Familie Thymelaeaceae. Der japanische Name für diese Pflanze (siehe Tafel XII. folgende Seite) Mitsu-mata, d. h. "die Dreigabel", ist sehr bezeichnend. Er bezieht sich auf die charakteristische trichotome Gliederung der Aeste, eine Theilung, welche sich auch schon an der Spitze der stärkeren einjährigen Sämlinge zeigt; aber erst während der zweiten Vegetationsperiode allgemein zur Entwickelung kommt.
Nach der japanischen Bauernregel sollen die Samen den Sommer und den Winter über trocken aufbewahrt und Anfang April oder zehn Tage nach Higan (der Tag- und Nachtgleiche) ausgepflanzt werden. Man säet sie in Reihen und behandelt die jungen Bäumchen, wie die meisten andern Feldgewächse mit flüssigem Latrinendünger. Sie haben am Schlusse des Sommers 1/3 --1/2 m Höhe erreicht. Im folgenden Frühjahre werden sie verpflanzt und von da ab behandelt wie der gewöhnliche Papiermaulbeerstrauch. Die Büsche der Mitsu-mata wer- den jedoch astreicher, wie bei diesem, wohingegen die Schösslinge nie über 2 m Länge erreichen, in der Regel sogar weit hinter diesem Maass zurück und auch viel dünner bleiben; ausserdem unterscheiden sie sich im Sommer auf den ersten Blick von den Kodzobüschen durch das freundlichere Hellgrün der lorbeerförmigen ungeteilten Blätter.
Von der Edgeworthia gilt, was die Japaner von der Amaryllideen- gattung Lycoris sagen: "Ha mizu hana mizu", d. h. "die Blüthen sehen die Blätter nicht." Die Blüthezeit fällt im mittleren Hondo in den März, im Süden schon einen Monat früher, die Samen reifen schon Anfang Mai, noch bevor die Blätter sich völlig entwickelt haben.
Cultur und Verwendung dieser aus Indien stammenden Pflanze sind viel beschränkter, als die der Broussonetia. Je nach Beschaffen- heit des Bodens und der Pflege können auch von ihr drei oder vier Jahre nach der Aussaat die einjährigen Triebe zur Bast- und Papier- gewinnung benutzt werden. Man schneidet sie im November oder December ab und behandelt sie ähnlich, wie die der Broussonetia.
In den Provinzen Suruga, Kai und Idzu, im weiten Umkreise des Fuji-san, trifft man sie am meisten und bereitet hier viel Papier daraus, so zu Ishikawa in Kai, zu Kurasawa und andern Orten am Tokaido, zu Atami in Idzu, z. B. das bekannte Suruga-banshi, von dem Tafel XII. eine Probe bietet. Hohe Gebirge schützen hier die Mitsu-mata-Pflanzungen vor den rauhen Winden des Winters. In andern Landesteilen trifft man sie mehr zerstreut, wie auch als Zier- pflanze in den Gärten. In den kälteren Gegenden bedürfen die jüngeren Pflanzen der Ueberdachung als Schutzmittel gegen die nächtliche Kälte. Wenn v. Siebold meinte, die Edgeworthia komme in Japan spontan vor, so beruht dies sicherlich ebenso auf Täu-
5. Papierindustrie.
Familie Thymelaeaceae. Der japanische Name für diese Pflanze (siehe Tafel XII. folgende Seite) Mitsu-mata, d. h. »die Dreigabel«, ist sehr bezeichnend. Er bezieht sich auf die charakteristische trichotome Gliederung der Aeste, eine Theilung, welche sich auch schon an der Spitze der stärkeren einjährigen Sämlinge zeigt; aber erst während der zweiten Vegetationsperiode allgemein zur Entwickelung kommt.
Nach der japanischen Bauernregel sollen die Samen den Sommer und den Winter über trocken aufbewahrt und Anfang April oder zehn Tage nach Higan (der Tag- und Nachtgleiche) ausgepflanzt werden. Man säet sie in Reihen und behandelt die jungen Bäumchen, wie die meisten andern Feldgewächse mit flüssigem Latrinendünger. Sie haben am Schlusse des Sommers ⅓—½ m Höhe erreicht. Im folgenden Frühjahre werden sie verpflanzt und von da ab behandelt wie der gewöhnliche Papiermaulbeerstrauch. Die Büsche der Mitsu-mata wer- den jedoch astreicher, wie bei diesem, wohingegen die Schösslinge nie über 2 m Länge erreichen, in der Regel sogar weit hinter diesem Maass zurück und auch viel dünner bleiben; ausserdem unterscheiden sie sich im Sommer auf den ersten Blick von den Kôdzobüschen durch das freundlichere Hellgrün der lorbeerförmigen ungeteilten Blätter.
Von der Edgeworthia gilt, was die Japaner von der Amaryllideen- gattung Lycoris sagen: »Ha mizu hana mizu«, d. h. »die Blüthen sehen die Blätter nicht.« Die Blüthezeit fällt im mittleren Hondo in den März, im Süden schon einen Monat früher, die Samen reifen schon Anfang Mai, noch bevor die Blätter sich völlig entwickelt haben.
Cultur und Verwendung dieser aus Indien stammenden Pflanze sind viel beschränkter, als die der Broussonetia. Je nach Beschaffen- heit des Bodens und der Pflege können auch von ihr drei oder vier Jahre nach der Aussaat die einjährigen Triebe zur Bast- und Papier- gewinnung benutzt werden. Man schneidet sie im November oder December ab und behandelt sie ähnlich, wie die der Broussonetia.
In den Provinzen Suruga, Kai und Idzu, im weiten Umkreise des Fuji-san, trifft man sie am meisten und bereitet hier viel Papier daraus, so zu Ishikawa in Kai, zu Kurasawa und andern Orten am Tôkaidô, zu Atami in Idzu, z. B. das bekannte Suruga-banshi, von dem Tafel XII. eine Probe bietet. Hohe Gebirge schützen hier die Mitsu-mata-Pflanzungen vor den rauhen Winden des Winters. In andern Landesteilen trifft man sie mehr zerstreut, wie auch als Zier- pflanze in den Gärten. In den kälteren Gegenden bedürfen die jüngeren Pflanzen der Ueberdachung als Schutzmittel gegen die nächtliche Kälte. Wenn v. Siebold meinte, die Edgeworthia komme in Japan spontan vor, so beruht dies sicherlich ebenso auf Täu-
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[471/0511]
5. Papierindustrie.
Familie Thymelaeaceae. Der japanische Name für diese Pflanze (siehe
Tafel XII. folgende Seite) Mitsu-mata, d. h. »die Dreigabel«, ist
sehr bezeichnend. Er bezieht sich auf die charakteristische trichotome
Gliederung der Aeste, eine Theilung, welche sich auch schon an der
Spitze der stärkeren einjährigen Sämlinge zeigt; aber erst während
der zweiten Vegetationsperiode allgemein zur Entwickelung kommt.
Nach der japanischen Bauernregel sollen die Samen den Sommer
und den Winter über trocken aufbewahrt und Anfang April oder zehn
Tage nach Higan (der Tag- und Nachtgleiche) ausgepflanzt werden.
Man säet sie in Reihen und behandelt die jungen Bäumchen, wie die
meisten andern Feldgewächse mit flüssigem Latrinendünger. Sie haben
am Schlusse des Sommers ⅓—½ m Höhe erreicht. Im folgenden
Frühjahre werden sie verpflanzt und von da ab behandelt wie der
gewöhnliche Papiermaulbeerstrauch. Die Büsche der Mitsu-mata wer-
den jedoch astreicher, wie bei diesem, wohingegen die Schösslinge nie
über 2 m Länge erreichen, in der Regel sogar weit hinter diesem
Maass zurück und auch viel dünner bleiben; ausserdem unterscheiden
sie sich im Sommer auf den ersten Blick von den Kôdzobüschen durch
das freundlichere Hellgrün der lorbeerförmigen ungeteilten Blätter.
Von der Edgeworthia gilt, was die Japaner von der Amaryllideen-
gattung Lycoris sagen: »Ha mizu hana mizu«, d. h. »die Blüthen sehen
die Blätter nicht.« Die Blüthezeit fällt im mittleren Hondo in den
März, im Süden schon einen Monat früher, die Samen reifen schon
Anfang Mai, noch bevor die Blätter sich völlig entwickelt haben.
Cultur und Verwendung dieser aus Indien stammenden Pflanze
sind viel beschränkter, als die der Broussonetia. Je nach Beschaffen-
heit des Bodens und der Pflege können auch von ihr drei oder vier
Jahre nach der Aussaat die einjährigen Triebe zur Bast- und Papier-
gewinnung benutzt werden. Man schneidet sie im November oder
December ab und behandelt sie ähnlich, wie die der Broussonetia.
In den Provinzen Suruga, Kai und Idzu, im weiten Umkreise des
Fuji-san, trifft man sie am meisten und bereitet hier viel Papier daraus,
so zu Ishikawa in Kai, zu Kurasawa und andern Orten am
Tôkaidô, zu Atami in Idzu, z. B. das bekannte Suruga-banshi,
von dem Tafel XII. eine Probe bietet. Hohe Gebirge schützen hier
die Mitsu-mata-Pflanzungen vor den rauhen Winden des Winters. In
andern Landesteilen trifft man sie mehr zerstreut, wie auch als Zier-
pflanze in den Gärten. In den kälteren Gegenden bedürfen die
jüngeren Pflanzen der Ueberdachung als Schutzmittel gegen die
nächtliche Kälte. Wenn v. Siebold meinte, die Edgeworthia komme
in Japan spontan vor, so beruht dies sicherlich ebenso auf Täu-
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/511>, abgerufen am 22.11.2024.
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