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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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1. Die japanische Landwirthschaft im Allgemeinen.
Preise, welche je nach Bedarf mit der Jahreszeit steigen oder fallen,
im Frühjahr am höchsten sind, im Winter oft unter die Hälfte herunter
gehen. Vor 10 Jahren war in Yokohama der Durchschnittspreis für
ein ka (eine Mannslast, hier 2 Eimer) 6--8 sen; vor 3 Jahren stieg
er auf 10 sen, im April auf 121/2 sen. In diesem Monat verkaufte
die Gesellschaft den Dünger an die Landleute für 14--15 sen pro ka.
In Tokio, wo die Nachfrage im Verhältniss zur enormen Ausfuhr
geringer ist, stehen dem entsprechend auch die Preise niedriger, in
vielen kleineren Orten höher. Dass Latrinendünger für die Land-
wirthschaft hochgeschätzt und käuflich erworben wird, z. B. der aus
Stuttgart von den schwäbischen Bauern, ist in Deutschland verhältniss-
mässig neu.

Eine grosse Rolle spielt auch der Compost, koye-tsuchi d. h.
die Dünger-Erde, oder Koyashi-tsuchi genannt. Derselbe wird aus
Erde und allen zugänglichen pflanzlichen und thierischen Abfällen
bereitet und oft mit Gülle oder auch nur mit Wasser übergossen, um
die Zersetzung zu beschleunigen, während Kalk hierbei gar nicht in
Anwendung kommt. Bei seiner Verwendung erhält der Compost oft
noch Zusätze von Fäcalstoffen oder auch von Gründünger.

Als theuerster und geschätztester thierischer Dünger gilt der
Fischguano, ein ansehnlicher Handelsartikel aus verschiedenerlei
Fischabfällen, ganz besonders aber von mehreren Häringsarten, z. B.
dem Nishin (Clupea harengus), dem Iwashi (Clupea melanosticta und
Cl. gracilis) und Isaza (Engraulis japonicus). Diese Fische, welche
in grossen Schaaren im März und April, und dann wieder im October
und November an einzelnen Küstenstrichen Japans erscheinen, z. B. an
der Ostküste von Yezo, der Küste von Hitachi, vom Japanischen Meer
etc., wurden bisher nicht wie in Europa eingemacht, sondern grössten-
theils zur Gewinnung von einer Art Thran verwerthet, während ihre
getrockneten übelriechenden Rückstände als Dünger in den Handel
kommen. Nachdem man das Oel durch Kochen der Fische mit Wasser
extrahirt hat, werden die Rückstände auf Matten ausgebreitet, an der
Sonne getrocknet und dann lose oder gepresst versandt. So liefert
z. B. ein einziger Ort, Namens Tomacomi an der Küste von Yezo jähr-
lich etwa 150 Kübel Fischöl und gegen 7000 Koku Fischdünger. Man
benutzt diesen widerwärtig riechenden, aber sehr wirksamen Fisch-
guano unter anderm zum Düngen der Theepflanzen. Auch die Ab-
fälle
der Seidenraupenzucht werden als Dünger verwerthet.

Eine weitere sehr geschätzte Düngersorte besteht in Oelkuchen
oder Abura-kasu, welche man neben Fischdünger auch zum Treiben
der jungen Baumwoll- und Tabakpflanzen verwendet. Sie werden

Rein, Japan. II. 3

1. Die japanische Landwirthschaft im Allgemeinen.
Preise, welche je nach Bedarf mit der Jahreszeit steigen oder fallen,
im Frühjahr am höchsten sind, im Winter oft unter die Hälfte herunter
gehen. Vor 10 Jahren war in Yokohama der Durchschnittspreis für
ein ka (eine Mannslast, hier 2 Eimer) 6—8 sen; vor 3 Jahren stieg
er auf 10 sen, im April auf 12½ sen. In diesem Monat verkaufte
die Gesellschaft den Dünger an die Landleute für 14—15 sen pro ka.
In Tôkio, wo die Nachfrage im Verhältniss zur enormen Ausfuhr
geringer ist, stehen dem entsprechend auch die Preise niedriger, in
vielen kleineren Orten höher. Dass Latrinendünger für die Land-
wirthschaft hochgeschätzt und käuflich erworben wird, z. B. der aus
Stuttgart von den schwäbischen Bauern, ist in Deutschland verhältniss-
mässig neu.

Eine grosse Rolle spielt auch der Compost, koye-tsuchi d. h.
die Dünger-Erde, oder Koyashi-tsuchi genannt. Derselbe wird aus
Erde und allen zugänglichen pflanzlichen und thierischen Abfällen
bereitet und oft mit Gülle oder auch nur mit Wasser übergossen, um
die Zersetzung zu beschleunigen, während Kalk hierbei gar nicht in
Anwendung kommt. Bei seiner Verwendung erhält der Compost oft
noch Zusätze von Fäcalstoffen oder auch von Gründünger.

Als theuerster und geschätztester thierischer Dünger gilt der
Fischguano, ein ansehnlicher Handelsartikel aus verschiedenerlei
Fischabfällen, ganz besonders aber von mehreren Häringsarten, z. B.
dem Nishin (Clupea harengus), dem Iwashi (Clupea melanosticta und
Cl. gracilis) und Isaza (Engraulis japonicus). Diese Fische, welche
in grossen Schaaren im März und April, und dann wieder im October
und November an einzelnen Küstenstrichen Japans erscheinen, z. B. an
der Ostküste von Yezo, der Küste von Hitachi, vom Japanischen Meer
etc., wurden bisher nicht wie in Europa eingemacht, sondern grössten-
theils zur Gewinnung von einer Art Thran verwerthet, während ihre
getrockneten übelriechenden Rückstände als Dünger in den Handel
kommen. Nachdem man das Oel durch Kochen der Fische mit Wasser
extrahirt hat, werden die Rückstände auf Matten ausgebreitet, an der
Sonne getrocknet und dann lose oder gepresst versandt. So liefert
z. B. ein einziger Ort, Namens Tomacomi an der Küste von Yezo jähr-
lich etwa 150 Kübel Fischöl und gegen 7000 Koku Fischdünger. Man
benutzt diesen widerwärtig riechenden, aber sehr wirksamen Fisch-
guano unter anderm zum Düngen der Theepflanzen. Auch die Ab-
fälle
der Seidenraupenzucht werden als Dünger verwerthet.

Eine weitere sehr geschätzte Düngersorte besteht in Oelkuchen
oder Abura-kasu, welche man neben Fischdünger auch zum Treiben
der jungen Baumwoll- und Tabakpflanzen verwendet. Sie werden

Rein, Japan. II. 3
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[33/0053] 1. Die japanische Landwirthschaft im Allgemeinen. Preise, welche je nach Bedarf mit der Jahreszeit steigen oder fallen, im Frühjahr am höchsten sind, im Winter oft unter die Hälfte herunter gehen. Vor 10 Jahren war in Yokohama der Durchschnittspreis für ein ka (eine Mannslast, hier 2 Eimer) 6—8 sen; vor 3 Jahren stieg er auf 10 sen, im April auf 12½ sen. In diesem Monat verkaufte die Gesellschaft den Dünger an die Landleute für 14—15 sen pro ka. In Tôkio, wo die Nachfrage im Verhältniss zur enormen Ausfuhr geringer ist, stehen dem entsprechend auch die Preise niedriger, in vielen kleineren Orten höher. Dass Latrinendünger für die Land- wirthschaft hochgeschätzt und käuflich erworben wird, z. B. der aus Stuttgart von den schwäbischen Bauern, ist in Deutschland verhältniss- mässig neu. Eine grosse Rolle spielt auch der Compost, koye-tsuchi d. h. die Dünger-Erde, oder Koyashi-tsuchi genannt. Derselbe wird aus Erde und allen zugänglichen pflanzlichen und thierischen Abfällen bereitet und oft mit Gülle oder auch nur mit Wasser übergossen, um die Zersetzung zu beschleunigen, während Kalk hierbei gar nicht in Anwendung kommt. Bei seiner Verwendung erhält der Compost oft noch Zusätze von Fäcalstoffen oder auch von Gründünger. Als theuerster und geschätztester thierischer Dünger gilt der Fischguano, ein ansehnlicher Handelsartikel aus verschiedenerlei Fischabfällen, ganz besonders aber von mehreren Häringsarten, z. B. dem Nishin (Clupea harengus), dem Iwashi (Clupea melanosticta und Cl. gracilis) und Isaza (Engraulis japonicus). Diese Fische, welche in grossen Schaaren im März und April, und dann wieder im October und November an einzelnen Küstenstrichen Japans erscheinen, z. B. an der Ostküste von Yezo, der Küste von Hitachi, vom Japanischen Meer etc., wurden bisher nicht wie in Europa eingemacht, sondern grössten- theils zur Gewinnung von einer Art Thran verwerthet, während ihre getrockneten übelriechenden Rückstände als Dünger in den Handel kommen. Nachdem man das Oel durch Kochen der Fische mit Wasser extrahirt hat, werden die Rückstände auf Matten ausgebreitet, an der Sonne getrocknet und dann lose oder gepresst versandt. So liefert z. B. ein einziger Ort, Namens Tomacomi an der Küste von Yezo jähr- lich etwa 150 Kübel Fischöl und gegen 7000 Koku Fischdünger. Man benutzt diesen widerwärtig riechenden, aber sehr wirksamen Fisch- guano unter anderm zum Düngen der Theepflanzen. Auch die Ab- fälle der Seidenraupenzucht werden als Dünger verwerthet. Eine weitere sehr geschätzte Düngersorte besteht in Oelkuchen oder Abura-kasu, welche man neben Fischdünger auch zum Treiben der jungen Baumwoll- und Tabakpflanzen verwendet. Sie werden Rein, Japan. II. 3

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/53>, abgerufen am 20.04.2024.