Erwacht sein Grimm: er brüllt: sein Brüllen ist die That: Erhitzt, berauscht von Muth, von sei- nes Mörders Strafe Durchstreicht er unversehrt ein wehrlos Volck der Schaafe, Sein Königlicher Zorn kühlt sich an edlerm Blut.
Der sechs und dreyßigste Brief von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe.
Vonnabend Abends den 18. Märtz.
Jch bin vor Schrecken außer mir; und ich kann noch nicht wieder zu Athem kommen. Die Ursache ist diese. Jch ging unter dem ge- wöhnlichen Vorwand hinunter und hoffte etwas von Jhnen zu finden. Es that mir Leyd, daß ich mich betrogen sehen mußte; und als ich aus dem Holtz-Stall zurück ging so hörte ich ein Geräusch, als wenn jemand hinter dem Holtz versteckt wä- re. Jch wunderte mich ungemein, als jemand hinter dem Holtze hervor kam. Ach! dachte ich so gleich: das ist die Frucht des verbotenen Brief- wechsels.
So bald ich ihn sahe, bat er mich, ich möchte mich nicht erschrecken. Als er näher kam so er- öffnete sich ein Ueberrock von einem Pferde- Knecht: und wer meinen Sie, wer steckte darin, als Herr Lovelace? Jch wollte ruffen, sobald ich
sahe,
der Clariſſa.
Erwacht ſein Grimm: er bruͤllt: ſein Bruͤllen iſt die That: Erhitzt, berauſcht von Muth, von ſei- nes Moͤrders Strafe Durchſtreicht er unverſehrt ein wehrlos Volck der Schaafe, Sein Koͤniglicher Zorn kuͤhlt ſich an edlerm Blut.
Der ſechs und dreyßigſte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.
Vonnabend Abends den 18. Maͤrtz.
Jch bin vor Schrecken außer mir; und ich kann noch nicht wieder zu Athem kommen. Die Urſache iſt dieſe. Jch ging unter dem ge- woͤhnlichen Vorwand hinunter und hoffte etwas von Jhnen zu finden. Es that mir Leyd, daß ich mich betrogen ſehen mußte; und als ich aus dem Holtz-Stall zuruͤck ging ſo hoͤrte ich ein Geraͤuſch, als wenn jemand hinter dem Holtz verſteckt waͤ- re. Jch wunderte mich ungemein, als jemand hinter dem Holtze hervor kam. Ach! dachte ich ſo gleich: das iſt die Frucht des verbotenen Brief- wechſels.
So bald ich ihn ſahe, bat er mich, ich moͤchte mich nicht erſchrecken. Als er naͤher kam ſo er- oͤffnete ſich ein Ueberrock von einem Pferde- Knecht: und wer meinen Sie, wer ſteckte darin, als Herr Lovelace? Jch wollte ruffen, ſobald ich
ſahe,
<TEI><text><body><divn="2"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0417"n="397"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa.</hi></hi></fw><lb/><l><hirendition="#fr">Erwacht ſein Grimm: er bruͤllt: ſein</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr"><hirendition="#et">Bruͤllen iſt die That:</hi></hi></l><lb/><l><hirendition="#et">Erhitzt, berauſcht von Muth, von ſei-</hi></l><lb/><l><hirendition="#et"><hirendition="#et">nes Moͤrders Strafe</hi></hi></l><lb/><l><hirendition="#et">Durchſtreicht er unverſehrt ein wehrlos</hi></l><lb/><l><hirendition="#et"><hirendition="#et">Volck der Schaafe,</hi></hi></l><lb/><l><hirendition="#et">Sein Koͤniglicher Zorn kuͤhlt ſich an</hi></l><lb/><l><hirendition="#et"><hirendition="#et">edlerm Blut.</hi></hi></l></lg></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der ſechs und dreyßigſte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein<lb/>
Howe.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Vonnabend Abends den 18. Maͤrtz.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ch bin vor Schrecken außer mir; und ich<lb/>
kann noch nicht wieder zu Athem kommen.<lb/>
Die Urſache iſt dieſe. Jch ging unter dem ge-<lb/>
woͤhnlichen Vorwand hinunter und hoffte etwas<lb/>
von Jhnen zu finden. Es that mir Leyd, daß ich<lb/>
mich betrogen ſehen mußte; und als ich aus dem<lb/>
Holtz-Stall zuruͤck ging ſo hoͤrte ich ein Geraͤuſch,<lb/>
als wenn jemand hinter dem Holtz verſteckt waͤ-<lb/>
re. Jch wunderte mich ungemein, als jemand<lb/>
hinter dem Holtze hervor kam. Ach! dachte ich<lb/>ſo gleich: das iſt die Frucht des verbotenen Brief-<lb/>
wechſels.</p><lb/><p>So bald ich ihn ſahe, bat er mich, ich moͤchte<lb/>
mich nicht erſchrecken. Als er naͤher kam ſo er-<lb/>
oͤffnete ſich ein Ueberrock von einem Pferde-<lb/>
Knecht: und wer meinen Sie, wer ſteckte darin,<lb/>
als Herr <hirendition="#fr">Lovelace?</hi> Jch wollte ruffen, ſobald ich<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſahe,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[397/0417]
der Clariſſa.
Erwacht ſein Grimm: er bruͤllt: ſein
Bruͤllen iſt die That:
Erhitzt, berauſcht von Muth, von ſei-
nes Moͤrders Strafe
Durchſtreicht er unverſehrt ein wehrlos
Volck der Schaafe,
Sein Koͤniglicher Zorn kuͤhlt ſich an
edlerm Blut.
Der ſechs und dreyßigſte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
Vonnabend Abends den 18. Maͤrtz.
Jch bin vor Schrecken außer mir; und ich
kann noch nicht wieder zu Athem kommen.
Die Urſache iſt dieſe. Jch ging unter dem ge-
woͤhnlichen Vorwand hinunter und hoffte etwas
von Jhnen zu finden. Es that mir Leyd, daß ich
mich betrogen ſehen mußte; und als ich aus dem
Holtz-Stall zuruͤck ging ſo hoͤrte ich ein Geraͤuſch,
als wenn jemand hinter dem Holtz verſteckt waͤ-
re. Jch wunderte mich ungemein, als jemand
hinter dem Holtze hervor kam. Ach! dachte ich
ſo gleich: das iſt die Frucht des verbotenen Brief-
wechſels.
So bald ich ihn ſahe, bat er mich, ich moͤchte
mich nicht erſchrecken. Als er naͤher kam ſo er-
oͤffnete ſich ein Ueberrock von einem Pferde-
Knecht: und wer meinen Sie, wer ſteckte darin,
als Herr Lovelace? Jch wollte ruffen, ſobald ich
ſahe,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/417>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.