jch kann mich ohn- moͤglich darein ſchicken, daß, da ich eben einen ſtaͤrckern Beweiß Jhrer Guͤtigkeit gegen mich zu erbitten hoffe, ich den eintzigen Beweiß, den ich je davon gehabt habe, verlieren ſoll.
Jch ſagte: er moͤchte ſich durch die Rachgier gegen meine Familie nicht uͤbereilen laſſen: ſo wollte ich wenigſtens einige Zeit, bis ich das En- de der Sachen ſaͤhe, einen Briefwechſel fortſetzen, den mein Hertz verdammete. ‒ ‒ ‒
Und meins mich auch (fiel mir der dreiſte Menſch in die Rede) daß ich das dulde, was ich dulde. Denn nicht Sie ſetzen mich in die Noth- wendigkeit, es zu dulden; ſonſt wollte ich das und tauſendmahl mehr mit Freuden erdulden: ſon- dern Leute ‒ ‒ ‒ Hier hielt er ein.
Jch
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0434"n="414"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/>
denen raͤchen, die mich beſchimpft haben: allein ich<lb/>
wollte, wo moͤglich, mir ſelbſt das Hertz aus dem<lb/>
Leibe reiſſen, wenn es ſich noch einen Augenblick<lb/>
bedaͤchte, von einem Frauenzimmer das ſo waͤh-<lb/>
len koͤnnte auf ewig abzulaſſen.</p><lb/><p>Jch ſagte ihm, er naͤhme jetzt eine ſehr hohe<lb/>
Sprache an. Er koͤnnte verſichert ſeyn, daß ich<lb/>
Herrn <hirendition="#fr">Solmes</hi> nie nehmen wuͤrde, allein dieſes<lb/>ſagte ich nicht aus Gefaͤlligkeit gegen ihn. Jch haͤt-<lb/>
te mich ſchon eben ſo gegen meine Verwanten mit<lb/>
dem Zuſatz erklaͤret, daß dieſes mein veſter Ent-<lb/>ſchluß ſeyn wuͤrde, wenn auch kein <hirendition="#fr">Lovelace</hi> in der<lb/>
Welt waͤre.</p><lb/><p>Wollen Sie mir verſprechen (antwortete er<lb/>
hierauf) daß Sie mich noch ferner mit Jhrem<lb/>
Briefwechſel beehren wollen? Jch kann mich ohn-<lb/>
moͤglich darein ſchicken, daß, da ich eben einen<lb/>ſtaͤrckern Beweiß Jhrer Guͤtigkeit gegen mich zu<lb/>
erbitten hoffe, ich den eintzigen Beweiß, den ich<lb/>
je davon gehabt habe, verlieren ſoll.</p><lb/><p>Jch ſagte: er moͤchte ſich durch die Rachgier<lb/>
gegen meine Familie nicht uͤbereilen laſſen: ſo<lb/>
wollte ich wenigſtens einige Zeit, bis ich das En-<lb/>
de der Sachen ſaͤhe, einen Briefwechſel fortſetzen,<lb/>
den mein Hertz verdammete. ‒‒‒</p><lb/><p>Und meins mich auch (fiel mir der dreiſte<lb/>
Menſch in die Rede) daß ich das dulde, was ich<lb/>
dulde. Denn nicht Sie ſetzen mich in die Noth-<lb/>
wendigkeit, es zu dulden; ſonſt wollte ich das und<lb/>
tauſendmahl mehr mit Freuden erdulden: ſon-<lb/>
dern Leute ‒‒‒ Hier hielt er ein.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[414/0434]
Die Geſchichte
denen raͤchen, die mich beſchimpft haben: allein ich
wollte, wo moͤglich, mir ſelbſt das Hertz aus dem
Leibe reiſſen, wenn es ſich noch einen Augenblick
bedaͤchte, von einem Frauenzimmer das ſo waͤh-
len koͤnnte auf ewig abzulaſſen.
Jch ſagte ihm, er naͤhme jetzt eine ſehr hohe
Sprache an. Er koͤnnte verſichert ſeyn, daß ich
Herrn Solmes nie nehmen wuͤrde, allein dieſes
ſagte ich nicht aus Gefaͤlligkeit gegen ihn. Jch haͤt-
te mich ſchon eben ſo gegen meine Verwanten mit
dem Zuſatz erklaͤret, daß dieſes mein veſter Ent-
ſchluß ſeyn wuͤrde, wenn auch kein Lovelace in der
Welt waͤre.
Wollen Sie mir verſprechen (antwortete er
hierauf) daß Sie mich noch ferner mit Jhrem
Briefwechſel beehren wollen? Jch kann mich ohn-
moͤglich darein ſchicken, daß, da ich eben einen
ſtaͤrckern Beweiß Jhrer Guͤtigkeit gegen mich zu
erbitten hoffe, ich den eintzigen Beweiß, den ich
je davon gehabt habe, verlieren ſoll.
Jch ſagte: er moͤchte ſich durch die Rachgier
gegen meine Familie nicht uͤbereilen laſſen: ſo
wollte ich wenigſtens einige Zeit, bis ich das En-
de der Sachen ſaͤhe, einen Briefwechſel fortſetzen,
den mein Hertz verdammete. ‒ ‒ ‒
Und meins mich auch (fiel mir der dreiſte
Menſch in die Rede) daß ich das dulde, was ich
dulde. Denn nicht Sie ſetzen mich in die Noth-
wendigkeit, es zu dulden; ſonſt wollte ich das und
tauſendmahl mehr mit Freuden erdulden: ſon-
dern Leute ‒ ‒ ‒ Hier hielt er ein.
Jch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/434>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.