"wären Hüner für anderer Leute Tisch." Er pfleg- te noch die höfliche Anmerckung dazu zu setzen: "Man müsse die Güter der Familien mit in den "Kauf geben, damit sie nur jemand nehmen möch- "te." Dieser Ausdruck pflegte meine ältere Schwester gantz ausser sich zu setzen: und ob es gleich scheint, daß sie jetzt dafür hält, es könne nur die jüngste Schwester eine Last der Familie seyn, so trug sie mir doch damahls oft an, eine Parthey in unserm Hause gegen die unersättlichen Absichten meines Bruders zu machen. Jch wollte aber sei- ne freyen Reden blos für einen lustigen Schertz ansehen, und sagte, es wäre mir lieb, einen jungen Menschen, der selten aufgeräumt sey, einmahl schertzen zu hören: oder höchstens hielt ich sie für eine Schwachheit, die man nicht mit Unwillen sondern mit Auslachen abweisen müßte.
Mein Bruder ward sehr ungehalten auf mich, als das Testament meines Grosvaters einen Theil der Güter, die er schon in Hoffnung besaß, ver- äussert hatte: denn der Theil des Testament in welchem er mich bedacht hatte, war vorhin gantz unbekannt, und ich selbst hatte nichts davon ge- wust. Es ist wahr, niemand war völlig mit die- sem Willen meines Grosvaters zufrieden. Denn ob ich gleich bey allen beliebt war, so meinten doch Vater, Onckles, Bruder, Schwester ins- gesamt, sie wären mir als dem jüngsten Kinde nachgesetzt, und es wäre wenigstens ihren Rech- ten zu nahe getreten, und ihnen die Hände gebun- den, daß sie nicht mit dem Gute thun könnten was
sie
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der Clariſſa.
„waͤren Huͤner fuͤr anderer Leute Tiſch.„ Er pfleg- te noch die hoͤfliche Anmerckung dazu zu ſetzen: „Man muͤſſe die Guͤter der Familien mit in den „Kauf geben, damit ſie nur jemand nehmen moͤch- „te.„ Dieſer Ausdruck pflegte meine aͤltere Schweſter gantz auſſer ſich zu ſetzen: und ob es gleich ſcheint, daß ſie jetzt dafuͤr haͤlt, es koͤnne nur die juͤngſte Schweſter eine Laſt der Familie ſeyn, ſo trug ſie mir doch damahls oft an, eine Parthey in unſerm Hauſe gegen die unerſaͤttlichen Abſichten meines Bruders zu machen. Jch wollte aber ſei- ne freyen Reden blos fuͤr einen luſtigen Schertz anſehen, und ſagte, es waͤre mir lieb, einen jungen Menſchen, der ſelten aufgeraͤumt ſey, einmahl ſchertzen zu hoͤren: oder hoͤchſtens hielt ich ſie fuͤr eine Schwachheit, die man nicht mit Unwillen ſondern mit Auslachen abweiſen muͤßte.
Mein Bruder ward ſehr ungehalten auf mich, als das Teſtament meines Grosvaters einen Theil der Guͤter, die er ſchon in Hoffnung beſaß, ver- aͤuſſert hatte: denn der Theil des Teſtament in welchem er mich bedacht hatte, war vorhin gantz unbekannt, und ich ſelbſt hatte nichts davon ge- wuſt. Es iſt wahr, niemand war voͤllig mit die- ſem Willen meines Grosvaters zufrieden. Denn ob ich gleich bey allen beliebt war, ſo meinten doch Vater, Onckles, Bruder, Schweſter ins- geſamt, ſie waͤren mir als dem juͤngſten Kinde nachgeſetzt, und es waͤre wenigſtens ihren Rech- ten zu nahe getreten, und ihnen die Haͤnde gebun- den, daß ſie nicht mit dem Gute thun koͤnnten was
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der Clariſſa.
„waͤren Huͤner fuͤr anderer Leute Tiſch.„ Er pfleg-
te noch die hoͤfliche Anmerckung dazu zu ſetzen:
„Man muͤſſe die Guͤter der Familien mit in den
„Kauf geben, damit ſie nur jemand nehmen moͤch-
„te.„ Dieſer Ausdruck pflegte meine aͤltere
Schweſter gantz auſſer ſich zu ſetzen: und ob es
gleich ſcheint, daß ſie jetzt dafuͤr haͤlt, es koͤnne nur
die juͤngſte Schweſter eine Laſt der Familie ſeyn, ſo
trug ſie mir doch damahls oft an, eine Parthey in
unſerm Hauſe gegen die unerſaͤttlichen Abſichten
meines Bruders zu machen. Jch wollte aber ſei-
ne freyen Reden blos fuͤr einen luſtigen Schertz
anſehen, und ſagte, es waͤre mir lieb, einen jungen
Menſchen, der ſelten aufgeraͤumt ſey, einmahl
ſchertzen zu hoͤren: oder hoͤchſtens hielt ich ſie fuͤr
eine Schwachheit, die man nicht mit Unwillen
ſondern mit Auslachen abweiſen muͤßte.
Mein Bruder ward ſehr ungehalten auf mich,
als das Teſtament meines Grosvaters einen Theil
der Guͤter, die er ſchon in Hoffnung beſaß, ver-
aͤuſſert hatte: denn der Theil des Teſtament in
welchem er mich bedacht hatte, war vorhin gantz
unbekannt, und ich ſelbſt hatte nichts davon ge-
wuſt. Es iſt wahr, niemand war voͤllig mit die-
ſem Willen meines Grosvaters zufrieden. Denn
ob ich gleich bey allen beliebt war, ſo meinten
doch Vater, Onckles, Bruder, Schweſter ins-
geſamt, ſie waͤren mir als dem juͤngſten Kinde
nachgeſetzt, und es waͤre wenigſtens ihren Rech-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/141>, abgerufen am 26.06.2024.
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