Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.an eine Allgemeinheit verliert -- so konnte es wohl für erreicht gelten. Als ich Sendt diese Wahrnehmung mitteilte, lächelte er ein wenig und sagte: "Lassen Sie nur alle erst einmal ausschlafen, dann wollen wir weiter darüber reden." Das war in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch, als die letzten Lokale geschlossen wurden und es hieß, der Karneval sei nun zu Ende. Die meisten gingen denn auch nach Hause -- wir nicht, -- wir standen im Schnee auf der Straße und wollten glücklich bleiben. Dann lud uns jemand, den wir nicht kannten, zum Frühstück ein, das Frühstück ging in ein Souper, das Souper in ein Gelage mit Tanz über, dann wurde alles undeutlich, immer undeutlicher. Man war nicht mehr im Kostüm, war wieder in seiner gewöhnlichen Kleidung und fand sich eines Nachmittags um den Teetisch im Eckhaus versammelt. Die verschiedenen fremden Gesichter waren verschwunden, und der engere vertraute Kreis war wieder unter sich. Nur Susanna fehlte noch -- aber man spricht nicht darüber. Orlonski prüft seine Bergstiefel, jongliert mit den Tellern und tanzt einen scharrenden Niggertanz, -- lauter Anzeichen, daß er mit irgend etwas nicht einverstanden ist. an eine Allgemeinheit verliert — so konnte es wohl für erreicht gelten. Als ich Sendt diese Wahrnehmung mitteilte, lächelte er ein wenig und sagte: „Lassen Sie nur alle erst einmal ausschlafen, dann wollen wir weiter darüber reden.“ Das war in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch, als die letzten Lokale geschlossen wurden und es hieß, der Karneval sei nun zu Ende. Die meisten gingen denn auch nach Hause — wir nicht, — wir standen im Schnee auf der Straße und wollten glücklich bleiben. Dann lud uns jemand, den wir nicht kannten, zum Frühstück ein, das Frühstück ging in ein Souper, das Souper in ein Gelage mit Tanz über, dann wurde alles undeutlich, immer undeutlicher. Man war nicht mehr im Kostüm, war wieder in seiner gewöhnlichen Kleidung und fand sich eines Nachmittags um den Teetisch im Eckhaus versammelt. Die verschiedenen fremden Gesichter waren verschwunden, und der engere vertraute Kreis war wieder unter sich. Nur Susanna fehlte noch — aber man spricht nicht darüber. Orlonski prüft seine Bergstiefel, jongliert mit den Tellern und tanzt einen scharrenden Niggertanz, — lauter Anzeichen, daß er mit irgend etwas nicht einverstanden ist. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0151" n="147"/> an eine Allgemeinheit verliert — so konnte es wohl für erreicht gelten.</p> <p>Als ich Sendt diese Wahrnehmung mitteilte, lächelte er ein wenig und sagte:</p> <p>„Lassen Sie nur alle erst einmal ausschlafen, dann wollen wir weiter darüber reden.“</p> <p>Das war in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch, als die letzten Lokale geschlossen wurden und es hieß, der Karneval sei nun zu Ende.</p> <p>Die meisten gingen denn auch nach Hause — wir nicht, — wir standen im Schnee auf der Straße und wollten glücklich bleiben. Dann lud uns jemand, den wir nicht kannten, zum Frühstück ein, das Frühstück ging in ein Souper, das Souper in ein Gelage mit Tanz über, dann wurde alles undeutlich, immer undeutlicher. Man war nicht mehr im Kostüm, war wieder in seiner gewöhnlichen Kleidung und fand sich eines Nachmittags um den Teetisch im Eckhaus versammelt. Die verschiedenen fremden Gesichter waren verschwunden, und der engere vertraute Kreis war wieder unter sich. Nur Susanna fehlte noch — aber man spricht nicht darüber. Orlonski prüft seine Bergstiefel, jongliert mit den Tellern und tanzt einen scharrenden Niggertanz, — lauter Anzeichen, daß er mit irgend etwas nicht einverstanden ist.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [147/0151]
an eine Allgemeinheit verliert — so konnte es wohl für erreicht gelten.
Als ich Sendt diese Wahrnehmung mitteilte, lächelte er ein wenig und sagte:
„Lassen Sie nur alle erst einmal ausschlafen, dann wollen wir weiter darüber reden.“
Das war in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch, als die letzten Lokale geschlossen wurden und es hieß, der Karneval sei nun zu Ende.
Die meisten gingen denn auch nach Hause — wir nicht, — wir standen im Schnee auf der Straße und wollten glücklich bleiben. Dann lud uns jemand, den wir nicht kannten, zum Frühstück ein, das Frühstück ging in ein Souper, das Souper in ein Gelage mit Tanz über, dann wurde alles undeutlich, immer undeutlicher. Man war nicht mehr im Kostüm, war wieder in seiner gewöhnlichen Kleidung und fand sich eines Nachmittags um den Teetisch im Eckhaus versammelt. Die verschiedenen fremden Gesichter waren verschwunden, und der engere vertraute Kreis war wieder unter sich. Nur Susanna fehlte noch — aber man spricht nicht darüber. Orlonski prüft seine Bergstiefel, jongliert mit den Tellern und tanzt einen scharrenden Niggertanz, — lauter Anzeichen, daß er mit irgend etwas nicht einverstanden ist.
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