[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.Die Geschichte so geringschätzig gehalten zu werden? ja so garvon dem öffentlichen Gottes-Dienst abgesondert zu werden, der doch ein Mittel meiner Besserung seyn würde, wenn ich bisher meine Pflicht ver- gessen hätte? können Sie glauben, daß dieses die Mittel sind, ein freyes und erhabenes Hertz zu lencken? Muß ich nicht hiedurch mehr verhärtet als überzeuget werden? Es ist mir unerträglich, unter solchen Beschimpfungen zu leben, da selbst die Bedienten, denen ich noch vor kurtzen zu befeh- len hatte, sich kaum unterstehen mit mir zu reden, da mein eigenes Cammer-Mädchen mit Unwillen und wegen allerhand versteckter und zweydeutiger Beschuldigungen aus dem Hause geschaft, und meiner Schwester Cammer-Mädchen an ihrer Stelle über mich gesetzt ist. Die Sache kan zu weit getrieben werden: und Jst es mir erlaubt, einen Vorschlag zu thun? Jch hoffe, daß hiergegen keine Enwendung ge- die
Die Geſchichte ſo geringſchaͤtzig gehalten zu werden? ja ſo garvon dem oͤffentlichen Gottes-Dienſt abgeſondert zu werden, der doch ein Mittel meiner Beſſerung ſeyn wuͤrde, wenn ich bisher meine Pflicht ver- geſſen haͤtte? koͤnnen Sie glauben, daß dieſes die Mittel ſind, ein freyes und erhabenes Hertz zu lencken? Muß ich nicht hiedurch mehr verhaͤrtet als uͤberzeuget werden? Es iſt mir unertraͤglich, unter ſolchen Beſchimpfungen zu leben, da ſelbſt die Bedienten, denen ich noch vor kurtzen zu befeh- len hatte, ſich kaum unterſtehen mit mir zu reden, da mein eigenes Cammer-Maͤdchen mit Unwillen und wegen allerhand verſteckter und zweydeutiger Beſchuldigungen aus dem Hauſe geſchaft, und meiner Schweſter Cammer-Maͤdchen an ihrer Stelle uͤber mich geſetzt iſt. Die Sache kan zu weit getrieben werden: und Jſt es mir erlaubt, einen Vorſchlag zu thun? Jch hoffe, daß hiergegen keine Enwendung ge- die
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Die Geſchichte
ſo geringſchaͤtzig gehalten zu werden? ja ſo gar
von dem oͤffentlichen Gottes-Dienſt abgeſondert
zu werden, der doch ein Mittel meiner Beſſerung
ſeyn wuͤrde, wenn ich bisher meine Pflicht ver-
geſſen haͤtte? koͤnnen Sie glauben, daß dieſes die
Mittel ſind, ein freyes und erhabenes Hertz zu
lencken? Muß ich nicht hiedurch mehr verhaͤrtet
als uͤberzeuget werden? Es iſt mir unertraͤglich,
unter ſolchen Beſchimpfungen zu leben, da ſelbſt
die Bedienten, denen ich noch vor kurtzen zu befeh-
len hatte, ſich kaum unterſtehen mit mir zu reden,
da mein eigenes Cammer-Maͤdchen mit Unwillen
und wegen allerhand verſteckter und zweydeutiger
Beſchuldigungen aus dem Hauſe geſchaft, und
meiner Schweſter Cammer-Maͤdchen an ihrer
Stelle uͤber mich geſetzt iſt.
Die Sache kan zu weit getrieben werden: und
es kan noch allen die Reue ankommen, daß ſie
mit dazu geholfen haben.
Jſt es mir erlaubt, einen Vorſchlag zu thun?
‒ ‒ Geſetzt, ich ſoll bewacht, eingeſperret, verbannet
ſeyn; koͤnte nicht alles dieſes lieber in Jhrem Hau-
ſe geſchehen? Alsdenn wuͤrden ſich die Adelichen in
der Nachbarſchaft weniger verwundern, daß eine
Perſon, von der ſie ſonſt ſo guͤtige Gedancken
hatten, nicht in der Kirche erſcheinet, und keinen
Beſuch annimt.
Jch hoffe, daß hiergegen keine Enwendung ge-
macht werden kan. Als ich noch gluͤcklich war
pflegten Sie mich gern in ihren Hauſe zu bewir-
then. Wollen Sie mir nicht in meinem Ungluͤck
in eben dieſem Hauſe eine Zuflucht verſtatten, bis
die
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