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Reinkingk, Dietrich: Biblische Policey. Frankfurt (Main), 1653.

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Das erste Buch/


AXIOMA LIV.
Von verstorbener Mit-Christen Seeligkeit sol man
nicht vorwitzig oder vbel vrtheilen.

ES ist ein alt Sprichtwort: De mortuis & absentibus nil nisi
bonum
. Von den Verstorbenen vnd Abwesenden sol man nichts
böses sagen/ sonderlich von eines verstorbenen Christen Heyl vnd
Seeligkeit. Denn dieselbe dem Allwissendem Hertzen kündiger/
der nicht auff das eusserliche siehet/ sondern das Hertz vnd dessen Abgrund
erforschet vnd prüffet vnd seine Augen auff den Glauben wendet/ allein
(1) Oculi
Domini
respiciunt
Fidem, Je-
rem. cap. 5.
v. 3.
wissend vnd bekant/ (1) auch denen/ so dieser Welt abgedancket/ vnd zur
ewigen Ruhe durch Christum gelanget/ weder nutzet noch schadet/ man
rede oder thue jhnen nach was man auch wolle.

Es haben die Alten recht gesaget: De propria salute judicandum
ex Canone Fidei: De proximi vero salute, ex Canone Charitatis.
Das
ist: Ein Christ muß von seiner Seeligkeit vnd deren gewissen Hoffnung
vrtheilen nach der Richtschnur deß Glaubens: Von seines Nächsten
aber nach der Richtschnur der Christlichen Liebe. Das erste hat seinen
Grund in GOttes Wort/ welches bezeuget/ daß der Gerechte werde
seines Glaubens leben/ bey dem Propheten Habacuc. Cap. 2. vers. 4.
Rom. Cap. 1. v. 17. vnd werde ein jeglicher für sich selbsten GOtt Rechen-
schafft geben. Rom. Cap. 14. v. 12. Jmgleichen das ander; Sintemahl
die Liebe nichts Arges gedencket/ sondern sie glaubet alles sie hoffet alles/
sie duldet alles. 1. ad Corinth. Cap. 13. v. 8. Sie decket alles zu. Prov.
Cap. 10. v.
12. auch der Sünde Menge. 1. Petri Ca. 4. v. 8. vnd wer bist du
spricht Paulus/ daß du einen frembden Knechtrichtest? Er stehet oder
fält seinem Herrn. Rom. Cap. 14. v. 4. welcher wird ans Liecht bringen
was im Finstern verborgen ist/ vnd den Rath der Hertzen offenbahren.
1. ad Corinth. Cap. 4. v. 5.

Sollen derowegen billich von vnsern Mit- Christen/ die auff Chri-
stum getauffet/ denselben vor den Heyland der Welt erkant vnd bekant/
sich seines Verdienstes/ Leydens vnd Sterbens in jhrer letzten Todtes
Stunde getröstet/ ob sie schon im Wollstande jhres Lebens/ nicht in allen

Puncten
Das erſte Buch/


AXIOMA LIV.
Von verſtorbener Mit-Chriſten Seeligkeit ſol man
nicht vorwitzig oder vbel vrtheilen.

ES iſt ein alt Sprichtwort: De mortuis & abſentibus nil niſi
bonum
. Von den Verſtorbenen vnd Abweſenden ſol man nichts
boͤſes ſagen/ ſonderlich von eines verſtorbenen Chriſten Heyl vnd
Seeligkeit. Denn dieſelbe dem Allwiſſendem Hertzen kuͤndiger/
der nicht auff das euſſerliche ſiehet/ ſondern das Hertz vnd deſſen Abgrund
erforſchet vnd pruͤffet vnd ſeine Augen auff den Glauben wendet/ allein
(1) Oculi
Domini
reſpiciunt
Fidem, Je-
rem. cap. 5.
v. 3.
wiſſend vnd bekant/ (1) auch denen/ ſo dieſer Welt abgedancket/ vnd zur
ewigen Ruhe durch Chriſtum gelanget/ weder nutzet noch ſchadet/ man
rede oder thue jhnen nach was man auch wolle.

Es haben die Alten recht geſaget: De propria ſalute judicandum
ex Canone Fidei: De proximi verò ſalute, ex Canone Charitatis.
Das
iſt: Ein Chriſt muß von ſeiner Seeligkeit vnd deren gewiſſen Hoffnung
vrtheilen nach der Richtſchnur deß Glaubens: Von ſeines Naͤchſten
aber nach der Richtſchnur der Chriſtlichen Liebe. Das erſte hat ſeinen
Grund in GOttes Wort/ welches bezeuget/ daß der Gerechte werde
ſeines Glaubens leben/ bey dem Propheten Habacuc. Cap. 2. verſ. 4.
Rom. Cap. 1. v. 17. vnd werde ein jeglicher fuͤr ſich ſelbſten GOtt Rechen-
ſchafft geben. Rom. Cap. 14. v. 12. Jmgleichen das ander; Sintemahl
die Liebe nichts Arges gedencket/ ſondern ſie glaubet alles ſie hoffet alles/
ſie duldet alles. 1. ad Corinth. Cap. 13. v. 8. Sie decket alles zu. Prov.
Cap. 10. v.
12. auch der Suͤnde Menge. 1. Petri Ca. 4. v. 8. vnd wer biſt du
ſpricht Paulus/ daß du einen frembden Knechtrichteſt? Er ſtehet oder
faͤlt ſeinem Herꝛn. Rom. Cap. 14. v. 4. welcher wird ans Liecht bringen
was im Finſtern verborgen iſt/ vnd den Rath der Hertzen offenbahren.
1. ad Corinth. Cap. 4. v. 5.

Sollen derowegen billich von vnſern Mit- Chriſten/ die auff Chri-
ſtum getauffet/ denſelben vor den Heyland der Welt erkant vnd bekant/
ſich ſeines Verdienſtes/ Leydens vnd Sterbens in jhrer letzten Todtes
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[112/0178] Das erſte Buch/ AXIOMA LIV. Von verſtorbener Mit-Chriſten Seeligkeit ſol man nicht vorwitzig oder vbel vrtheilen. ES iſt ein alt Sprichtwort: De mortuis & abſentibus nil niſi bonum. Von den Verſtorbenen vnd Abweſenden ſol man nichts boͤſes ſagen/ ſonderlich von eines verſtorbenen Chriſten Heyl vnd Seeligkeit. Denn dieſelbe dem Allwiſſendem Hertzen kuͤndiger/ der nicht auff das euſſerliche ſiehet/ ſondern das Hertz vnd deſſen Abgrund erforſchet vnd pruͤffet vnd ſeine Augen auff den Glauben wendet/ allein wiſſend vnd bekant/ (1) auch denen/ ſo dieſer Welt abgedancket/ vnd zur ewigen Ruhe durch Chriſtum gelanget/ weder nutzet noch ſchadet/ man rede oder thue jhnen nach was man auch wolle. (1) Oculi Domini reſpiciunt Fidem, Je- rem. cap. 5. v. 3. Es haben die Alten recht geſaget: De propria ſalute judicandum ex Canone Fidei: De proximi verò ſalute, ex Canone Charitatis. Das iſt: Ein Chriſt muß von ſeiner Seeligkeit vnd deren gewiſſen Hoffnung vrtheilen nach der Richtſchnur deß Glaubens: Von ſeines Naͤchſten aber nach der Richtſchnur der Chriſtlichen Liebe. Das erſte hat ſeinen Grund in GOttes Wort/ welches bezeuget/ daß der Gerechte werde ſeines Glaubens leben/ bey dem Propheten Habacuc. Cap. 2. verſ. 4. Rom. Cap. 1. v. 17. vnd werde ein jeglicher fuͤr ſich ſelbſten GOtt Rechen- ſchafft geben. Rom. Cap. 14. v. 12. Jmgleichen das ander; Sintemahl die Liebe nichts Arges gedencket/ ſondern ſie glaubet alles ſie hoffet alles/ ſie duldet alles. 1. ad Corinth. Cap. 13. v. 8. Sie decket alles zu. Prov. Cap. 10. v. 12. auch der Suͤnde Menge. 1. Petri Ca. 4. v. 8. vnd wer biſt du ſpricht Paulus/ daß du einen frembden Knechtrichteſt? Er ſtehet oder faͤlt ſeinem Herꝛn. Rom. Cap. 14. v. 4. welcher wird ans Liecht bringen was im Finſtern verborgen iſt/ vnd den Rath der Hertzen offenbahren. 1. ad Corinth. Cap. 4. v. 5. Sollen derowegen billich von vnſern Mit- Chriſten/ die auff Chri- ſtum getauffet/ denſelben vor den Heyland der Welt erkant vnd bekant/ ſich ſeines Verdienſtes/ Leydens vnd Sterbens in jhrer letzten Todtes Stunde getroͤſtet/ ob ſie ſchon im Wollſtande jhres Lebens/ nicht in allen Puncten

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Zitationshilfe: Reinkingk, Dietrich: Biblische Policey. Frankfurt (Main), 1653, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reinkingk_policey_1653/178>, abgerufen am 22.11.2024.