nicht eben bey Durchlesung dieser Zeilen eine un- gewöhnliche Empfindung, die macht, daß Jh- nen eine Röthe ausbricht, und daß ihr Hertz stär- cker schläget? Es ist nichts als Grosmuth, mein Kind, von der Jhnen das Hertz pochen wird! Allein ich dencke das, was der Römische Wahrsager zum Cäsar sprach: hüte dich vor dem funfzehenten Mertz!
Leben Sie wohl, und verzeihen mir mein freyes Schreiben. Gebrauchen Sie sich bald des grü- nen Ganges, um die Vergebung anzukündigen
Jhrer ergebensten Anna Howe.
Der eilffte Brief von Fräulein Clarissa Harlowe/ an Fräulein Howe.
Mittewochens den 1. Mertz.
Das Ende ihres letzten Briefes hat mich verun- ruhiget, und ist mir etwas empfindlich ge- wesen. Als ich es das erste mahl überlaß, so sag- te ich zu mir selbst: du hast es in einem Brief an deine allerbeste Freundin für unnöthig gehalten, die Worte mit Fleiß so abzuwägen, daß sie zu kei- nem Tadel Gelegenheit geben möchten. Allein ich faßte mich bald wieder, und dachte, es könne viel- leicht etwas mehreres als die Losigkeit einer so muntern Feder diesen Theil Jhres Briefes veran-
lasset
G 4
der Clariſſa.
nicht eben bey Durchleſung dieſer Zeilen eine un- gewoͤhnliche Empfindung, die macht, daß Jh- nen eine Roͤthe ausbricht, und daß ihr Hertz ſtaͤr- cker ſchlaͤget? Es iſt nichts als Grosmuth, mein Kind, von der Jhnen das Hertz pochen wird! Allein ich dencke das, was der Roͤmiſche Wahrſager zum Caͤſar ſprach: huͤte dich vor dem funfzehenten Mertz!
Leben Sie wohl, und verzeihen mir mein freyes Schreiben. Gebrauchen Sie ſich bald des gruͤ- nen Ganges, um die Vergebung anzukuͤndigen
Jhrer ergebenſten Anna Howe.
Der eilffte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe/ an Fraͤulein Howe.
Mittewochens den 1. Mertz.
Das Ende ihres letzten Briefes hat mich verun- ruhiget, und iſt mir etwas empfindlich ge- weſen. Als ich es das erſte mahl uͤberlaß, ſo ſag- te ich zu mir ſelbſt: du haſt es in einem Brief an deine allerbeſte Freundin fuͤr unnoͤthig gehalten, die Worte mit Fleiß ſo abzuwaͤgen, daß ſie zu kei- nem Tadel Gelegenheit geben moͤchten. Allein ich faßte mich bald wieder, und dachte, es koͤnne viel- leicht etwas mehreres als die Loſigkeit einer ſo muntern Feder dieſen Theil Jhres Briefes veran-
laſſet
G 4
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der Clariſſa.
nicht eben bey Durchleſung dieſer Zeilen eine un-
gewoͤhnliche Empfindung, die macht, daß Jh-
nen eine Roͤthe ausbricht, und daß ihr Hertz ſtaͤr-
cker ſchlaͤget? Es iſt nichts als Grosmuth,
mein Kind, von der Jhnen das Hertz pochen
wird! Allein ich dencke das, was der Roͤmiſche
Wahrſager zum Caͤſar ſprach: huͤte dich vor
dem funfzehenten Mertz!
Leben Sie wohl, und verzeihen mir mein freyes
Schreiben. Gebrauchen Sie ſich bald des gruͤ-
nen Ganges, um die Vergebung anzukuͤndigen
Jhrer ergebenſten
Anna Howe.
Der eilffte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe/ an Fraͤulein
Howe.
Mittewochens den 1. Mertz.
Das Ende ihres letzten Briefes hat mich verun-
ruhiget, und iſt mir etwas empfindlich ge-
weſen. Als ich es das erſte mahl uͤberlaß, ſo ſag-
te ich zu mir ſelbſt: du haſt es in einem Brief an
deine allerbeſte Freundin fuͤr unnoͤthig gehalten,
die Worte mit Fleiß ſo abzuwaͤgen, daß ſie zu kei-
nem Tadel Gelegenheit geben moͤchten. Allein ich
faßte mich bald wieder, und dachte, es koͤnne viel-
leicht etwas mehreres als die Loſigkeit einer ſo
muntern Feder dieſen Theil Jhres Briefes veran-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/123>, abgerufen am 27.11.2024.
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