ben? Doch die Umstände sind so verworren, daß ich selbst ihre Mängel offenbaren muß, um ihre tadelhaften Handlungen einiger massen zu entschuldigen!
Da Sie wissen, wie zärtlich ich meine Mutter liebe und verehre, so werden Sie am besten ur- theilen können, wie dringend die Ursachen sind, die mich bewegen können, mich den von ihr gebilligten Absichten meiner Geschwister zu wi- dersetzen. Allein ich muß es thun. Es ist ohn- möglich, daß ich Ja zu diesen Absichten sage: und ich muß mich bald und deutlich darüber erklä- ren, daß ich nimmer Ja sagen werde, wenn ich meine Umstände nicht noch verworrener machen will. An eben dem Tage, an welchem ich diesen Brief schreibe, ist ein Advocate wegen der Sicher- heit die man bey Herrn Solmes Verschreibun- gen haben könnte, um Rath gefragt worden.
Wie glücklich wäre ich, wenn wir Papisten wären! Alsdenn würde ein Kloster alle Absichten meiner Geschwister erfüllen können. Wie glück- lich wäre ich, wenn nicht eine Person, die Sie ge- nau kennen, einen gewissen Antrag ausgeschlagen hätte. Alles würde schon zur Richtigkeit gewesen seyn, ehe mein Bruder hätte aus Schottland zu- rück kommen, und die Sachen verderben können. Denn würde ich eine Schwester gehabt haben, da ich jetzt keine habe: und zwey Brüder von glei- chem Ehrgeitz und von gleichem Range, an denen ich nur das hochgeschätzt haben würde, was ein Stück ihres wahrhaften Adels ist.
Jch
Die Geſchichte
ben? Doch die Umſtaͤnde ſind ſo verworren, daß ich ſelbſt ihre Maͤngel offenbaren muß, um ihre tadelhaften Handlungen einiger maſſen zu entſchuldigen!
Da Sie wiſſen, wie zaͤrtlich ich meine Mutter liebe und verehre, ſo werden Sie am beſten ur- theilen koͤnnen, wie dringend die Urſachen ſind, die mich bewegen koͤnnen, mich den von ihr gebilligten Abſichten meiner Geſchwiſter zu wi- derſetzen. Allein ich muß es thun. Es iſt ohn- moͤglich, daß ich Ja zu dieſen Abſichten ſage: und ich muß mich bald und deutlich daruͤber erklaͤ- ren, daß ich nimmer Ja ſagen werde, wenn ich meine Umſtaͤnde nicht noch verworrener machen will. An eben dem Tage, an welchem ich dieſen Brief ſchreibe, iſt ein Advocate wegen der Sicher- heit die man bey Herrn Solmes Verſchreibun- gen haben koͤnnte, um Rath gefragt worden.
Wie gluͤcklich waͤre ich, wenn wir Papiſten waͤren! Alsdenn wuͤrde ein Kloſter alle Abſichten meiner Geſchwiſter erfuͤllen koͤnnen. Wie gluͤck- lich waͤre ich, wenn nicht eine Perſon, die Sie ge- nau kennen, einen gewiſſen Antrag ausgeſchlagen haͤtte. Alles wuͤrde ſchon zur Richtigkeit geweſen ſeyn, ehe mein Bruder haͤtte aus Schottland zu- ruͤck kommen, und die Sachen verderben koͤnnen. Denn wuͤrde ich eine Schweſter gehabt haben, da ich jetzt keine habe: und zwey Bruͤder von glei- chem Ehrgeitz und von gleichem Range, an denen ich nur das hochgeſchaͤtzt haben wuͤrde, was ein Stuͤck ihres wahrhaften Adels iſt.
Jch
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0158"n="138"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/>
ben? Doch die Umſtaͤnde ſind ſo verworren,<lb/>
daß ich ſelbſt ihre Maͤngel offenbaren muß,<lb/>
um ihre tadelhaften Handlungen einiger maſſen<lb/>
zu entſchuldigen!</p><lb/><p>Da Sie wiſſen, wie zaͤrtlich ich meine Mutter<lb/>
liebe und verehre, ſo werden Sie am beſten ur-<lb/>
theilen koͤnnen, wie dringend die Urſachen ſind,<lb/>
die mich bewegen koͤnnen, mich den von ihr<lb/>
gebilligten Abſichten meiner Geſchwiſter zu wi-<lb/>
derſetzen. Allein ich muß es thun. Es iſt ohn-<lb/>
moͤglich, daß ich <hirendition="#fr">Ja</hi> zu dieſen Abſichten ſage:<lb/>
und ich muß mich bald und deutlich daruͤber erklaͤ-<lb/>
ren, daß ich nimmer <hirendition="#fr">Ja</hi>ſagen werde, wenn ich<lb/>
meine Umſtaͤnde nicht noch verworrener machen<lb/>
will. An eben dem Tage, an welchem ich dieſen<lb/>
Brief ſchreibe, iſt ein Advocate wegen der Sicher-<lb/>
heit die man bey Herrn <hirendition="#fr">Solmes</hi> Verſchreibun-<lb/>
gen haben koͤnnte, um Rath gefragt worden.</p><lb/><p>Wie gluͤcklich waͤre ich, wenn wir Papiſten<lb/>
waͤren! Alsdenn wuͤrde ein Kloſter alle Abſichten<lb/>
meiner Geſchwiſter erfuͤllen koͤnnen. Wie gluͤck-<lb/>
lich waͤre ich, wenn nicht eine Perſon, die Sie ge-<lb/>
nau kennen, einen gewiſſen Antrag ausgeſchlagen<lb/>
haͤtte. Alles wuͤrde ſchon zur Richtigkeit <choice><sic>geweſeu</sic><corr>geweſen</corr></choice><lb/>ſeyn, ehe mein Bruder haͤtte aus Schottland zu-<lb/>
ruͤck kommen, und die Sachen verderben koͤnnen.<lb/>
Denn wuͤrde ich eine Schweſter gehabt haben, da<lb/>
ich jetzt keine habe: und zwey Bruͤder von glei-<lb/>
chem Ehrgeitz und von gleichem Range, an denen<lb/>
ich nur das hochgeſchaͤtzt haben wuͤrde, was ein<lb/>
Stuͤck ihres wahrhaften Adels iſt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[138/0158]
Die Geſchichte
ben? Doch die Umſtaͤnde ſind ſo verworren,
daß ich ſelbſt ihre Maͤngel offenbaren muß,
um ihre tadelhaften Handlungen einiger maſſen
zu entſchuldigen!
Da Sie wiſſen, wie zaͤrtlich ich meine Mutter
liebe und verehre, ſo werden Sie am beſten ur-
theilen koͤnnen, wie dringend die Urſachen ſind,
die mich bewegen koͤnnen, mich den von ihr
gebilligten Abſichten meiner Geſchwiſter zu wi-
derſetzen. Allein ich muß es thun. Es iſt ohn-
moͤglich, daß ich Ja zu dieſen Abſichten ſage:
und ich muß mich bald und deutlich daruͤber erklaͤ-
ren, daß ich nimmer Ja ſagen werde, wenn ich
meine Umſtaͤnde nicht noch verworrener machen
will. An eben dem Tage, an welchem ich dieſen
Brief ſchreibe, iſt ein Advocate wegen der Sicher-
heit die man bey Herrn Solmes Verſchreibun-
gen haben koͤnnte, um Rath gefragt worden.
Wie gluͤcklich waͤre ich, wenn wir Papiſten
waͤren! Alsdenn wuͤrde ein Kloſter alle Abſichten
meiner Geſchwiſter erfuͤllen koͤnnen. Wie gluͤck-
lich waͤre ich, wenn nicht eine Perſon, die Sie ge-
nau kennen, einen gewiſſen Antrag ausgeſchlagen
haͤtte. Alles wuͤrde ſchon zur Richtigkeit geweſen
ſeyn, ehe mein Bruder haͤtte aus Schottland zu-
ruͤck kommen, und die Sachen verderben koͤnnen.
Denn wuͤrde ich eine Schweſter gehabt haben, da
ich jetzt keine habe: und zwey Bruͤder von glei-
chem Ehrgeitz und von gleichem Range, an denen
ich nur das hochgeſchaͤtzt haben wuͤrde, was ein
Stuͤck ihres wahrhaften Adels iſt.
Jch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/158>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.