Da aber eine so grosse Probe des kindlichen Ge- horsams unbelohnt geblieben ist: so sehe ich kei- ne Ursache, warum Sie nicht wieder in Jhre er- sten Rechte treten wollten.
Jhr Gros-Vater kannte die Erb-Sünde der Familie wohl; und er wuste, was für ein edles und gutthätiges Hertz Sie haben. Vielleicht hat er selbst (vergeben Sie mir den Einfall) in seinem Leben zu wenig gutes gethan; und wollte Jhnen deswegen Mittel geben, diesen Mangel der gan- tzen Familie zu ersetzen. Wenn ich es wäre, so wollte ich warlich wieder in meine Rechte treten.
Sie werden sagen, Sie könten das nicht thun, so lange Sie in Jhres Vaters Hause sind. Hierin habe ich andere Einsichten. Können sie schlimmer mit Jhnen umgehen, als bisher geschehen ist? Jst es nicht Jhr Recht, was Sie fordern sollen. Jhr Onckle Harlowe und der Obriste Morden sollen für die Erfüllung des Testaments stehen. Fodern Sie Jhr Recht von Jhrem Onckle, und schreiben Sie an den andern. Sie werden sehen, daß sich die Aufführung der Jhrigen gleich ändern wird.
Was hat Jhr unverschämter Bruder über Sie zu befehlen? Wenn er mit mir zu thun hätte (das wolte ich wol einen Monath lang wünschen, und nicht länger) so solte er den Unterscheid sehen. Jch wolte mich in meinem eignen Hause aufhal- ten, und alle meine guten Absichten erfüllen, meine Bekanten und Nachbarn glücklich zu machen. Jch wolte meinen eigenen Wagen und Pferde
hal-
S 5
der Clariſſa.
Da aber eine ſo groſſe Probe des kindlichen Ge- horſams unbelohnt geblieben iſt: ſo ſehe ich kei- ne Urſache, warum Sie nicht wieder in Jhre er- ſten Rechte treten wollten.
Jhr Gros-Vater kannte die Erb-Suͤnde der Familie wohl; und er wuſte, was fuͤr ein edles und gutthaͤtiges Hertz Sie haben. Vielleicht hat er ſelbſt (vergeben Sie mir den Einfall) in ſeinem Leben zu wenig gutes gethan; und wollte Jhnen deswegen Mittel geben, dieſen Mangel der gan- tzen Familie zu erſetzen. Wenn ich es waͤre, ſo wollte ich warlich wieder in meine Rechte treten.
Sie werden ſagen, Sie koͤnten das nicht thun, ſo lange Sie in Jhres Vaters Hauſe ſind. Hierin habe ich andere Einſichten. Koͤnnen ſie ſchlimmer mit Jhnen umgehen, als bisher geſchehen iſt? Jſt es nicht Jhr Recht, was Sie fordern ſollen. Jhr Onckle Harlowe und der Obriſte Morden ſollen fuͤr die Erfuͤllung des Teſtaments ſtehen. Fodern Sie Jhr Recht von Jhrem Onckle, und ſchreiben Sie an den andern. Sie werden ſehen, daß ſich die Auffuͤhrung der Jhrigen gleich aͤndern wird.
Was hat Jhr unverſchaͤmter Bruder uͤber Sie zu befehlen? Wenn er mit mir zu thun haͤtte (das wolte ich wol einen Monath lang wuͤnſchen, und nicht laͤnger) ſo ſolte er den Unterſcheid ſehen. Jch wolte mich in meinem eignen Hauſe aufhal- ten, und alle meine guten Abſichten erfuͤllen, meine Bekanten und Nachbarn gluͤcklich zu machen. Jch wolte meinen eigenen Wagen und Pferde
hal-
S 5
<TEI><text><body><divn="2"><divn="2"><p><pbfacs="#f0301"n="281"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa.</hi></hi></fw><lb/>
Da aber eine ſo groſſe Probe des kindlichen Ge-<lb/>
horſams unbelohnt geblieben iſt: ſo ſehe ich kei-<lb/>
ne Urſache, warum Sie nicht wieder in Jhre er-<lb/>ſten Rechte treten wollten.</p><lb/><p>Jhr Gros-Vater kannte die Erb-Suͤnde der<lb/>
Familie wohl; und er wuſte, was fuͤr ein edles<lb/>
und gutthaͤtiges Hertz Sie haben. Vielleicht hat<lb/>
er ſelbſt (vergeben Sie mir den Einfall) in ſeinem<lb/>
Leben zu wenig gutes gethan; und wollte Jhnen<lb/>
deswegen Mittel geben, dieſen Mangel der gan-<lb/>
tzen Familie zu erſetzen. Wenn ich es waͤre, ſo<lb/>
wollte ich warlich wieder in meine Rechte treten.</p><lb/><p>Sie werden ſagen, Sie koͤnten das nicht thun,<lb/>ſo lange Sie in Jhres Vaters Hauſe ſind. Hierin<lb/>
habe ich andere Einſichten. Koͤnnen ſie ſchlimmer<lb/>
mit Jhnen umgehen, als bisher geſchehen iſt?<lb/>
Jſt es nicht Jhr Recht, was Sie fordern ſollen.<lb/>
Jhr Onckle H<hirendition="#fr">arlowe</hi> und der Obriſte <hirendition="#fr">Morden</hi><lb/>ſollen fuͤr die Erfuͤllung des Teſtaments ſtehen.<lb/>
Fodern Sie Jhr Recht von Jhrem Onckle, und<lb/>ſchreiben Sie an den andern. Sie werden ſehen,<lb/>
daß ſich die Auffuͤhrung der Jhrigen gleich aͤndern<lb/>
wird.</p><lb/><p>Was hat Jhr unverſchaͤmter Bruder uͤber Sie<lb/>
zu befehlen? Wenn er mit mir zu thun haͤtte (das<lb/>
wolte ich wol einen Monath lang wuͤnſchen, und<lb/>
nicht laͤnger) ſo ſolte er den Unterſcheid ſehen.<lb/>
Jch wolte mich in meinem eignen Hauſe aufhal-<lb/>
ten, und alle meine guten Abſichten erfuͤllen, meine<lb/>
Bekanten und Nachbarn gluͤcklich zu machen.<lb/>
Jch wolte meinen eigenen Wagen und Pferde<lb/><fwplace="bottom"type="sig">S 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">hal-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[281/0301]
der Clariſſa.
Da aber eine ſo groſſe Probe des kindlichen Ge-
horſams unbelohnt geblieben iſt: ſo ſehe ich kei-
ne Urſache, warum Sie nicht wieder in Jhre er-
ſten Rechte treten wollten.
Jhr Gros-Vater kannte die Erb-Suͤnde der
Familie wohl; und er wuſte, was fuͤr ein edles
und gutthaͤtiges Hertz Sie haben. Vielleicht hat
er ſelbſt (vergeben Sie mir den Einfall) in ſeinem
Leben zu wenig gutes gethan; und wollte Jhnen
deswegen Mittel geben, dieſen Mangel der gan-
tzen Familie zu erſetzen. Wenn ich es waͤre, ſo
wollte ich warlich wieder in meine Rechte treten.
Sie werden ſagen, Sie koͤnten das nicht thun,
ſo lange Sie in Jhres Vaters Hauſe ſind. Hierin
habe ich andere Einſichten. Koͤnnen ſie ſchlimmer
mit Jhnen umgehen, als bisher geſchehen iſt?
Jſt es nicht Jhr Recht, was Sie fordern ſollen.
Jhr Onckle Harlowe und der Obriſte Morden
ſollen fuͤr die Erfuͤllung des Teſtaments ſtehen.
Fodern Sie Jhr Recht von Jhrem Onckle, und
ſchreiben Sie an den andern. Sie werden ſehen,
daß ſich die Auffuͤhrung der Jhrigen gleich aͤndern
wird.
Was hat Jhr unverſchaͤmter Bruder uͤber Sie
zu befehlen? Wenn er mit mir zu thun haͤtte (das
wolte ich wol einen Monath lang wuͤnſchen, und
nicht laͤnger) ſo ſolte er den Unterſcheid ſehen.
Jch wolte mich in meinem eignen Hauſe aufhal-
ten, und alle meine guten Abſichten erfuͤllen, meine
Bekanten und Nachbarn gluͤcklich zu machen.
Jch wolte meinen eigenen Wagen und Pferde
hal-
S 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/301>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.