Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.6 14. Januar Heute -- gestern -- vorgestern -- ich muß mich erst wieder besinnen, wie die Tage sich folgten. Mittwoch war das Fest, und am Donnerstag nach Tisch machte ich mich noch ziemlich schläfrig auf den Weg, um der freundlichen Einladung des Philosophen zu folgen. Unterwegs fiel mir ein, daß bei Hofmanns Jour war und ich wohl auch dorthin gehen müsse. Frau Hofmann hatte mir gesagt, es werde heute wahrscheinlich Delius kommen, und ich sollte ja nicht versäumen, ihn persönlich kennen zu lernen. Er sei eine der bedeutendsten Erscheinungen des heutigen Deutschlands -- ich glaube sogar, sie sagte "Germaniens", und mir ist nicht recht klar, wie sich das mit seiner römischen Substanz vereinigen läßt. So bat ich Sendt, nach einer angenehmen, friedlichen Teestunde, ob er nicht mitgehen wolle. Er zeigte sich nicht sehr aufgelegt, entschloß sich aber endlich doch. 6 14. Januar Heute — gestern — vorgestern — ich muß mich erst wieder besinnen, wie die Tage sich folgten. Mittwoch war das Fest, und am Donnerstag nach Tisch machte ich mich noch ziemlich schläfrig auf den Weg, um der freundlichen Einladung des Philosophen zu folgen. Unterwegs fiel mir ein, daß bei Hofmanns Jour war und ich wohl auch dorthin gehen müsse. Frau Hofmann hatte mir gesagt, es werde heute wahrscheinlich Delius kommen, und ich sollte ja nicht versäumen, ihn persönlich kennen zu lernen. Er sei eine der bedeutendsten Erscheinungen des heutigen Deutschlands — ich glaube sogar, sie sagte „Germaniens“, und mir ist nicht recht klar, wie sich das mit seiner römischen Substanz vereinigen läßt. So bat ich Sendt, nach einer angenehmen, friedlichen Teestunde, ob er nicht mitgehen wolle. Er zeigte sich nicht sehr aufgelegt, entschloß sich aber endlich doch. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0062" n="58"/> <div n="1"> <head>6</head> <div type="letter" n="2"> <opener> <dateline> <hi rendition="#right">14. Januar</hi> </dateline> </opener> <p>Heute — gestern — vorgestern — ich muß mich erst wieder besinnen, wie die Tage sich folgten.</p> <p>Mittwoch war das Fest, und am Donnerstag nach Tisch machte ich mich noch ziemlich schläfrig auf den Weg, um der freundlichen Einladung des Philosophen zu folgen. Unterwegs fiel mir ein, daß bei Hofmanns Jour war und ich wohl auch dorthin gehen müsse. Frau Hofmann hatte mir gesagt, es werde heute wahrscheinlich Delius kommen, und ich sollte ja nicht versäumen, ihn persönlich kennen zu lernen. Er sei eine der bedeutendsten Erscheinungen des heutigen Deutschlands — ich glaube sogar, sie sagte „Germaniens“, und mir ist nicht recht klar, wie sich das mit seiner römischen Substanz vereinigen läßt.</p> <p>So bat ich Sendt, nach einer angenehmen, friedlichen Teestunde, ob er nicht mitgehen wolle. Er zeigte sich nicht sehr aufgelegt, entschloß sich aber endlich doch.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0062]
6 14. Januar Heute — gestern — vorgestern — ich muß mich erst wieder besinnen, wie die Tage sich folgten.
Mittwoch war das Fest, und am Donnerstag nach Tisch machte ich mich noch ziemlich schläfrig auf den Weg, um der freundlichen Einladung des Philosophen zu folgen. Unterwegs fiel mir ein, daß bei Hofmanns Jour war und ich wohl auch dorthin gehen müsse. Frau Hofmann hatte mir gesagt, es werde heute wahrscheinlich Delius kommen, und ich sollte ja nicht versäumen, ihn persönlich kennen zu lernen. Er sei eine der bedeutendsten Erscheinungen des heutigen Deutschlands — ich glaube sogar, sie sagte „Germaniens“, und mir ist nicht recht klar, wie sich das mit seiner römischen Substanz vereinigen läßt.
So bat ich Sendt, nach einer angenehmen, friedlichen Teestunde, ob er nicht mitgehen wolle. Er zeigte sich nicht sehr aufgelegt, entschloß sich aber endlich doch.
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