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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
steht die Pflanze nicht recht zu behandeln, lässt es an geeignetem
Dünger fehlen, häufelt nicht und erzielt so nur dürftige Ernten, etwa
das Fünffache der Aussaat. Der Japaner hat sich eben weder mit
ihrer geeigneten Cultur, noch mit dem Geschmack vertraut gemacht,
ebensowenig, wie die meisten andern Völker der Erde letzteren in
gleichem Maasse wie wir zu schätzen vermögen. Die hervorragende
Stellung der Kartoffel im Haushalte der Germanen und Slaven findet
sich nirgends wieder. Ueberschreiten wir die Nordgrenze der Mittel-
meerregion, so finden wir eine rasche Abnahme ihrer Cultur, die viel
mehr durch eine andere Geschmacksrichtung und das Hinzutreten von
Ersatzmitteln, wie Kastanie und Batate, als durch das Klima bedingt
ist. So nimmt dieselbe in Norditalien noch 0,33 %, in Mittelitalien
0,24 %, aber in Unteritalien nur noch 0,03 % der Bodenfläche in An-
spruch. Eine ähnliche Abnahme zeigt sich auf der Iberischen Halb-
insel. Hieraus erklärt sich denn auch, wesshalb die Kartoffel nicht
schon durch die Portugiesen nach Japan kam. Dieselben hatten wohl
das Bedürfniss, den Tabak, die Weinrebe und die Quitten, aus wel-
chen man in Spanien, wie in Portugal mit Zucker eine sehr beliebte
Confiture darstellt, einzuführen, nicht aber Solanum tuberosum.

Die ihrer Knollen wegen viel cultivierten Araceen kommen in
Japan ebensowenig, wie sonst auf den Feldern zur Blüthe, da sie hier
nur eine Vegetationsperiode durchmachen und während derselben keine
Stengel entwickeln, sondern in der niedrigen Kraut- oder Monopodien-
form bleiben. Dies erschwert denn wesentlich ihre Unterscheidung.
Die geschätzteste und verbreitetste Art, und zwar nicht blos in Japan,
sondern über das ganze Monsungebiet und Polynesien ist

8) Colocasia antiquorum Schott (Arum esculentum L.), welche der
Japaner gewöhnlich Imo schlechtweg, oder Sato-imo (Dorfkar-
toffel), der Südseeinsulaner aber Taro zu nennen pflegt. Andere
japanische Namen bezeichnen verschiedene Abarten. Von der Mutter-
knolle (Oya-imo), die sich einem Rhizom nähert, entwickeln sich nach
verschiedenen Richtungen am Ende kurzer Triebe (Stolonen) die Axil-
larknospen zu ellipsoidischen oder eiförmigen fleischigen Knollen
(Ko-imo) von weisser Farbe, der Grösse eines Hühnereies und 60--
80 Gramm Gewicht. Von Kohlenhydraten weisen dieselben mehr
Glycose und Dextrin als Stärke auf; daher denn auch der eigen-
thümliche süssliche Geschmack. Die Vermehrung geschieht, wie bei
unseren Kartoffeln, durch Knollen. Die Blattstiele der Sato-imo sind
grün und länger, die ansehnlichen schild-herzförmigen Blattspreiten
grösser, als bei den meisten andern Arten der hierher gehörenden
Imo, oberseits glänzend grün, unterseits grauweiss.

I. Land- und Forstwirthschaft.
steht die Pflanze nicht recht zu behandeln, lässt es an geeignetem
Dünger fehlen, häufelt nicht und erzielt so nur dürftige Ernten, etwa
das Fünffache der Aussaat. Der Japaner hat sich eben weder mit
ihrer geeigneten Cultur, noch mit dem Geschmack vertraut gemacht,
ebensowenig, wie die meisten andern Völker der Erde letzteren in
gleichem Maasse wie wir zu schätzen vermögen. Die hervorragende
Stellung der Kartoffel im Haushalte der Germanen und Slaven findet
sich nirgends wieder. Ueberschreiten wir die Nordgrenze der Mittel-
meerregion, so finden wir eine rasche Abnahme ihrer Cultur, die viel
mehr durch eine andere Geschmacksrichtung und das Hinzutreten von
Ersatzmitteln, wie Kastanie und Batate, als durch das Klima bedingt
ist. So nimmt dieselbe in Norditalien noch 0,33 %, in Mittelitalien
0,24 %, aber in Unteritalien nur noch 0,03 % der Bodenfläche in An-
spruch. Eine ähnliche Abnahme zeigt sich auf der Iberischen Halb-
insel. Hieraus erklärt sich denn auch, wesshalb die Kartoffel nicht
schon durch die Portugiesen nach Japan kam. Dieselben hatten wohl
das Bedürfniss, den Tabak, die Weinrebe und die Quitten, aus wel-
chen man in Spanien, wie in Portugal mit Zucker eine sehr beliebte
Confiture darstellt, einzuführen, nicht aber Solanum tuberosum.

Die ihrer Knollen wegen viel cultivierten Araceen kommen in
Japan ebensowenig, wie sonst auf den Feldern zur Blüthe, da sie hier
nur eine Vegetationsperiode durchmachen und während derselben keine
Stengel entwickeln, sondern in der niedrigen Kraut- oder Monopodien-
form bleiben. Dies erschwert denn wesentlich ihre Unterscheidung.
Die geschätzteste und verbreitetste Art, und zwar nicht blos in Japan,
sondern über das ganze Monsungebiet und Polynesien ist

8) Colocasia antiquorum Schott (Arum esculentum L.), welche der
Japaner gewöhnlich Imo schlechtweg, oder Sato-imo (Dorfkar-
toffel), der Südseeinsulaner aber Taro zu nennen pflegt. Andere
japanische Namen bezeichnen verschiedene Abarten. Von der Mutter-
knolle (Oya-imo), die sich einem Rhizom nähert, entwickeln sich nach
verschiedenen Richtungen am Ende kurzer Triebe (Stolonen) die Axil-
larknospen zu ellipsoidischen oder eiförmigen fleischigen Knollen
(Ko-imo) von weisser Farbe, der Grösse eines Hühnereies und 60—
80 Gramm Gewicht. Von Kohlenhydraten weisen dieselben mehr
Glycose und Dextrin als Stärke auf; daher denn auch der eigen-
thümliche süssliche Geschmack. Die Vermehrung geschieht, wie bei
unseren Kartoffeln, durch Knollen. Die Blattstiele der Sato-imo sind
grün und länger, die ansehnlichen schild-herzförmigen Blattspreiten
grösser, als bei den meisten andern Arten der hierher gehörenden
Imo, oberseits glänzend grün, unterseits grauweiss.

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[78/0098] I. Land- und Forstwirthschaft. steht die Pflanze nicht recht zu behandeln, lässt es an geeignetem Dünger fehlen, häufelt nicht und erzielt so nur dürftige Ernten, etwa das Fünffache der Aussaat. Der Japaner hat sich eben weder mit ihrer geeigneten Cultur, noch mit dem Geschmack vertraut gemacht, ebensowenig, wie die meisten andern Völker der Erde letzteren in gleichem Maasse wie wir zu schätzen vermögen. Die hervorragende Stellung der Kartoffel im Haushalte der Germanen und Slaven findet sich nirgends wieder. Ueberschreiten wir die Nordgrenze der Mittel- meerregion, so finden wir eine rasche Abnahme ihrer Cultur, die viel mehr durch eine andere Geschmacksrichtung und das Hinzutreten von Ersatzmitteln, wie Kastanie und Batate, als durch das Klima bedingt ist. So nimmt dieselbe in Norditalien noch 0,33 %, in Mittelitalien 0,24 %, aber in Unteritalien nur noch 0,03 % der Bodenfläche in An- spruch. Eine ähnliche Abnahme zeigt sich auf der Iberischen Halb- insel. Hieraus erklärt sich denn auch, wesshalb die Kartoffel nicht schon durch die Portugiesen nach Japan kam. Dieselben hatten wohl das Bedürfniss, den Tabak, die Weinrebe und die Quitten, aus wel- chen man in Spanien, wie in Portugal mit Zucker eine sehr beliebte Confiture darstellt, einzuführen, nicht aber Solanum tuberosum. Die ihrer Knollen wegen viel cultivierten Araceen kommen in Japan ebensowenig, wie sonst auf den Feldern zur Blüthe, da sie hier nur eine Vegetationsperiode durchmachen und während derselben keine Stengel entwickeln, sondern in der niedrigen Kraut- oder Monopodien- form bleiben. Dies erschwert denn wesentlich ihre Unterscheidung. Die geschätzteste und verbreitetste Art, und zwar nicht blos in Japan, sondern über das ganze Monsungebiet und Polynesien ist 8) Colocasia antiquorum Schott (Arum esculentum L.), welche der Japaner gewöhnlich Imo schlechtweg, oder Sato-imo (Dorfkar- toffel), der Südseeinsulaner aber Taro zu nennen pflegt. Andere japanische Namen bezeichnen verschiedene Abarten. Von der Mutter- knolle (Oya-imo), die sich einem Rhizom nähert, entwickeln sich nach verschiedenen Richtungen am Ende kurzer Triebe (Stolonen) die Axil- larknospen zu ellipsoidischen oder eiförmigen fleischigen Knollen (Ko-imo) von weisser Farbe, der Grösse eines Hühnereies und 60— 80 Gramm Gewicht. Von Kohlenhydraten weisen dieselben mehr Glycose und Dextrin als Stärke auf; daher denn auch der eigen- thümliche süssliche Geschmack. Die Vermehrung geschieht, wie bei unseren Kartoffeln, durch Knollen. Die Blattstiele der Sato-imo sind grün und länger, die ansehnlichen schild-herzförmigen Blattspreiten grösser, als bei den meisten andern Arten der hierher gehörenden Imo, oberseits glänzend grün, unterseits grauweiss.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/98>, abgerufen am 24.04.2024.