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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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zwar bisweilen selbst nicht enthalten, von denen
frey zu reden und zu schreiben, die man liebet,
wenn einem der Schmertz allzu sehr zu Hertzen
dringet: allein man will doch nicht, daß sich an-
dere eben die Freyheiten heraus nehmen. Sie
können sich auch so starck ausdrucken, wenn Sie
über jemand misvergnügt sind, daß ich mich selbst
anklagen muß, so bald ich bey kühlen Blute aus
Jhren allzustrengen Briefen sehe, wie wenig ich
der meinigen geschonet haben müsse. Erlauben
Sie mir, daß ich mich nach Befinden der Um-
stände bey Jhnen über die meinigen beklage: su-
chen Sie aber durch einen guten Rath, den ich,
von niemand besser als von Jhnen erhalten kan,
mein aufgebrachtes Gemüth zu besänftigen; da
Sie wissen, wie viel ihr Rath und Zurede bey
mir vermögen.

Jch kan zwar nicht leugnen, daß es mir lieb
ist, daß Sie wegen der Verachtung die Herr
Solmes von mir verdienet mit mir einerley
Meinung sind: allein ich muß doch sagen, daß
er nicht völlig ein solches Ungeheuer ist, als Sie
aus ihm machen. Jch verstehe dieses von seiner
Gestalt: denn von seinem Gemüth haben Sie
nach allen dem, was ich gehört habe, ein sehr
ähnliches und richtiges Bild gemacht. Allein
Sie haben eine solche Gabe, eckelhafte Bilder zu
mahlen, und so viel Lebhaftigkeit: daß Jhre Be-
schreibungen öfters darüber die Wahrscheinlichkeit
verlieren. Kurtz, ich weiß, daß Sie bisweilen
mit dem Zweck die Feder ergreiffen, alles zu

schrei-

der Clariſſa.
zwar bisweilen ſelbſt nicht enthalten, von denen
frey zu reden und zu ſchreiben, die man liebet,
wenn einem der Schmertz allzu ſehr zu Hertzen
dringet: allein man will doch nicht, daß ſich an-
dere eben die Freyheiten heraus nehmen. Sie
koͤnnen ſich auch ſo ſtarck ausdrucken, wenn Sie
uͤber jemand misvergnuͤgt ſind, daß ich mich ſelbſt
anklagen muß, ſo bald ich bey kuͤhlen Blute aus
Jhren allzuſtrengen Briefen ſehe, wie wenig ich
der meinigen geſchonet haben muͤſſe. Erlauben
Sie mir, daß ich mich nach Befinden der Um-
ſtaͤnde bey Jhnen uͤber die meinigen beklage: ſu-
chen Sie aber durch einen guten Rath, den ich,
von niemand beſſer als von Jhnen erhalten kan,
mein aufgebrachtes Gemuͤth zu beſaͤnftigen; da
Sie wiſſen, wie viel ihr Rath und Zurede bey
mir vermoͤgen.

Jch kan zwar nicht leugnen, daß es mir lieb
iſt, daß Sie wegen der Verachtung die Herr
Solmes von mir verdienet mit mir einerley
Meinung ſind: allein ich muß doch ſagen, daß
er nicht voͤllig ein ſolches Ungeheuer iſt, als Sie
aus ihm machen. Jch verſtehe dieſes von ſeiner
Geſtalt: denn von ſeinem Gemuͤth haben Sie
nach allen dem, was ich gehoͤrt habe, ein ſehr
aͤhnliches und richtiges Bild gemacht. Allein
Sie haben eine ſolche Gabe, eckelhafte Bilder zu
mahlen, und ſo viel Lebhaftigkeit: daß Jhre Be-
ſchreibungen oͤfters daruͤber die Wahrſcheinlichkeit
verlieren. Kurtz, ich weiß, daß Sie bisweilen
mit dem Zweck die Feder ergreiffen, alles zu

ſchrei-
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[299/0319] der Clariſſa. zwar bisweilen ſelbſt nicht enthalten, von denen frey zu reden und zu ſchreiben, die man liebet, wenn einem der Schmertz allzu ſehr zu Hertzen dringet: allein man will doch nicht, daß ſich an- dere eben die Freyheiten heraus nehmen. Sie koͤnnen ſich auch ſo ſtarck ausdrucken, wenn Sie uͤber jemand misvergnuͤgt ſind, daß ich mich ſelbſt anklagen muß, ſo bald ich bey kuͤhlen Blute aus Jhren allzuſtrengen Briefen ſehe, wie wenig ich der meinigen geſchonet haben muͤſſe. Erlauben Sie mir, daß ich mich nach Befinden der Um- ſtaͤnde bey Jhnen uͤber die meinigen beklage: ſu- chen Sie aber durch einen guten Rath, den ich, von niemand beſſer als von Jhnen erhalten kan, mein aufgebrachtes Gemuͤth zu beſaͤnftigen; da Sie wiſſen, wie viel ihr Rath und Zurede bey mir vermoͤgen. Jch kan zwar nicht leugnen, daß es mir lieb iſt, daß Sie wegen der Verachtung die Herr Solmes von mir verdienet mit mir einerley Meinung ſind: allein ich muß doch ſagen, daß er nicht voͤllig ein ſolches Ungeheuer iſt, als Sie aus ihm machen. Jch verſtehe dieſes von ſeiner Geſtalt: denn von ſeinem Gemuͤth haben Sie nach allen dem, was ich gehoͤrt habe, ein ſehr aͤhnliches und richtiges Bild gemacht. Allein Sie haben eine ſolche Gabe, eckelhafte Bilder zu mahlen, und ſo viel Lebhaftigkeit: daß Jhre Be- ſchreibungen oͤfters daruͤber die Wahrſcheinlichkeit verlieren. Kurtz, ich weiß, daß Sie bisweilen mit dem Zweck die Feder ergreiffen, alles zu ſchrei-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/319>, abgerufen am 25.11.2024.