Dienste trieben, zweifelten an ihrer Treue nicht: es geschähe nur um mir einen Verdruß anzuthun. Es ginge mir nahe: indessen hoffete ich, daß sie eben so einen guten Dienst wieder finden würde.
Niemals, niemals, sagte sie mit gerungenen Händen, würde sie eine Herrschafft so lieben kön- nen. Das ehrliche Mädchen fing darauf an, mich aus allen Kräfften zu loben, und ihre Liebe gegen mich zu bezeugen.
Wir sind immer geneigt, unsere Wohlthäter darüber zu rühmen, daß sie uns Wohlthaten er- zeigt haben: gerade als wenn ein jeder in so fern recht oder unrecht thäte, als er gegen uns gütig oder ungütig ist. Allein dieses Mädchen ver- diente es, daß man ihr gütig begegnete: und es ist kein gutes Werck von mir, daß ich gegen eine gü- tig gewesen bin, die ich entweder hervor ziehen und lieben oder mich einer Undanckbarkeit schul- dig machen müste.
Jch schenckte ihr etwas Linen-Zeug, Spitzen und andere schlechte Dinge: und vor vier Pfund, die ich ihr schuldig war, gab ich ihr zehn Gui- neas. (*) Jch setzte dazu: so bald ich wieder in den Stand käme, zu thun was ich wollte, so würde ich an keine andere dencken als an sie.
Elisabeth sagte der Schorey einige neidische Worte in die Ohren.
Hannichen sagte mir, weil sie keine andere Gelegenheit hatte, in beyder Gegenwart: sie wä-
re
(*) Vier Pfund sind 22. Rthlr. zehn Guineas ma- chen 60. Rthlr.
der Clariſſa.
Dienſte trieben, zweifelten an ihrer Treue nicht: es geſchaͤhe nur um mir einen Verdruß anzuthun. Es ginge mir nahe: indeſſen hoffete ich, daß ſie eben ſo einen guten Dienſt wieder finden wuͤrde.
Niemals, niemals, ſagte ſie mit gerungenen Haͤnden, wuͤrde ſie eine Herrſchafft ſo lieben koͤn- nen. Das ehrliche Maͤdchen fing darauf an, mich aus allen Kraͤfften zu loben, und ihre Liebe gegen mich zu bezeugen.
Wir ſind immer geneigt, unſere Wohlthaͤter daruͤber zu ruͤhmen, daß ſie uns Wohlthaten er- zeigt haben: gerade als wenn ein jeder in ſo fern recht oder unrecht thaͤte, als er gegen uns guͤtig oder unguͤtig iſt. Allein dieſes Maͤdchen ver- diente es, daß man ihr guͤtig begegnete: und es iſt kein gutes Werck von mir, daß ich gegen eine guͤ- tig geweſen bin, die ich entweder hervor ziehen und lieben oder mich einer Undanckbarkeit ſchul- dig machen muͤſte.
Jch ſchenckte ihr etwas Linen-Zeug, Spitzen und andere ſchlechte Dinge: und vor vier Pfund, die ich ihr ſchuldig war, gab ich ihr zehn Gui- neas. (*) Jch ſetzte dazu: ſo bald ich wieder in den Stand kaͤme, zu thun was ich wollte, ſo wuͤrde ich an keine andere dencken als an ſie.
Eliſabeth ſagte der Schorey einige neidiſche Worte in die Ohren.
Hannichen ſagte mir, weil ſie keine andere Gelegenheit hatte, in beyder Gegenwart: ſie waͤ-
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(*) Vier Pfund ſind 22. Rthlr. zehn Guineas ma- chen 60. Rthlr.
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der Clariſſa.
Dienſte trieben, zweifelten an ihrer Treue nicht: es
geſchaͤhe nur um mir einen Verdruß anzuthun. Es
ginge mir nahe: indeſſen hoffete ich, daß ſie eben
ſo einen guten Dienſt wieder finden wuͤrde.
Niemals, niemals, ſagte ſie mit gerungenen
Haͤnden, wuͤrde ſie eine Herrſchafft ſo lieben koͤn-
nen. Das ehrliche Maͤdchen fing darauf an,
mich aus allen Kraͤfften zu loben, und ihre Liebe
gegen mich zu bezeugen.
Wir ſind immer geneigt, unſere Wohlthaͤter
daruͤber zu ruͤhmen, daß ſie uns Wohlthaten er-
zeigt haben: gerade als wenn ein jeder in ſo fern
recht oder unrecht thaͤte, als er gegen uns guͤtig
oder unguͤtig iſt. Allein dieſes Maͤdchen ver-
diente es, daß man ihr guͤtig begegnete: und es iſt
kein gutes Werck von mir, daß ich gegen eine guͤ-
tig geweſen bin, die ich entweder hervor ziehen
und lieben oder mich einer Undanckbarkeit ſchul-
dig machen muͤſte.
Jch ſchenckte ihr etwas Linen-Zeug, Spitzen
und andere ſchlechte Dinge: und vor vier Pfund,
die ich ihr ſchuldig war, gab ich ihr zehn Gui-
neas. (*) Jch ſetzte dazu: ſo bald ich wieder
in den Stand kaͤme, zu thun was ich wollte, ſo
wuͤrde ich an keine andere dencken als an ſie.
Eliſabeth ſagte der Schorey einige neidiſche
Worte in die Ohren.
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(*) Vier Pfund ſind 22. Rthlr. zehn Guineas ma-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/275>, abgerufen am 22.11.2024.
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