zu sehen. Wenn er das gehoffet hat, so muß ihm dieses mahl sein Spion ausgeblieben seyn.
Schorey war in der Kirche, und ihr meistes Augenmerck war auf seine hochmüthige Geberden gerichtet gewesen, als er sich aus seinem Stuhl nach dem Stuhl umsahe, in dem wir zu sitzen pfle- gen. Mein Vater, meine beyden Onckles, mei- ne Mutter und Schwester waren gegenwärtig. Zum Glück war mein Bruder nicht in der Kirche. Sie kamen voller Unruhe nach Hause. Die gan- tze Versammlung hatte auf niemand als auf ihn gesehen; denn dieses war das erstemal nach der unglücklichen Schlägerey, daß er unsere Kirche besuchte.
Wozu kan er doch gekommen seyn? Wolte er trotzen, und gleichsam durch seine Geberden die Meinigen herausfodern, wie Schorey sagt, und wie es andere aus seinen Geberden geschlos- sen haben? Kam er um meinet willen, und mey- nete er, daß er durch eine solche Aufführung gegen meine Verwanten mir einen Dienst thäte? Er weiß wie groß ihr Haß gegen ihn ist: und er wird sich keine Mühe geben, diesen Haß zu besänftigen, wenn es auch möglich wäre.
Wir haben beyde sonst von seinem Hochmuth mit einander geredet/ und Sie haben ihm dieses Laster im Schertz empfindlich genug vorgewor- fen: allein an statt sich zu entschuldigen hat er es ihnen frey gestanden, gerade als wenn dieses Ge- ständniß genug wäre.
Jch
Die Geſchichte
zu ſehen. Wenn er das gehoffet hat, ſo muß ihm dieſes mahl ſein Spion ausgeblieben ſeyn.
Schorey war in der Kirche, und ihr meiſtes Augenmerck war auf ſeine hochmuͤthige Geberden gerichtet geweſen, als er ſich aus ſeinem Stuhl nach dem Stuhl umſahe, in dem wir zu ſitzen pfle- gen. Mein Vater, meine beyden Onckles, mei- ne Mutter und Schweſter waren gegenwaͤrtig. Zum Gluͤck war mein Bruder nicht in der Kirche. Sie kamen voller Unruhe nach Hauſe. Die gan- tze Verſammlung hatte auf niemand als auf ihn geſehen; denn dieſes war das erſtemal nach der ungluͤcklichen Schlaͤgerey, daß er unſere Kirche beſuchte.
Wozu kan er doch gekommen ſeyn? Wolte er trotzen, und gleichſam durch ſeine Geberden die Meinigen herausfodern, wie Schorey ſagt, und wie es andere aus ſeinen Geberden geſchloſ- ſen haben? Kam er um meinet willen, und mey- nete er, daß er durch eine ſolche Auffuͤhrung gegen meine Verwanten mir einen Dienſt thaͤte? Er weiß wie groß ihr Haß gegen ihn iſt: und er wird ſich keine Muͤhe geben, dieſen Haß zu beſaͤnftigen, wenn es auch moͤglich waͤre.
Wir haben beyde ſonſt von ſeinem Hochmuth mit einander geredet/ und Sie haben ihm dieſes Laſter im Schertz empfindlich genug vorgewor- fen: allein an ſtatt ſich zu entſchuldigen hat er es ihnen frey geſtanden, gerade als wenn dieſes Ge- ſtaͤndniß genug waͤre.
Jch
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Die Geſchichte
zu ſehen. Wenn er das gehoffet hat, ſo muß
ihm dieſes mahl ſein Spion ausgeblieben ſeyn.
Schorey war in der Kirche, und ihr meiſtes
Augenmerck war auf ſeine hochmuͤthige Geberden
gerichtet geweſen, als er ſich aus ſeinem Stuhl
nach dem Stuhl umſahe, in dem wir zu ſitzen pfle-
gen. Mein Vater, meine beyden Onckles, mei-
ne Mutter und Schweſter waren gegenwaͤrtig.
Zum Gluͤck war mein Bruder nicht in der Kirche.
Sie kamen voller Unruhe nach Hauſe. Die gan-
tze Verſammlung hatte auf niemand als auf ihn
geſehen; denn dieſes war das erſtemal nach der
ungluͤcklichen Schlaͤgerey, daß er unſere Kirche
beſuchte.
Wozu kan er doch gekommen ſeyn? Wolte
er trotzen, und gleichſam durch ſeine Geberden
die Meinigen herausfodern, wie Schorey ſagt,
und wie es andere aus ſeinen Geberden geſchloſ-
ſen haben? Kam er um meinet willen, und mey-
nete er, daß er durch eine ſolche Auffuͤhrung gegen
meine Verwanten mir einen Dienſt thaͤte? Er
weiß wie groß ihr Haß gegen ihn iſt: und er wird
ſich keine Muͤhe geben, dieſen Haß zu beſaͤnftigen,
wenn es auch moͤglich waͤre.
Wir haben beyde ſonſt von ſeinem Hochmuth
mit einander geredet/ und Sie haben ihm dieſes
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/338>, abgerufen am 23.11.2024.
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