gegengesetzter Seite sich anschliessenden Gärtchen zugewandt, von dem sie eine etwa meterbreite Veranda scheidet. Ein Gang über letztere führt zu dem sich seitlich anschliessenden Abtritt, Chodzu-ba, Yoba oder (vulgär) Setzu-in genannt. Bei dem leichten, luftigen Bau gelangt nicht selten der Geruch von hier zunächst gerade in die vor- nehmsten Räume, wie der in Japan Reisende es oft genug beobach- ten kann.
Der verschliessbare Raum des Chodzu-ba hat einen gedielten Bo- den mit einer Oeffnung in Form eines Rechtecks in der Mitte und einem Fass oder einer grossen irdenen Urne als Recipient darunter. Ein Sitz ist nicht vorhanden; aber der in der Oeffnung sitzende und herausnehmbare Rahmen trägt am vorderen Ende eine kleine Lehne zum Anfassen, wodurch sich die Vorrichtung vornehmlich von ähn- lichen bei ganz andern Völkern, z. B. den Marokkanern und alten Römern, vortheilhaft unterscheidet.
Für das kleine Bedürfniss ist fast immer besonders gesorgt, nur nicht Nachts. Der zur Aufnahme des "Wassers" in einem Winkel an- gebrachte und meist in die Erde versenkte Behälter trägt in den feineren Häusern eine aus Brettern zusammengesetzte vierseitige Pyramide über sich, deren Hohlraum zur Hälfte mit kurz zerhackten Zweigen immergrüner Nadelhölzer gefüllt ist. Während hierdurch, oder durch eine andere Vorrichtung, das Pissoir gewöhnlich den Blicken des Vorübergehenden verborgen ist, gibt es jedoch auch noch Städte, wo man von einer solchen Verfeinerung der Sitte noch sehr fern ist und die alte chinesische Methode noch herrscht, wie dies nach älteren Berichten, z. B. denen Thunberg's, früher fast allgemein Brauch gewesen zu sein scheint.
Zwei besonders auffallende Beispiele der Art erlebte ich 1874 auf meinen Reisen, die hier wohl erwähnt werden dürfen. In der durch ihre Bronzegiessereien bemerkenswerthen Stadt Takaoka in Echiu, nicht weit vom Japanischen Meer fand ich zwei Reihen Urineimer als Pissoire an der Hauptstrasse aufgestellt, ohne jede sonstige Maskirung. Noch eclatanter traf ich die Ungenirtheit später in der Stadt Sakata in nord- östlicher Richtung von Niigata. Hier hatte jedes Haus eine derartige Vorrichtung gleich am Eingang, und das Gasthaus (die Yadoya), in welches ich einkehrte, etwa da, wo bei uns das Portierstübchen sich befindet, deren zwei. Solches mag in früherer Zeit in allen Städten vorgekommen sein; jetzt gehört es zu den bereits seltenen Ausnahmen, ja es wird in dieser Beziehung jetzt in Japan viel weniger der öffent- liche Anstand vermisst, als vielfach bei uns.
In den grösseren Städten kommt fast täglich der Koye-tori (wörtlich
1. Die japanische Landwirthschaft im Allgemeinen.
gegengesetzter Seite sich anschliessenden Gärtchen zugewandt, von dem sie eine etwa meterbreite Veranda scheidet. Ein Gang über letztere führt zu dem sich seitlich anschliessenden Abtritt, Chôdzu-ba, Yôba oder (vulgär) Setzu-in genannt. Bei dem leichten, luftigen Bau gelangt nicht selten der Geruch von hier zunächst gerade in die vor- nehmsten Räume, wie der in Japan Reisende es oft genug beobach- ten kann.
Der verschliessbare Raum des Chôdzu-ba hat einen gedielten Bo- den mit einer Oeffnung in Form eines Rechtecks in der Mitte und einem Fass oder einer grossen irdenen Urne als Recipient darunter. Ein Sitz ist nicht vorhanden; aber der in der Oeffnung sitzende und herausnehmbare Rahmen trägt am vorderen Ende eine kleine Lehne zum Anfassen, wodurch sich die Vorrichtung vornehmlich von ähn- lichen bei ganz andern Völkern, z. B. den Marokkanern und alten Römern, vortheilhaft unterscheidet.
Für das kleine Bedürfniss ist fast immer besonders gesorgt, nur nicht Nachts. Der zur Aufnahme des »Wassers« in einem Winkel an- gebrachte und meist in die Erde versenkte Behälter trägt in den feineren Häusern eine aus Brettern zusammengesetzte vierseitige Pyramide über sich, deren Hohlraum zur Hälfte mit kurz zerhackten Zweigen immergrüner Nadelhölzer gefüllt ist. Während hierdurch, oder durch eine andere Vorrichtung, das Pissoir gewöhnlich den Blicken des Vorübergehenden verborgen ist, gibt es jedoch auch noch Städte, wo man von einer solchen Verfeinerung der Sitte noch sehr fern ist und die alte chinesische Methode noch herrscht, wie dies nach älteren Berichten, z. B. denen Thunberg’s, früher fast allgemein Brauch gewesen zu sein scheint.
Zwei besonders auffallende Beispiele der Art erlebte ich 1874 auf meinen Reisen, die hier wohl erwähnt werden dürfen. In der durch ihre Bronzegiessereien bemerkenswerthen Stadt Takaóka in Echiú, nicht weit vom Japanischen Meer fand ich zwei Reihen Urineimer als Pissoire an der Hauptstrasse aufgestellt, ohne jede sonstige Maskirung. Noch eclatanter traf ich die Ungenirtheit später in der Stadt Sakata in nord- östlicher Richtung von Niigáta. Hier hatte jedes Haus eine derartige Vorrichtung gleich am Eingang, und das Gasthaus (die Yadoya), in welches ich einkehrte, etwa da, wo bei uns das Portierstübchen sich befindet, deren zwei. Solches mag in früherer Zeit in allen Städten vorgekommen sein; jetzt gehört es zu den bereits seltenen Ausnahmen, ja es wird in dieser Beziehung jetzt in Japan viel weniger der öffent- liche Anstand vermisst, als vielfach bei uns.
In den grösseren Städten kommt fast täglich der Koye-tori (wörtlich
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1. Die japanische Landwirthschaft im Allgemeinen.
gegengesetzter Seite sich anschliessenden Gärtchen zugewandt, von
dem sie eine etwa meterbreite Veranda scheidet. Ein Gang über
letztere führt zu dem sich seitlich anschliessenden Abtritt, Chôdzu-ba,
Yôba oder (vulgär) Setzu-in genannt. Bei dem leichten, luftigen Bau
gelangt nicht selten der Geruch von hier zunächst gerade in die vor-
nehmsten Räume, wie der in Japan Reisende es oft genug beobach-
ten kann.
Der verschliessbare Raum des Chôdzu-ba hat einen gedielten Bo-
den mit einer Oeffnung in Form eines Rechtecks in der Mitte und
einem Fass oder einer grossen irdenen Urne als Recipient darunter.
Ein Sitz ist nicht vorhanden; aber der in der Oeffnung sitzende und
herausnehmbare Rahmen trägt am vorderen Ende eine kleine Lehne
zum Anfassen, wodurch sich die Vorrichtung vornehmlich von ähn-
lichen bei ganz andern Völkern, z. B. den Marokkanern und alten
Römern, vortheilhaft unterscheidet.
Für das kleine Bedürfniss ist fast immer besonders gesorgt, nur
nicht Nachts. Der zur Aufnahme des »Wassers« in einem Winkel an-
gebrachte und meist in die Erde versenkte Behälter trägt in den
feineren Häusern eine aus Brettern zusammengesetzte vierseitige
Pyramide über sich, deren Hohlraum zur Hälfte mit kurz zerhackten
Zweigen immergrüner Nadelhölzer gefüllt ist. Während hierdurch,
oder durch eine andere Vorrichtung, das Pissoir gewöhnlich den Blicken
des Vorübergehenden verborgen ist, gibt es jedoch auch noch Städte,
wo man von einer solchen Verfeinerung der Sitte noch sehr fern ist
und die alte chinesische Methode noch herrscht, wie dies nach älteren
Berichten, z. B. denen Thunberg’s, früher fast allgemein Brauch
gewesen zu sein scheint.
Zwei besonders auffallende Beispiele der Art erlebte ich 1874 auf
meinen Reisen, die hier wohl erwähnt werden dürfen. In der durch
ihre Bronzegiessereien bemerkenswerthen Stadt Takaóka in Echiú, nicht
weit vom Japanischen Meer fand ich zwei Reihen Urineimer als Pissoire
an der Hauptstrasse aufgestellt, ohne jede sonstige Maskirung. Noch
eclatanter traf ich die Ungenirtheit später in der Stadt Sakata in nord-
östlicher Richtung von Niigáta. Hier hatte jedes Haus eine derartige
Vorrichtung gleich am Eingang, und das Gasthaus (die Yadoya), in
welches ich einkehrte, etwa da, wo bei uns das Portierstübchen sich
befindet, deren zwei. Solches mag in früherer Zeit in allen Städten
vorgekommen sein; jetzt gehört es zu den bereits seltenen Ausnahmen,
ja es wird in dieser Beziehung jetzt in Japan viel weniger der öffent-
liche Anstand vermisst, als vielfach bei uns.
In den grösseren Städten kommt fast täglich der Koye-tori (wörtlich
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/51>, abgerufen am 22.11.2024.
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