Jch verliere alle Gedult, daß ihr es nur als möglich ansehen könt, daß ein solcher Kerl mir gefallen könte.
Was das anlanget, daß ihr meynet, es sey ihm ehemals in unserm Hause eine Hoffnung gegeben worden; so war dieses vorher, ehe wir ihn kannten. Allein der Beweiß, der uns überzeugt hat, solte auch billig einige Kraft bey euch haben, und würde sie gehabt haben, wenn ihr nicht ein albernes und unbedächtliches Mädchen wäret, welches jedermann bey dieser Gelegenheit siehet.
Wie geläuffig ist euch die Feder, wenn ihr den liederlichen Menschen erhebet! Geburt, Erzie- hung, Ansehen, Verstand, Aufführung, Mine, Vermögen, alles wird heraus gestrichen: und das allzu vollständige Register seiner Vollkommen- heiten muß noch dadurch vermehret werden, daß ihr einer Sache mehr als einen Namen gebt. Was für eine Kette von verliebten Lobes-Erhe- bungen! Und doch wolt ihr unverheyrathet blei- ben! Ja das kan ich glauben! Da so viel einge- bildete Vollkommenheiten eures verliebten Rit- ters vor euren verblendeten Augen herum schwer- men! Nicht mehr hievon! Allein laßt euch die gute Meynung von eurem eigenem Verstande nicht dahin bringen, daß ihr alle andere Leute für Narren haltet; und meynt nicht, daß wir alle nach eurer Pfeiffe tantzen werden, wenn ihr einen kläglichen Ton anstimmet.
Jhr habt Erlaubniß, so oft an mich zu schrei- ben, als es euch belieben wird. Dis soll die
letzte
Die Geſchichte
Jch verliere alle Gedult, daß ihr es nur als moͤglich anſehen koͤnt, daß ein ſolcher Kerl mir gefallen koͤnte.
Was das anlanget, daß ihr meynet, es ſey ihm ehemals in unſerm Hauſe eine Hoffnung gegeben worden; ſo war dieſes vorher, ehe wir ihn kannten. Allein der Beweiß, der uns uͤberzeugt hat, ſolte auch billig einige Kraft bey euch haben, und wuͤrde ſie gehabt haben, wenn ihr nicht ein albernes und unbedaͤchtliches Maͤdchen waͤret, welches jedermann bey dieſer Gelegenheit ſiehet.
Wie gelaͤuffig iſt euch die Feder, wenn ihr den liederlichen Menſchen erhebet! Geburt, Erzie- hung, Anſehen, Verſtand, Auffuͤhrung, Mine, Vermoͤgen, alles wird heraus geſtrichen: und das allzu vollſtaͤndige Regiſter ſeiner Vollkom̃en- heiten muß noch dadurch vermehret werden, daß ihr einer Sache mehr als einen Namen gebt. Was fuͤr eine Kette von verliebten Lobes-Erhe- bungen! Und doch wolt ihr unverheyrathet blei- ben! Ja das kan ich glauben! Da ſo viel einge- bildete Vollkommenheiten eures verliebten Rit- ters vor euren verblendeten Augen herum ſchwer- men! Nicht mehr hievon! Allein laßt euch die gute Meynung von eurem eigenem Verſtande nicht dahin bringen, daß ihr alle andere Leute fuͤr Narren haltet; und meynt nicht, daß wir alle nach eurer Pfeiffe tantzen werden, wenn ihr einen klaͤglichen Ton anſtimmet.
Jhr habt Erlaubniß, ſo oft an mich zu ſchrei- ben, als es euch belieben wird. Dis ſoll die
letzte
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Die Geſchichte
Jch verliere alle Gedult, daß ihr es nur als
moͤglich anſehen koͤnt, daß ein ſolcher Kerl mir
gefallen koͤnte.
Was das anlanget, daß ihr meynet, es ſey
ihm ehemals in unſerm Hauſe eine Hoffnung
gegeben worden; ſo war dieſes vorher, ehe wir ihn
kannten. Allein der Beweiß, der uns uͤberzeugt
hat, ſolte auch billig einige Kraft bey euch haben,
und wuͤrde ſie gehabt haben, wenn ihr nicht ein
albernes und unbedaͤchtliches Maͤdchen waͤret,
welches jedermann bey dieſer Gelegenheit ſiehet.
Wie gelaͤuffig iſt euch die Feder, wenn ihr den
liederlichen Menſchen erhebet! Geburt, Erzie-
hung, Anſehen, Verſtand, Auffuͤhrung, Mine,
Vermoͤgen, alles wird heraus geſtrichen: und
das allzu vollſtaͤndige Regiſter ſeiner Vollkom̃en-
heiten muß noch dadurch vermehret werden, daß
ihr einer Sache mehr als einen Namen gebt.
Was fuͤr eine Kette von verliebten Lobes-Erhe-
bungen! Und doch wolt ihr unverheyrathet blei-
ben! Ja das kan ich glauben! Da ſo viel einge-
bildete Vollkommenheiten eures verliebten Rit-
ters vor euren verblendeten Augen herum ſchwer-
men! Nicht mehr hievon! Allein laßt euch die
gute Meynung von eurem eigenem Verſtande
nicht dahin bringen, daß ihr alle andere Leute fuͤr
Narren haltet; und meynt nicht, daß wir alle
nach eurer Pfeiffe tantzen werden, wenn ihr einen
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Jhr habt Erlaubniß, ſo oft an mich zu ſchrei-
ben, als es euch belieben wird. Dis ſoll die
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/336>, abgerufen am 21.11.2024.
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