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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
gewebe zu malen. Zu diesem Zweck werden mit Nori (Kleister) die
Zwischenräume zwischen den vorgezeichneten Figuren überdeckt, um
das Einsaugen und Ueberfliessen der Farben an den Rändern zu ver-
hüten. Das Verfahren nähert sich im übrigen dem beim Malen auf
Seide überhaupt.

In der Darstellung von Birodo oder Sammet ist man über das
einfache glatte oder gerippte Fabrikat nicht hinausgekommen. Die
dazu dienende Vorrichtung entspricht unserem früheren Handwebstuhl
für Sammet. Der Flor der Polkette umschlingt parallel laufende Kupfer-
stäbe als Nadeln. Ist das Gewebe fertig, so werden die Noppen oder
Maschen mittelst eines Messers aufgeschnitten, das zwischen zwei
Führern geht, und die Nadeln dann herausgezogen. Die Sammet-
weberei Japans hat in Kioto und Nagahama ihren Sitz. Zu Ishida,
einem Orte ostwärts vom Biwa-See und nicht weit von Nagahama, war
dieselbe schon 1874 eingegangen, weil, wie mir der Fabrikant sagte,
der Import die Preise für das Fabrikat so sehr heruntergedrückt und
anderseits die Ausfuhr der Rohseide diese so vertheuert habe, dass
man nicht mehr mit Gewinn arbeiten konnte.

Nui-mono oder Nui-haku, Stickerei, vornehmlich mit Seide
auf Seiden- oder Wollstoffe, schliesst sich der Seidenweberei an. Es
ist ein hochentwickelter Zweig des japanischen Kunstgewerbes, bei
dem sich wiederum die vorherrschenden Züge des japanischen Arbei-
ters, die Freude und Befriedigung an dem mit grosser Sorgfalt, viel
Geschick und bewundernswerthem Geschmack hervorgerufenen Product
offenbart. Durch eine ingeniöse Abwechselung und Verbindung von
Plattstickerei mit Federstich, aufgenähten Cordeln und dergleichen,
und durch eine mustergültige Auswahl, Zusammenstellung und Abtö-
nung der Farben ruft man überraschende Wirkungen hervor und haucht
den Blumen, Vögeln, Schmetterlingen und andern Gegenständen, welche
man nachbildet, mit der Nadel gewissermaassen Leben ein.

Die Stickerei wird in den japanischen Häusern von alten Zeiten
her geübt. Mütter leiten ihre Töchter schon frühzeitig an, mit ver-
schiedenfarbigen Läppchen ein gefälliges Mosaik herzustellen und da-
mit Bestecke für Essstäbchen und Zahnstocher, Schlagbretter für eine
Art Federballspiel und andere Gegenstände zu überziehen. Auf einer
höheren Stufe bildet die Anfertigung und Ausschmückung von Puppen-
kleidern zur weiteren Ausbildung der Geschicklichkeit und des Ge-
schmacks eine reiche Gelegenheit. Dennoch ist die Stickerei kein
Erwerbszweig der weiblichen Bevölkerung geworden, sondern in ihren
höchsten Leistungen schon seit lange Männerarbeit. Die mit Nui-haku
verzierten seidenen Ceremonienkleider, Theatercostüme, reichen Prie-

III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
gewebe zu malen. Zu diesem Zweck werden mit Nori (Kleister) die
Zwischenräume zwischen den vorgezeichneten Figuren überdeckt, um
das Einsaugen und Ueberfliessen der Farben an den Rändern zu ver-
hüten. Das Verfahren nähert sich im übrigen dem beim Malen auf
Seide überhaupt.

In der Darstellung von Birôdo oder Sammet ist man über das
einfache glatte oder gerippte Fabrikat nicht hinausgekommen. Die
dazu dienende Vorrichtung entspricht unserem früheren Handwebstuhl
für Sammet. Der Flor der Polkette umschlingt parallel laufende Kupfer-
stäbe als Nadeln. Ist das Gewebe fertig, so werden die Noppen oder
Maschen mittelst eines Messers aufgeschnitten, das zwischen zwei
Führern geht, und die Nadeln dann herausgezogen. Die Sammet-
weberei Japans hat in Kiôto und Nagahama ihren Sitz. Zu Ishida,
einem Orte ostwärts vom Biwa-See und nicht weit von Nagahama, war
dieselbe schon 1874 eingegangen, weil, wie mir der Fabrikant sagte,
der Import die Preise für das Fabrikat so sehr heruntergedrückt und
anderseits die Ausfuhr der Rohseide diese so vertheuert habe, dass
man nicht mehr mit Gewinn arbeiten konnte.

Nui-mono oder Nui-haku, Stickerei, vornehmlich mit Seide
auf Seiden- oder Wollstoffe, schliesst sich der Seidenweberei an. Es
ist ein hochentwickelter Zweig des japanischen Kunstgewerbes, bei
dem sich wiederum die vorherrschenden Züge des japanischen Arbei-
ters, die Freude und Befriedigung an dem mit grosser Sorgfalt, viel
Geschick und bewundernswerthem Geschmack hervorgerufenen Product
offenbart. Durch eine ingeniöse Abwechselung und Verbindung von
Plattstickerei mit Federstich, aufgenähten Cordeln und dergleichen,
und durch eine mustergültige Auswahl, Zusammenstellung und Abtö-
nung der Farben ruft man überraschende Wirkungen hervor und haucht
den Blumen, Vögeln, Schmetterlingen und andern Gegenständen, welche
man nachbildet, mit der Nadel gewissermaassen Leben ein.

Die Stickerei wird in den japanischen Häusern von alten Zeiten
her geübt. Mütter leiten ihre Töchter schon frühzeitig an, mit ver-
schiedenfarbigen Läppchen ein gefälliges Mosaik herzustellen und da-
mit Bestecke für Essstäbchen und Zahnstocher, Schlagbretter für eine
Art Federballspiel und andere Gegenstände zu überziehen. Auf einer
höheren Stufe bildet die Anfertigung und Ausschmückung von Puppen-
kleidern zur weiteren Ausbildung der Geschicklichkeit und des Ge-
schmacks eine reiche Gelegenheit. Dennoch ist die Stickerei kein
Erwerbszweig der weiblichen Bevölkerung geworden, sondern in ihren
höchsten Leistungen schon seit lange Männerarbeit. Die mit Nui-haku
verzierten seidenen Ceremonienkleider, Theatercostüme, reichen Prie-

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[462/0494] III. Kunstgewerbe und Verwandtes. gewebe zu malen. Zu diesem Zweck werden mit Nori (Kleister) die Zwischenräume zwischen den vorgezeichneten Figuren überdeckt, um das Einsaugen und Ueberfliessen der Farben an den Rändern zu ver- hüten. Das Verfahren nähert sich im übrigen dem beim Malen auf Seide überhaupt. In der Darstellung von Birôdo oder Sammet ist man über das einfache glatte oder gerippte Fabrikat nicht hinausgekommen. Die dazu dienende Vorrichtung entspricht unserem früheren Handwebstuhl für Sammet. Der Flor der Polkette umschlingt parallel laufende Kupfer- stäbe als Nadeln. Ist das Gewebe fertig, so werden die Noppen oder Maschen mittelst eines Messers aufgeschnitten, das zwischen zwei Führern geht, und die Nadeln dann herausgezogen. Die Sammet- weberei Japans hat in Kiôto und Nagahama ihren Sitz. Zu Ishida, einem Orte ostwärts vom Biwa-See und nicht weit von Nagahama, war dieselbe schon 1874 eingegangen, weil, wie mir der Fabrikant sagte, der Import die Preise für das Fabrikat so sehr heruntergedrückt und anderseits die Ausfuhr der Rohseide diese so vertheuert habe, dass man nicht mehr mit Gewinn arbeiten konnte. Nui-mono oder Nui-haku, Stickerei, vornehmlich mit Seide auf Seiden- oder Wollstoffe, schliesst sich der Seidenweberei an. Es ist ein hochentwickelter Zweig des japanischen Kunstgewerbes, bei dem sich wiederum die vorherrschenden Züge des japanischen Arbei- ters, die Freude und Befriedigung an dem mit grosser Sorgfalt, viel Geschick und bewundernswerthem Geschmack hervorgerufenen Product offenbart. Durch eine ingeniöse Abwechselung und Verbindung von Plattstickerei mit Federstich, aufgenähten Cordeln und dergleichen, und durch eine mustergültige Auswahl, Zusammenstellung und Abtö- nung der Farben ruft man überraschende Wirkungen hervor und haucht den Blumen, Vögeln, Schmetterlingen und andern Gegenständen, welche man nachbildet, mit der Nadel gewissermaassen Leben ein. Die Stickerei wird in den japanischen Häusern von alten Zeiten her geübt. Mütter leiten ihre Töchter schon frühzeitig an, mit ver- schiedenfarbigen Läppchen ein gefälliges Mosaik herzustellen und da- mit Bestecke für Essstäbchen und Zahnstocher, Schlagbretter für eine Art Federballspiel und andere Gegenstände zu überziehen. Auf einer höheren Stufe bildet die Anfertigung und Ausschmückung von Puppen- kleidern zur weiteren Ausbildung der Geschicklichkeit und des Ge- schmacks eine reiche Gelegenheit. Dennoch ist die Stickerei kein Erwerbszweig der weiblichen Bevölkerung geworden, sondern in ihren höchsten Leistungen schon seit lange Männerarbeit. Die mit Nui-haku verzierten seidenen Ceremonienkleider, Theatercostüme, reichen Prie-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/494>, abgerufen am 22.11.2024.