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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

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eure weisen Einrichtungen zu nutzen, und die er-
habenen Lehren, welche ihr uns zu geben im Stan-
de seid, zu unserm Vortheil anzuwenden.

Ein ehrwürdiger Alter antwortete also: Flie-
gende Reisende, wir freuen uns euch zu sehn;
da wir nicht Ursach haben, weder über unsere
Einrichtungen, noch über unsre Lebensarten, noch
über unsere Arbeiten, noch über unsere Vergnü-
gungen, noch über unsere Gebräuche, noch folglich
über unsere ganze Verfassung zu erröthen, so
kan uns der Besuch von Fremden nicht anders,
als angenehm sein. Jedermann ist in diesem Lande
gern gesehn, aber vorzüglich lieben wir Leute, die
sich durch ein besonderes Verdienst auszeichnen.
Wir wollen euch bald in den Stand setzen, uns
das eurige zu zeigen. Dann wollen wir euch in
unsern Künsten, unsern Wissenschaften, unseren
Gebräuchen und allem was ihr wissen wolt, un-
terrichten. Zuvor müssen wir euch aber hin-
länglich kennen lernen; Sagt uns daher eure Mei-
nungen, eure Gesetze, und macht uns sowohl
mündlich, als aus denen bei euch habenden Bü-
chern, mit den Gebräuchen eurer Nation bekant.
Jhr müßt uns einen umständlichen Bericht von eu-
ren Kentnissen aller Art, mit einem Worte einen
vollständigen Begrif von der Verfassung eures Lan-
des geben.

Der Alte sagte dies in einer sehr schönen pa-
tagonischen Sprache, die unendlich zierlicher und

weicher
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eure weiſen Einrichtungen zu nutzen, und die er-
habenen Lehren, welche ihr uns zu geben im Stan-
de ſeid, zu unſerm Vortheil anzuwenden.

Ein ehrwuͤrdiger Alter antwortete alſo: Flie-
gende Reiſende, wir freuen uns euch zu ſehn;
da wir nicht Urſach haben, weder uͤber unſere
Einrichtungen, noch uͤber unſre Lebensarten, noch
uͤber unſere Arbeiten, noch uͤber unſere Vergnuͤ-
gungen, noch uͤber unſere Gebraͤuche, noch folglich
uͤber unſere ganze Verfaſſung zu erroͤthen, ſo
kan uns der Beſuch von Fremden nicht anders,
als angenehm ſein. Jedermann iſt in dieſem Lande
gern geſehn, aber vorzuͤglich lieben wir Leute, die
ſich durch ein beſonderes Verdienſt auszeichnen.
Wir wollen euch bald in den Stand ſetzen, uns
das eurige zu zeigen. Dann wollen wir euch in
unſern Kuͤnſten, unſern Wiſſenſchaften, unſeren
Gebraͤuchen und allem was ihr wiſſen wolt, un-
terrichten. Zuvor muͤſſen wir euch aber hin-
laͤnglich kennen lernen; Sagt uns daher eure Mei-
nungen, eure Geſetze, und macht uns ſowohl
muͤndlich, als aus denen bei euch habenden Buͤ-
chern, mit den Gebraͤuchen eurer Nation bekant.
Jhr muͤßt uns einen umſtaͤndlichen Bericht von eu-
ren Kentniſſen aller Art, mit einem Worte einen
vollſtaͤndigen Begrif von der Verfaſſung eures Lan-
des geben.

Der Alte ſagte dies in einer ſehr ſchoͤnen pa-
tagoniſchen Sprache, die unendlich zierlicher und

weicher
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[291/0299] eure weiſen Einrichtungen zu nutzen, und die er- habenen Lehren, welche ihr uns zu geben im Stan- de ſeid, zu unſerm Vortheil anzuwenden. Ein ehrwuͤrdiger Alter antwortete alſo: Flie- gende Reiſende, wir freuen uns euch zu ſehn; da wir nicht Urſach haben, weder uͤber unſere Einrichtungen, noch uͤber unſre Lebensarten, noch uͤber unſere Arbeiten, noch uͤber unſere Vergnuͤ- gungen, noch uͤber unſere Gebraͤuche, noch folglich uͤber unſere ganze Verfaſſung zu erroͤthen, ſo kan uns der Beſuch von Fremden nicht anders, als angenehm ſein. Jedermann iſt in dieſem Lande gern geſehn, aber vorzuͤglich lieben wir Leute, die ſich durch ein beſonderes Verdienſt auszeichnen. Wir wollen euch bald in den Stand ſetzen, uns das eurige zu zeigen. Dann wollen wir euch in unſern Kuͤnſten, unſern Wiſſenſchaften, unſeren Gebraͤuchen und allem was ihr wiſſen wolt, un- terrichten. Zuvor muͤſſen wir euch aber hin- laͤnglich kennen lernen; Sagt uns daher eure Mei- nungen, eure Geſetze, und macht uns ſowohl muͤndlich, als aus denen bei euch habenden Buͤ- chern, mit den Gebraͤuchen eurer Nation bekant. Jhr muͤßt uns einen umſtaͤndlichen Bericht von eu- ren Kentniſſen aller Art, mit einem Worte einen vollſtaͤndigen Begrif von der Verfaſſung eures Lan- des geben. Der Alte ſagte dies in einer ſehr ſchoͤnen pa- tagoniſchen Sprache, die unendlich zierlicher und weicher T 2

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Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/299>, abgerufen am 23.11.2024.